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Situation um Westsahara spitzt sich zu

Marokko macht die Unabhängigkeitsorganisation Polisario für Polizistenmord verantwortlich

Von Ralf Streck, Donostia *

Die Spannungen zwischen der Besatzungsmacht Marokko und der Befreiungsfront der Westsahara steigen.

Über die staatliche Nachrichtenagentur MAP macht das Königreich im Nordwesten Afrikas Anhänger der Polisario für einen toten marokkanischen Polizisten verantwortlich. Der 35-jährige Abdelaziz Meski, Mitglied der Sondereinheit GIR, sei von »einer Gruppe Separatisten der Polisario in brutaler Weise ermordet worden«, hieß es dazu. Der Polizist sei am Montag den Verletzungen in einem Krankenhaus in der südwestlichen Stadt Marrakesch erlegen.

Dabei lagen die Vorgänge schon fast eine Woche zurück und wurden bisher nicht erwähnt. Auffällig ist auch, dass keine näheren Hinweise auf den Ablauf gegeben werden. Aus dem Umfeld der Polisario heißt es, dass es am 26. Februar zu Zusammenstößen in der Stadt Tan Tan gekommen sei, als eine Gruppe Jugendlicher für die Unabhängigkeit der besetzten Westsahara von Marokko eingetreten sei. Die Stadt liegt im Süden von Marokko, nahe der Grenze zur Westsahara.

Die GRI soll brutal gegen die Gruppe vorgegangen sein und sechs Personen verhaftet haben, die sich in »Notwehr« mit Steinwürfen verteidigt hätten. Elghalia Djimi, Vizepräsident der »Organisation für Menschenrechtsverletzungen gegen die Saharaouis im Marokkanischen Staat« (ASVDH), geht davon aus, dass der Polizist durch einen Steinwurf verletzt wurde. Doch auch er kennt die genauen Vorgänge nicht.

So ist bisher nur klar, dass Marokko den Vorfall benutzt, um die Polisario anzugreifen. Die Befreiungsfront hat sich aber längst von dem Vorfall distanziert. Über die Nachrichtenagentur Sáhara Press Service (SPS) wies sie »kategorisch« zurück, dass Mitglieder der Polisario in die Vorgänge verwickelt seien. Mohamed Mami Tamek, Informationsminister der Demokratischen Arabischen Republik Sahara (RASD), erklärte: »Die Saharaouis haben im langen Kampf für ihre nationale Befreiung und Unabhängigkeit niemals terroristische Mittel eingesetzt.«

Er forderte Marokko auf, die Unterdrückung in den besetzten Gebieten zu beenden. Denn dort geht Marokko seit Jahren mit brutaler Gewalt gegen die Unabhängigkeitsbewegung vor. Etliche Saharouis verloren dabei ihr Leben. Der Menschenrechtsaktivist Brahim Noumria sagte, die Lage dort werde sich ähnlich wie in Palästina entwickeln. »Es ist unmöglich, dass die Menschen weitere Jahre die Barbarei des marokkanischen Regimes aushalten.«

Die Polisario forderte erneut die UNO auf, ihrer Verantwortung nachzukommen. Seit 1991 warten die Saharaouis auf das Referendum über die Unabhängigkeit von Marokko, das von der UNO überwacht werden soll. Es war Grundlage für die Waffenruhe, wird aber von Marokko seither systematisch hintertrieben. Marokko bietet nur eine begrenzte Autonomie für die Westsahara an, weshalb die Gespräche stocken und die Spannung auch in den Wüstenlagern steigt, in die seit der Besetzung 1975 Zehntausende geflüchtet sind. Viele haben dort das Vertrauen in die UNO verloren und fordern die Rückkehr zum bewaffneten Kampf. Zum 32. Jahrestag der RASD am Mittwoch voriger Woche wurde auch kritisiert, dass die EU und die USA zwar Kosovo als Staat anerkennen, aber der RASD diesen Schritt bislang verweigerten. 82 Staaten haben die RASD inzwischen anerkannt.

* Aus: Neues Deutschland, 5. März 2008


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