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Bankraub gescheitert

Blamierte Euro-Eliten: Nach Ablehnung des »Hilfspaketes« durch Zyperns Parlament herrscht Konfusion. Vorerst keine »Rettung« der Geldhäuser zu Lasten der Einleger

Von Rainer Rupp *

Zyperns Parlamentarier haben am Dienstag abend gegen ihre »Rettung« gestimmt. Dem Staat droht damit die Insolvenz, die Europäische Währungsunion steckt tiefer in der Krise denn je. Euro-Gruppe (Rat der Finanzminister der 17 Mitgliedsstaaten) und Internationaler Währungsfonds (IWF) hatten am vergangenen Sonnabend in Brüssel der Regierung des Inselstaates Bedingungen gestellt, die keiner der gewählten Volksvertreter mittragen wollte. Vor allem der geplante Griff des Staates auf die Kontoguthaben hatte Bevölkerung und Abgeordnete auf die Palme gebracht.

Es half nicht, daß in letzter Minute vorgeschlagen worden war, die Bank­einlagen der Kleinsparer von bis zu 20000 Euro unangetastet zu lassen. Nach dem Votum wurden für die von den EU-Eliten geforderte Zwangsabgabe null Stimmen gezählt. Selbst die Partei des Präsidenten Nikos Anastasiades (19 Abgeordnete) enthielt sich. Alle anderen Parteien (zusammen 36 Stimmen) lehnten das Gesetz ab.

In einem Interview mit der US-Finanznachrichtenagentur Bloomberg faßte Zyperns ehemaliger Zentralbankchef Athanasios Orphanides das Ganze so zusammen: »Was wir in den letzten Tagen gesehen haben, ist ein schwerwiegendes Versagen der europäischen Regierungen, die im wesentlichen die Regierung Zyperns erpressen, damit die Gelder konfisziert, die rechtmäßig den Einlegern in das zyprische Bankensystem gehören.«

Sakrileg

Tatsächlich haben die EU-Eliten mit der Teilenteignung privater Einleger gegen das höchste Sanktum des Systems verstoßen. Sicherheit der Bankguthaben steht beim bürgerlichen Eigentumsschutz ganz oben auf der Liste der Grundwerte. Ein fremder Zugriff ist allenfalls mit Gerichtsbeschluß möglich.

Ganz anders ist das bei Eigentumsanteilen an der Bank bzw. bei von Banken unterschriebenen Schuldverschreibungen. Hierbei müssen Investoren im Rahmen ihrer spekulativen Gewinnerwartungen auf der Gegenseite mit Verlusten in Form eines Schuldenschnitts oder gar eines Totalverlusts rechnen.

EU, IWF und Europäische Zentralbank ignorierten das und wollten sich im Fall Zypern ausgerechnet an den Bankeinlagen zugunsten der Bankbesitzer und der internationalen Kreditgeber vergreifen. Nicht zuletzt dürfte das auch als Zugeständnis an die Stimmungslage in den Heimatländern gedacht gewesen sein, wo die Geduld nach ständigen Rettungsaktionen für marode Bankensysteme allmählich zur Neige geht. Den Bürgern dort wurde u.a. erzählt, daß die großen Guthaben bei den zyprischen Banken direkt aus den Geldwaschanlagen der »Russischen Mafia« stammten. Daher hätte beispielsweise der Deutsche Bundestag einem Antrag, diese Geldhäuser mit EU-Mitteln zu retten, nicht zugestimmt. So entstand die Idee, Zypern einen »Eigenanteil« zur Pleiterettung aufzubürden: Zehn Milliarden Euro gibt die Troika (den EU-Steuerzahlern), die restlichen 5,8 Milliarden Euro werden durch Zwangsabgaben auf die Bankeinlagen aufgebracht

Um den Eindruck zu verwischen, daß es sich diesem geplanten Bankraub um eine rein antirussische Maßnahme handelt, beschloß die konservative Regierung in Nikosia, auch die eigenen Sparer bluten zu lassen. Die sollten auf 5,75 Prozent ihrer Spareinlagen verzichten, wenn sie nicht mehr als 100000 Euro auf der Kante hatten. Einlagen die darüber lagen, sollten um knapp zehn Prozent (9,9) geschmälert werden.

Dieser Plan ist kläglich gescheitert. Und nun weiß niemand genau, wie es weitergeht. Haben die Euro-Eliten nur geblufft? Werden sie zur Rettung ihres verfahrenen Euro-Projektes doch noch einlenken und alles zahlen (bzw. vorschießen, denn es handelt sich dem Namen nach um Kredite)? Oder ist eine Pleite Zyperns jene Ausnahme, die die Regel bestätigt? Letzteres ist ein Gedanke, mit dem nicht wenige Politiker in Berlin spielen. Zypern ist winzig, was seine Wirtschaftskraft betrifft, es trägt nur zu 0,2 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt der EU bei. Dem halten andere EU-Größen entgegen, daß ein Bankrott der Banken dort auch andere Euro-Länder, insbesondere Griechenland in den Abgrund ziehen könnte.

Signalwirkung

Wie auch immer die Sache ausgeht, das Ansehen der EU-Eliten ist ramponiert. Nachdem jüngst ihre ehrgeizigen Pläne für ein undemokratisches, von abgehobenen Bürokraten regiertes Super-Europa der Konzerne durch die große Mehrheit der italienischen Wähler zurückgewiesen worden war, ist die Klatsche in Zypern eine neue Niederlage. Und sie könnte auch in anderen Ländern Schule machen. Zugleich haben EU und Euro-Zone in den Augen der internationalen Finanzakteure an Glaubwürdigkeit verloren. Sogar von einem Gezeiten- oder Paradigmenwechsel ist die Rede. Nach Zypern könne kein Investor mehr darauf bauen, daß die Eliten sich an ihre eigenen Gesetze, geschweige denn Versprechungen halten.

Von den insgesamt 64 Milliarden Euro Bankeinlagen in Zypern sind nur 39 Prozent in russischer Hand. 61 Prozent der Großguthaben gehören Reichen aus dem Mittleren Osten, Nordafrika und Europa, vor allem aus Großbritannien und auch aus Deutschland. Und wer glaubt, daß die Europäer oder Araber in punkto Geldwäsche zögerlicher vorgehen als die Russen, irrt. Dummerweise sind es genau diese Leute, um deren Gunst die Euro-Eliten ständig buhlen. Die sollen nämlich u.a. EU-Schatzbriefe zur Finanzierung des »Rettungsfonds« kaufen.

Finanzexperten warnen, daß nach Zypern die anderen EU-Krisenländer wieder größere Schwierigkeiten haben werden, neue Kredite zu bekommen. Auch droht ein Run auf die Banken der Inselrepublik. Wenn die am Donnerstag oder erst nächste Woche wieder öffnen, könnten Zyprer und Ausländer die Schalter stürmen, um ihre Konten leerzuräumen.

Nigel Farage, Chef der sich zunehmender Popularität erfreuenden britischen Anti-EU Partei UKIP, empfahl nach dem »Nein« im zyprischen Parlament, »kein Geld mehr in der Euro-Zone zu investieren, denn die wird jetzt von Leuten regiert, die weder Demokratie noch Rechtsstaatlichkeit respektieren, noch die Grundsätze achten, auf denen die westliche Zivilisation basiert«. Geradezu verzweifelt klang EU-Kommissionschef José Manuel Barroso am Montagabend vor der Presse, als er alle bat: »Wir müssen die Nerven behalten und auf Kurs bleiben.«

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 21. März 2013


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