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Jahrzehntelanger Freiheitskampf

Ein neues Buch über Alltag und Widerstand der Frauen in der Westsahara. Konferenz in Berlin

Von Florence Hervé *

Es gibt kaum ein besetztes Land auf der Welt, das in den Medien und in der Öffentlichkeit weniger Aufmerksamkeit bekommt als die Westsahara. Umso wertvoller ist die Untersuchung der österreichischen Politologin und feministischen Aktivistin Gundi Dick über Lage und Widerstand der Frauen in dem von einem 2.700 Kilometer langen Wall durchtrennten Land.

Es geht um die Handlungsfähigkeit der sahrauischen Frauen im seit 1975 von Marokko besetzten größten Teil der Westsahara, in den befreiten Gebieten und in den Flüchtlingslagern südlich von Tindouf in Algerien.

Auf einen geschichtlichen Überblick über den vergessenen Sahara-Konflikt und über den Alltag jenseits und diesseits der Schandmauer (des »Berm«) und grundsätzliche Fragestellungen zur Selbstbestimmung folgen als Schwerpunkt des Buchs die Interviews der Autorin mit zehn sahrauischen Frauen und einem Mann zum Widerstandskampf gegen die Besatzung, zum politischen Handeln, zu Frauenemanzipation und Zukunftsperspektiven.

Fazit der Autorin: Der Kampf um Geschlechtergleichstellung ist nicht zu trennen vom Kampf um nationale Selbstbestimmung. Gleichwohl seien sich die Interviewpartnerinnen einig, »dass ihre Handlungsspielräume nicht durch sahrauische Männer eingeschränkt werden, sondern massive Beschränkungen aufgrund von Diskriminierung, Marginalisierung, Gewalt und Verletzung von Menschenrechten von außen, durch die marokkanische Besatzung bestehen«, schreibt Dick. Viele Sahrauis seien durch die Repression, die Untätigkeit der internationalen Gemeinschaft und die stagnierenden Verhandlungen radikalisiert worden. Auch Frauen, so die Autorin, seien bereit, »gemeinsam mit den Männern in den Krieg zu ziehen und ihr Leben zu geben, wenn es nur Erfolg zeitigen würde«.

In ihrer Schlussbemerkung geht die Autorin, die 2013 für ihre Arbeit über Frauen in der Westsahara mit dem Herta-Pammer-Preis 2013 geehrt wurde, auf den »arabischen Frühling« ein. Angefangen hatte dieser im Oktober 2010 in den besetzten Gebieten mit Protesten gegen die Ermordung eines 14jährigen durch marokkanische »Sicherheitskräfte« und mit dem ersten »Lager der Würde« in der Westsahara, das dann im November 2010 brutal von der marokkanischen Polizei aufgelöst wurde. Der Protest, der mit den Forderungen nach Freiheit, Würde und Selbstbestimmung einhergeht, hat zudem, so Gundi Dick, zu einer Stärkung der Frauen geführt. Viele offene Fragen bleiben jedoch angesichts des verwehrten Rechts auf Autonomie: »Ob Krieg jedoch zu einer Konfliktlösung führt, ist nicht nur unter den Sahrauis strittig.«

Am heutigen Freitag beginnt in Berlin eine zweitägige internationale Konferenz unter dem Titel »Western Sahara - Referendum now!«, auf der heute abend (ab 18 Uhr) auch Aminatou Haidar über die Bedeutung internationalen zivilgesellschaftlichen Engagements für die besetzten Gebiete in der Westsahara sprechen wird. Die 48jährige ist Präsidentin der sahrauischen Menschenrechtsorganisation »Codesa« und eine Ikone der Freiheitsbewegung. 2013 ist die Aktivistin, die wegen ihres Engagements für die Unabhängigkeit jahrelang ohne Gerichtsverfahren inhaftiert war und mehrfach gefoltert wurde, mit dem Bremer Solidaritätspreis geehrt worden.

Gundi Dick: Eine Hand allein kann nicht klatschen. Westsahara - mit Frauen im Gespräch. Löcker Verlag, Wien 2014, 173 S., 19,80 Euro

Tagung am 12./13.12. in Berlin: www.freie-westsahara.eu


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