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Sanktionen gegen Marokko gefordert

Afrikanische Union soll aktiver für die Rechte der Bewohner der Westsahara eintreten

Von Saaleha Bamjee (IPS) *

Das Panafrikanische Parlament (PAP), die Legislative der Afrikanischen Union (AU), hat an den Zusammenschluß fast aller Staaten des Kontinents appelliert, Marokko durch Sanktionen zur Einhaltung der Menschenrechte und des Rechtes der Saharauis auf Selbstbestimmung in der annektierten Westsahara zu zwingen. Eine vom PAP im Juli in die Westsahara entsandte Delegation hatte von fortgesetzten schweren Menschenrechtsverletzungen der marokkanischen Besatzungsbehörden gegen die einheimische Bevölkerung berichtet.

Die Regierung in Rabat weigert sich, ein 1975 von den Vereinten Nationen gefordertes Referendum über den völkerrechtlichen Status der Westsahara durchzuführen. Die von der dortigen Befreiungsbewegung Frente Polisario ausgerufene Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS) wurde 1984 in die Afrikanische Union aufgenommen und wird inzwischen von über 70 Staaten anerkannt. Aus Protest verließ Marokko damals die AU, unterhält aber weiterhin diplomatische Beziehungen zu ihren Mitgliedsstaaten.

Die Empfehlungen des Panafrikanischen Parlaments, dessen Tagung im südafrikanischen Midrand in der Nähe von Johannesburg am Freitag zu Ende ging, sind für die AU nicht bindend. Dennoch zeigte sich die Leiterin der PAP-Delagtion, Juliana Katengwa aus Ruanda, zuversichtlich, daß die Fülle von Informationen und Hinweisen des Gremiums die Aufmerksamkeit der AU-Mitglieder finden werde. »Dieser Konflikt wird totgeschwiegen. Die Medien blenden ihn völlig aus«, kritisierte sie. »Doch solange wir uns damit befassen, erfahren auch die Regierungen weltweit, was mit den Saharauis geschieht.« Katengwa bezeichnete die Exekutive der DARS als Exilregierung, weil sie in Westalgerien in den Flüchtlingslagern von Tindouf residiert. Hier leben nach Angaben der algerischen Regierung schätzungsweise 165000 Saharauis. Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur IPS hob Kantengwa das Engagement der in den Lagern lebenden Frauen hervor. »In ihrer Hand liegt die gesamte Organisation. Sie sorgen für den Gesundheitsdienst und für das schulische Angebot. Viele Frauen beteiligen sich zudem an der Regierung«, berichtete sie. Ouaddadi Scheich Ahmed Al-Haiba, der für die Westsahara im Panafrikanischen Parlament sitzt, bestätigte dies. Die Sahraui-Frauen hätten schon immer in vorderster Front gekämpft und in der Frente Polisario hohe Positionen besetzt. »In den zehnköpfigen Dorfkomitees sitzen nur zwei Männer, und auf der höheren Verwaltungsebene findet man ausschließlich Frauen«, sagte er IPS. »In unserer Nationalversammlung sind 34 Prozent der Abgeordneten Frauen.«

Hingegen sei bei den jungen Männern wenig Zuversicht zu verspüren, berichtete Delegationsleiterin Katengwa. Sie seien ungeduldig und hätten ihr gegenüber geklagt, daß sich die unter Vermittlung der UNO geführten Verhandlungen zwischen den Vertretern der Westsahara und Marokko viel zu lange hinzögen. Katengwa warnte, daß der quälend langsame Verlauf des Verhandlungsprozesses leicht in einen bewaffneten Konflikt münden könnte.

Einen von Marokko angebotenen so genannten Autonomieplan, der Westsahara einige Selbstverwaltungsmöglichkeiten einräumt, ihren Bewohnern aber die Entscheidung über Integration oder Unabhängigkeit verweigert, lehnt die DARS ab. Ouaddadi Scheich Ahmed Al-Haiba, der für die Westsahara im Panafrikanischen Parlament sitzt, nannte ihn einen Todesplan. »Wir wollen selbst über unser Schicksal bestimmen und wünschen uns nichts mehr als die Unabhängigkeit«, erklärte er. »Solange Marokko keine Sanktionen zu befürchten hat, wird es in der Westsahara weiterhin auftreten wie bisher, weil die Regierung an internationale Unterstützung glaubt.«

* Aus: junge Welt, 15. Oktober 2011


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