Gebt uns unsere Heimat zurück!
KOMMENTAR: In Europas unmittelbarer Nachbarschaft tobt seit über drei Jahrzehnten ein Konflikt - und niemand schaut hin. Dabei gehören schwere Menschenrechtsverletzungen zum Alltag in der Westsahara.
Von Maria Mayrhofer *
Die Westsahara sollte seit dem Ende der spanischen Kolonialherrschaft 1976 eigentlich unabhängig sein - ist sie aber nicht. Sofort nach dem Abzug Spaniens stellten die beiden Nachbarländer Marokko und Mauretanien Ansprüche auf das Gebiet und besetzten es. Während sich Mauretanien bald wieder aus der Westsahara zurückzog, besetzte Marokko, mit dem Argument die nomadischen Stämme der Westsahara hätten sich seit jeher dem Marokkanischen König untergeordnet, das ganze Territorium. Das in der Westsahara lebende saharauische Volk wollte jedoch seine erst kürzlich erlangte Unabhängigkeit nicht wieder verlieren und leistete Widerstand gegen die marokkanischen Besatzer. So kam es zu einem erbitterten Guerilla-Krieg zwischen den Kämpfern der saharauischen Unabhängigkeitsbewegung "Frente Polisario" und der marokkanischen Armee, der viele Saharauis dazu bewegte aus der Westsahara zu flüchten und sich im Süden Algeriens in Flüchtlingslagern niederzulassen.
Illegitimer Status Quo
Erst im Jahre 1991 wurde mit Hilfe der UNO ein Waffenstillstand ausverhandelt, der als Bedingung ein Referendum vorsah, in dem die Saharauis entscheiden sollten, ob die Westsahara unabhängig wird oder ein autonomes Gebiet unter der Souveränität Marokkos bleibt. Ursprünglich für 1992 geplant, hat das Referendum, mit dessen Durchführung die UN-Unterorganisation MINURSO betraut wurde, bis heute nicht stattgefunden und wurde immer wieder verschoben. Durch geschicktes Hinauszögern der Abstimmung und Manipulation der UN-Beobachter durch Marokko und verbündete Staaten wie Frankreich ist die Westsahara immer noch besetzt.
Geteiltes Volk: Zwischen algerischem Exil und marokkanischem Polizeistaat
Heute, 33 Jahre nach Beginn der Auseinandersetzungen um die Westsahara ist die saharauische Bevölkerung zweigeteilt. Rund 170 000 Saharauis leben noch immer in den Flüchtlingslagern im Süden Algeriens. Die saharauischen Flüchtlinge sind größtenteils von internationaler Hilfe abhängig, weil die karge Wüste, in der sich die Lager befinden, kaum Selbstversorgung zulässt.
Ohne Arbeit und Beschäftigung warten die Menschen teilweise schon in dritter Generation auf ihre Rückkehr in die Westsahara.
Auch die Regierung der Demokratischen Arabischen Republik Sahara (DARS) befindet sich im algerischen Exil. Sie wird allerdings nur von circa 80 Staaten offiziell anerkannt - darunter vor allem afrikanische und lateinamerikanische Staaten.
Der andere Teil der saharauischen Bevölkerung (über die genaue Anzahl der Menschen gibt es nur Schätzungen) lebt in dem von Marokko besetzten Gebiet der Westsahara, das einem Polizeistaat gleicht. Die Menschenrechtssituation für die dort lebenden Saharauis ist mehr als bedenklich, wie auch verschiedene internationale Menschenrechtsorganisationen (Amnesty International, Human Rights Watch) warnen. Saharauis, die ihre Stimme für die Unabhängigkeit der Westsahara erheben, müssen mit Verfolgung, Folter, Verschleppung und Sippenhaft rechnen. Auch Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind stark eingeschränkt, wodurch jegliche Form politischen Engagements unterbunden werden soll. Mitglieder von saharauischen Menschenrechtsorganisationen, beispielsweise, müssen auf Grund ihrer Arbeit gewalttätige Übergriffe durch die marokkanischen Behörden fürchten.
Ressourcenklau und Freunderlwirtschaft
Marokko begreift das Referendum zur Unabhängigkeit als gescheitert und sieht die Westsahara folglich als Teil seines Staatsgebietes. Aus diesem Grund scheut Marokko auch nicht davor zurück, die Ressourcen im Gebiet der Westsahara auszubeuten. In der Westsahara gibt es neben anderen Rohstoffen auch große Phosphat-, Erdöl- und Erdgasvorkommen, die von marokkanischen und größtenteils westlichen Unternehmen gefördert und abgebaut werden.
Zudem gilt der lange Küstenstreifen der Westsahara als eines der besten Fischfanggebiete Afrikas.
Erst kürzlich hat Marokko mit der EU ein Fischereiabkommen geschlossen, das auch die fischreichen Hoheitsgewässer der Westsahara miteinschließt.
Diese Art der wirtschaftliche Ausbeutung ihres Landes hat große negative Auswirkungen auf die Position der saharauischen Bevölkerung im Westsaharakonflikt. Durch das Abschließen von derartigen wirtschaftlichen Verträgen und die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen im Gebiet der Westsahara bestärken die internationalen Akteure, seien es nun Staaten oder Unternehmen, die Position Marokkos und diskriminieren und ignorieren mit ihrem Verhalten gleichzeitig die saharauische Bevölkerung mit ihrer legitimen Forderung nach Unabhängigkeit.
Obwohl die Besetzung der Westsahara vom Internationalen Gerichtshof als unrechtmäßig verurteilt wurde, kann Marokko weiterhin seine illegitime Position vertreten. Das liegt vor allem an den wirtschaftlichen, geostrategischen und politischen Interessen von großen Playern wie der USA oder Frankreich, die, unter anderem durch ihren Einfluss auf die Entscheidungen im UNO-Sicherheitsrat, eine Lösung des Westaharakonflikts verhindern.
* Aus: www.city-flyer.at/ (eine online- und gedruckte Zeitung in St. Pölten für den "Zentralraum Niederösterreich").
Mit freundlicher Genehmigung der Autorin.
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