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Militäreinsatz Frankreichs abgesegnet

Französisches Korps patrouilliert in Zentralafrika / Hollande will "neue Afrika-Politik"

Von Ralf Klingsieck, Paris *

Überschattet vom Krieg in der Zentralafrikanischen Republik, hat in Paris ein Gipfeltreffen mit rund 40 afrikanischen Staats- und Regierungschefs begonnen.

Kaum hatten am Donnerstagnachmittag in New York die 15 Mitgliedsstaaten des UN-Sicherheitsrats einstimmig das Mandat für einen französischen Militäreinsatz in Zentralafrika erteilt, trat Präsident François Hollande vor die Fernsehkameras und verkündete, dass die Aktion unverzüglich beginne. Die Zahl von 600 Militärangehörigen, die sich bereits im Land befinden, werde in kürzester Zeit verdoppelt, kündigte der Präsident an. Diese Verstärkung kommt aus den Nachbarländern Kamerun und Tschad, wo aufgrund bilateraler Abkommen ständig französische Truppen stationiert sind. Die Soldaten hatten bereits seit Tagen auf dem Flughafen der Hauptstadt Bangui Gewehr bei Fuß gestanden und wurden nun in Marsch gesetzt.

Es wurde auch höchste Zeit, denn in den letzten Stunden hatte es noch einmal einen blutigen Höhepunkt der Ausschreitungen von islamischen und christlichen Milizen gegeben, von denen die einen im März den ersten islamischen Präsidenten des Landes, Michel Djotodia, an die Macht geputscht hatten und die anderen nach wie vor auf Seiten des aus dem Amt vertriebenen Präsidenten François Bozizé stehen, der die christliche Bevölkerungsmehrheit vertrat. Opfer der bewaffneten Auseinandersetzungen ist vor allem die Zivilbevölkerung beider Konfessionen, die früher friedlich zusammenlebte und die nun gegeneinander aufgehetzt und zynisch geopfert wird.

Auch in anderen Landesteilen gibt es Zusammenstöße der Milizen. Es herrschen Chaos und Angst, die Bevölkerung flüchtet in den Busch, die humanitäre Lage wird immer katastrophaler. Aufgabe der Franzosen soll es zunächst sein, die verfeindeten Kräfte in der Hauptstadt voneinander zu trennen, die Milizen möglichst zu entwaffnen und die Grundlagen für eine Rückkehr zu Ruhe und Ordnung zu schaffen. Außerdem soll das Militär die Straßen nach Kamerun und Tschad sichern.

Offiziell sollen die Franzosen an der Seite einer Streitmacht der Afrikanischen Union agieren, doch in der Praxis sind sie weitgehend auf sich allein gestellt, weil dieses afrikanische Korps bislang nicht existiert. Seine Bildung, Zusammensetzung und Finanzierung sind Hauptanliegen des zweitägigen informellen Gipfels »Für Frieden und Sicherheit in Afrika«, der seit Freitag im Pariser Elysée-Palais stattfindet und an dem mehr als 40 afrikanische Staats- und Regierungschefs teilnehmen. Bei der Eröffnung würdigten alle Teilnehmer Nelson Mandela, der in der Nacht gestorben war. Zum Zeichen der Trauer wurde die Fahne auf dem Elysée auf Halbmast gesetzt.

Auf diesem Mini-Gipfel will Präsident François Hollande, so ließ er verlauten, die afrikanischen Staatschefs davon überzeugen, dass sich Frankreich seiner Verantwortung als ehemalige Kolonialmacht nicht entzieht und auch weiterhin nicht nur wirtschaftliche und humanitäre, sondern – in dem Maße, wie es von den jeweiligen Staaten gewünscht wird – auch »militärische Hilfe« leisten wird. Frankreich wolle aber wie unlängst in Mali und jetzt in Zentralafrika nicht länger weitgehend auf sich allein gestellt sein, den Ruf als »Gendarm Afrikas« loswerden und nur noch im Rahmen internationaler Kontingente tätig werden. Es sei an den afrikanischen Staaten selbst, für Sicherheit, Ordnung und Rechtsstaatlichkeit zu sorgen und dafür effiziente Militär- und Polizeikräfte zu bilden.

In der Diskussion betonten afrikanische Politiker, dass es für ihre Länder vor allem darum geht, das Leben ihrer Völker zu verbessern. Demgegenüber liege der Kampf gegen Terrorismus, Piraterie und Drogenschmuggel im Interesse Frankreichs und anderer Länder des Westens. Alassane Ouattara, Präsident von Côte d'Ivoire (Elfenbeinküste), der Frankreich ausdrücklich für sein Engagement zum Schutz der Bevölkerung Zentralafrikas dankte, erklärte aber auch nachdrücklich: »Diejenigen, die von den Reichtümern Afrikas profitieren, müssen auch zu seiner Sicherheit beitragen.«

* Aus: neues deutschland, Samstag, 7. Dezember 2013


Paris rückt vor

Frankreich weitet militärische Präsenz in Zentralafrikanischer Republik aus

Von Simon Loidl **


Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich hat am Freitag einen weiteren Militäreinsatz in Afrika begonnen. Unmittelbar nachdem der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erwartungsgemäß die Resolution 2127 zur Situation in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) verabschiedet hatte, gab Frankreich den Beginn der »Operation Sangaris« bekannt und entsandte zusätzliche Soldaten in das Land. Jene Kräfte, die bereits vor Ort waren, patrouillierten in Bangui, der Hauptstadt der ZAR.

Dort hatten in den Stunden zuvor erneut Kämpfe stattgefunden, Beobachter sprachen von knapp 100 Toten allein am Donnerstag. Die Lage in dem Land ist unübersichtlich. Im März dieses Jahres hatte die Rebellenallianz Séléka den Präsidenten der ZAR, François Bozizé, gestürzt. Séléka-Anführer Michel Djotodia erklärte sich zum neuen Staatsoberhaupt.

Seit dem Putsch im März riß die Gewalt in dem Land nicht ab. In der Rebellenallianz sind islamistische Kämpfer und Veteranen früherer Auseinandersetzungen – auch der gestürzte Präsident Bozizé war 2003 durch einen Putsch an die Macht gekommen – vereinigt. Beobachtern vor Ort zufolge gingen Milizen während der vergangenen Monate vor allem gegen christliche Teile der Bevölkerung vor. Daraufhin formierten sich die christlichen »Anti-Balaka«-Milizen und setzten sich gegen Übergriffe zur Wehr. In der Resolution des Sicherheitsrates werden Séléka-Kräfte und die »Anti-Balakas« (etwa »Anti-Macheten«), aber auch auch die Lord‘s Resistance Army für die eskalierende Gewalt verantwortlich gemacht.

Obwohl Paris mit mehreren hundert Soldaten präsent war, griff es im Frühjahr nicht in die Auseinandersetzungen ein. Französische Soldaten halten aber seither den Flughafen von Bangui besetzt und kontrollieren damit de facto die Ein- und Ausreise. In Erwartung des UN-Mandats waren Medienberichten zufolge bereits im Laufe der Woche weitere französische Soldaten ins Land gekommen. Die derzeit etwa 650 Militärs sollen nun laut Außenminister Laurent Fabius bis Ende der Woche verdoppelt werden.

Die Resolution des Sicherheitsrats legitimiert Frankreichs Einheiten, »alle nötigen Maßnahmen« zur Unterstützung der von der Afrikanischen Union (AU) geführten Mission MISCA zu ergreifen. Etwa 2500 AU-Soldaten aus verschiedenen afrikanischen Ländern sind bereits vor Ort, das Aufgebot soll auf 3600 Mann erweitert werden.

Französische Politiker versicherten, daß der Einsatz nichts mit ökonomischen Interessen zu tun habe. »Es ist eine humanitäre Intervention«, so der Frankreichs UN-Repräsentant Gérard Araud gegenüber CNN. Präsident François Hollande verglich in einem Statement die Intervention in Mali vor einem Jahr mit dem aktuellen Einsatz in der ZAR. Die Umstände seien »sehr verschieden« gewesen, so Frankreichs Staatsoberhaupt, doch sei es in beiden Fällen die »Pflicht« seines Landes, »humanitäre Katastrophen zu vermeiden«. Wie Mali und dessen Nachbarländer verfügt die ZAR über große Vorkommen an Uran, Diamanten, Gold und anderen Mineralien. Französische Unternehmen sind in dem Land präsent, der Energiekonzern Areva etwa betreibt eine Uranmine.

** Aus: junge welt, Samstag, 7. Dezember 2013




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