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UNO soll handeln

Westsahara: Marokkanisches Militär riegelt Bojador ab. Gespräche zwischen Rabat und Polisario ohne Fortschritte

Von Santiago Baez *

Der Präsident der Demokratischen Arabischen Republik Sahara, Mohammed Abdelaziz, hat UN-Generalsekretär Ban Ki Moon am Sonntag (31. Juli) zu einem »sofortigen Eingreifen« in Bojador aufgerufen. Seit dem vergangenen Mittwoch hätten die Besatzungstruppen einen militärischen Belagerungsring um die drittgrößte Stadt in den von Marokko okkupierten Gebieten der Westsahara errichtet, so daß für die wehrlose Bevölkerung dort eine gefährliche Lage entstanden sei. Die Vereinten Nationen müßten sich selbst ein Bild davon machen und dafür sorgen, daß Marokko unabhängige Beobachter und Journalisten in die Region lasse, forderte Abdelaziz, der auch Generalsekretär der Befreiungsbewegung Frente Polisario ist.

Wie die offizielle saharauische Nachrichtenagentur SPS berichtet, hatten am vergangenen Mittwoch (27. Juli) Aktivisten von fünf Erwerbslosenverbänden einen auf mehrere Tage angelegten »Sit-In« begonnen, um auf ihre Lage aufmerksam zu machen. Gegen 22 Uhr gingen dann plötzlich marokkanische Soldaten und Polizisten gewaltsam gegen die Protestierenden vor und zerstörten die aufgebauten Zelte. Mehrere Demonstranten wurden dabei verletzt. Anwohner des betroffenen Gebiets reagierten darauf dem Bericht zufolge mit Parolen gegen die Besetzung der Westsahara durch Marokko, woraufhin die Sicherheitskräfte versuchten, die umliegenden Wohnungen zu stürmen.

Unterdessen zeigte sich der marokkanische König Mohammed VI. in der Westsahara-Frage unnachgiebig. Während einer Thronrede am vergangenen Sonnabend sprach er sich zwar für regionale Integration und Menschenrechte aus, nannte den Konflikt um die besetzten Gebiete, die er »die marokkanische Sahara« nannte, aber erneut eine »künstliche Diskrepanz«, deren politische Lösung eine Autonomie für die Region sei. Dazu sollten die Verhandlungen im Rahmen der Vereinten Nationen »im Geist des Konsens und des Realismus« durchgeführt werden, forderte der Monarch. »Die Souveränität und Einheit des Territoriums« Marokkos dürfe jedoch nicht in Frage gestellt werden.

Die saharauische Regierung warf dem König deshalb vor, die in seinem Land herrschende Krise exportieren zu wollen, indem er Konflikte an seiner Grenze schüre und sich äußere Feinde schaffe. Der Monarch habe sich unversöhnlich gezeigt und könne den Widerspruch nicht auflösen, der zwischen seinem Versprechen, das Völkerrecht respektieren und mit den Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten, sowie der expansionistischen Verletzung der UN-Resolutionen über die Westsahara durch das marokkanische Regime bestehe.

Die letzte Runde der informellen Gespräche zwischen der marokkanischen Regierung und der Frente Polisario am Sitz der Vereinten Nationen in New York war am 21. Juli ergebnislos zu Ende gegangen. »Beide Seiten lehnen weiterhin die Vorschläge der anderen als Grundlage für künftige Verhandlungen ab«, machte Ban Ki Moons Sonderbeauftragter Christopher Ross kein Hehl aus dem Scheitern der Gespräche. Die Polisario besteht weiterhin auf der Durchführung eines Referendums über eine Unabhängigkeit, wie es bereits im Rahmen eines 1991 unterzeichneten Waffenstillstandes zwischen Marokko und der Westsahara vereinbart worden war. Für Rabat ist hingegen nichts, was über eine Autonomie hinausgeht, akzeptabel. Eine weitere Runde soll erst im September, nach der UN-Vollversammlung in New York, durchgeführt werden.

Der saharauische Verteidigungsminister Mohammed Lamine Bouhali warnte in diesem Zusammenhang erneut vor einem Scheitern der Verhandlungen. Für die Befreiungsbewegung sei der bewaffnete Kampf »immer eine Option«, um die Unabhängigkeit des Landes durchzusetzen. Die saharauischen Kämpfer seien erfahren und in der Lage, sich auf alle Umstände einzustellen. Das hätten sie bereits während ihres 16jährigen Kampfes bis zum Waffenstillstand 1991 bewiesen, so Bouhali.

* Aus: junge Welt, 3. August 2011


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