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Zentralafrika im Chaos

Frankreich will seine Truppen in dem Land aufstocken *

Angesichts der Krise in der Zentralafrikanischen Republik will Frankreich seine militärischen Truppen in dem Land um bis zu 1000 Mann aufstocken.

Nairobi. Paris will vor der Truppenentsendung nach Zentralafrika zunächst eine UN-Resolution abwarten, erklärte Außenminister Laurent Fabius am Dienstag. Der Sicherheitsrat befasst sich in der kommenden Woche erneut mit der Lage in dem Konfliktland. Auch die Afrikanische Union und die Regierung der Zentralafrikanischen Republik unter Präsident Michel Djotodia sollten der Entsendung zustimmen, erklärte Fabius.

Der stellvertretende UN-Generalsekretär Jan Eliasson forderte den Sicherheitsrat dringend auf, die afrikanische Eingreiftruppe in der Zentralafrikanischen Republik zu verstärken. Sie solle in eine UNO-Mission umgewandelt werden, verlangte Eliasson vor dem Sicherheitsrat in New York. Die Zentralafrikanische Republik gleite ins »komplette Chaos« ab. Sexuelle Gewalt gegen Zivilisten nehme zu, ebenso wie Folter, Erschießungen, ethnisch und religiös motivierte Übergriffe. Es müsse sofort gehandelt werden.

Erwartet wird, dass das wichtigste UN-Gremium die Verstärkung der afrikanischen Truppe befürwortet. Geplant ist eine 3000 Mann starke afrikanische Eingreiftruppe, die von Mitte Dezember an am Ort sein soll. Die französischen Soldaten sollen diese Mission zusätzlich unterstützen. Die ehemalige Kolonialmacht hat derzeit rund 400 Soldaten in der Zentralafrikanischen Republik. Deren Auftrag beschränkt sich auf den Schutz französischer Staatsbürger.

Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erklärte vor gut einer Woche, er halte die Einsetzung einer UN-Truppe für richtig. Sie sollte 6000 bis 9000 Mann stark sein und müsse jetzt entsandt werden, um einen Zerfall des Landes in religiöse und ethnische Milizen zu verhindern. Zunächst soll aber die Afrikanische Union versuchen, die Probleme in dem Krisenstaat zu lösen.

Viele Hilfsorganisationen haben das Land aus Furcht vor Übergriffen bereits verlassen.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 27. November 2013


Pariser Ordnungsfeldzug in der Exkolonie

Den Putsch in der Zentralafrikanischen Republik hat Frankreich zugelassen. Nun folgen »Friedenstruppen«

Von Christian Selz **


Rund 1000 zusätzliche Soldaten will Frankreich in die Zentralafrikanische Republik entsenden. Bezwecken wolle Paris damit eine kurzfristige Unterstützung der »Friedenstruppen« aus den afrikanischen Staaten, so zumindest kündigte es Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian am Dienstag an. Über derlei Hilfe hätten sich im März wohl auch die rund 200 Soldaten Südafrikas gefreut. Das islamistische Rebellenbündnis Seleka hatte ihre Basis am Rande der Hauptstadt Bangui angegriffen und 13 Südafrikaner getötet. Das damals 450köpfige französische Kontingent griff nicht ein – und wurde selbst auch nicht attackiert. Tage später erklärte sich Seleka-Führer Michel Djotodia zum Staatsoberhaupt.

In der bitterarmen ehemaligen Kolonie war es nicht das erste Mal, daß Paris seine »Unterstützung« verweigerte. »Auf keinen Fall« seien seine Soldaten im Land, »um in interne Angelegenheiten einzugreifen«, schlug Präsident François Hollande ein militärisches Hilfsgesuch seines Amtskollegen François Bozizé am 27. Dezember 2012 aus. Die ebenfalls angeflehten USA evakuierten am Folgetag das letzte verbliebene Personal aus ihrer Botschaft. Ausdruck von Zurückhaltung war das nicht. Gerade Frankreich hatte schließlich keine Probleme, die Zentralafrikanische Republik auch nach deren Unabhängigkeit 1960 lange Zeit weiter politisch fernzusteuern, während seine Konzerne die Gold-, Diamanten- und Uranvorkommen abbauten. Als Bozizé allerdings 2007 ausgerechnet den staatlichen Erdölkonzern privatisierte und damit der uneingeschränkte Einfluß des französischen Total-Konzerns zerschlagen war, kühlte sich das Verhältnis ab.

Doch offensichtlich haben die Herren im Elyseepalast mit dem Putschisten Djotodia auf das falsche Pferd gesetzt. Seine – offiziell aufgelösten – Rebellengruppen terrorisieren heute das Land, morden, plündern und lassen eine geordnete Rohstoffausbeutung nicht zu. Es ist also an der Zeit für eine neue »Friedensmission«.

** Aus: junge welt, Mittwoch, 27. November 2013


Somalia im Regenwald

Von Martin Ling ***

Die These von Frankreichs Außenminister Laurent Fabius ist gewagt: Die Zentralafrikanische Republik befinde sich »am Rande des Völkermords«. Doch dass die ZAR auf dem besten Wege ist, jegliche staatliche Ordnung zu verlieren und zu einem Somalia im Regenwald zu werden, ist die übereinstimmende Meinung nahezu aller Beobachter. Wenn der einstige Rebellenführer und seit dem Putsch im März als selbst ernannter Präsident amtierende Michel Djotodia offen eingesteht, dass er die Kontrolle über die Milizen verloren habe, ist Alarmbereitschaft angebracht. Ob Menschenrechtsorganisationen, Journalisten oder die UNO: Allesamt berichten von unkontrolliert wütenden Milizen, die marodieren und vor Übergriffen auf die Zivilbevölkerung nicht halt machen.

Frankreich will nun, mit UN-Mandat ausgestattet, 1000 Soldaten in die ehemalige Kolonie schicken, um die Lage wieder in den Griff zu bekommen. Der Mission der Afrikanischen Union ist das offensichtlich nicht gelungen. Doch mit Frankreich macht man den Bock mal wieder zum Gärtner: Wer in Bangui regieren will, muss Frankreichs Interessen bedienen. Selbst wenn die Intervention kurzfristig helfen sollte, steht Paris in der ZAR langfristig für Instabilität. Das ist ein Kernproblem.

*** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 27. November 2013 (Kommentar)


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