Westsahara auf Kriegskurs
POLISARIO erwägt Aufgabe der Waffenruhe
Von Ralf Streck*
Der UNO-Sicherheitsrat hat in der Nacht zum Freitag die Verlängerung der UN-Mission für ein Referendum über die Westsahara (Minurso) beschlossen. Bis zum 31. Oktober soll Minurso die Waffenruhe in dem Gebiet überwachen, das Marokko nach dem Abzug der spanischen Kolonialmacht 1975 besetzt hat.
UNO mauert
Von Marokko und der Frente POLISARIO wird die »vollständige Kooperation« gefordert, um zu einer politischen Lösung des Konflikts zu kommen. Die Befreiungsfront als Vertretung der Saharaouis wurde aufgefordert, »sofort« 400 gefangene marokkanische Soldaten freizulassen. Die Konfliktparteien sollen »die militärischen Abkommen von 1991 vollständig respektieren«, auf denen die Waffenruhe basiert. Anfang vergangener Woche hatte UN-Generalsekretär Kofi Annan in einem neuen Bericht zur Lage in der Westsahara bedauert, daß sich beide Seiten auf bewaffnete Aktionen vorbereiteten. Vor dieser Kulisse forderte Annan eine »gerechte, dauerhafte und akzeptable« Konfliktlösung.
Fakt ist, daß die Geduld der Saharaouis zu Ende geht. Daß Annan in seinem Bericht den »Plan Baker« nicht einmal erwähntet, hat die POLISARIO weiter verärgert. Seit fast 15 Jahren hält die UNO die 150.000 Saharaouis hin, die unter schwierigsten Bedingungen in Wüstenlagern leben. Die Weltorganisation ist unfähig oder unwillig, gegenüber Marokko die Vereinbarungen durchzusetzen, welche das Königreich 1991 eingegangen ist. Seit 14 Jahren warten die Saharaouis auf das Referendum über die Unabhängigkeit, daß die UNO überwachen sollte.
Baker-Plan abgelehnt
Seither hintertreibt Marokko das Referendum und versucht mit Einwanderung die Mehrheitsverhältnisse zu ändern. Selbst den Plan des zurückgetretenen UNO-Sonderbeauftragten James Baker lehnte Rabat ab. Demnach sollte die Abstimmung weiter vertagt werden und die Westsahara in der Zeit eine Autonomie erhalten. Doch auch Annan ist das offenbar zuviel. Der soll Baker beauftragt haben, eine Autonomielösung für die Westsahara in Marokko auszuarbeiten. Das hat auch mit Ölinteressen zu tun. Firmen aus den USA und Frankreich haben mit Marokko schon Verträge über die Suche und Verwertung der Ölvorkommen in der Westsahara geschlossen. Es sind die letztlich die USA und Frankreich, die diese Art Autonomie vorantreiben.
Brief an Sicherheitsrat
Daß selbst der Baker-Plan beerdigt werden soll, könnte nun das Faß zum Überlaufen bringen. Schon als Reaktion auf den Annan-Bericht hatte der Vertreter der POLISARIO bei der UNO einen Brief an den Sicherheitsrat geschrieben. Darin würdigte Ahmed Bujari zwar den Einsatz der UNO, von den Abkommen von Houston bis zum »Friedensplan für das Volk der Saharaouis«, der als »Plan Baker II« bekannt ist. Er kritisiert aber, daß dieses Projekt ignoriert werde: »Damit wird das Vorgehen derer entschuldigt, wenn nicht gar gestützt, die durch ihre klare Obstruktion, Täuschung und ihrem fehlenden guten Willen, die UNO in eine ernste Glaubwürdigkeitskrise stürzen, was einen Friedensprozeß in der Westsahara angeht.«
In den Wüstenlagern wird indes über die Rückkehr zum bewaffneten Kampf diskutiert. Der POLISARIO-Führer Mohammed Jadad Enmamed erklärte bei seinem Besuch im April in Madrid: »Der Frieden ist weiter entfernt als ein bewaffneter Konflikt«.
* Aus: junge Welt, 2. Mai 2005
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