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Volksrat lehnt Spaltung West-Papuas ab

Abfuhr für konservative Kreise Indonesiens

Im Folgenden dokumentieren wir den jüngsten Informationsbrief des West Papua Netzwerks* (E-Informationsbrief Nr. 172 vom 24. Februar 2006).



Am 14. Februar 2006 fasste der Volksrat der Papuas (MRP) einen mutigen Beschluss zum Status der Provinz West Irian Jaya („Irian Jaya Barat“, IJB). Die kompromisslose Haltung des MRP überrascht seine Kritiker und ärgert konservative Kreise in Jakarta.

Hintergrund

Die Provinz IJB in der Vogelkopfregion, mit ihrer Hauptstadt Manokwari, wurde im Januar 2003 von der Regierung Megawati Sukarnoputri per Präsidialinstruktion gebildet, obwohl das Sonderautonomiegesetz aus dem Jahre 2001 vorsieht, dass Neugründungen bzw. Spaltungen von Provinzen der „Zustimmung“ (persetujuan) des MRP und des Provinzparlamentes bedürfen. Megawati weigerte sich aber, einen Volksrat der Papuas ins Leben zu rufen. Der Vorsitzende des Provinzparlamentes, John Ibo, zog wegen der gesetzeswidrigen Spaltung der Provinz vor das Verfassungsgericht. Letzteres entschied am 11. November 2004, dass die Neugründung der Provinz IJB zwar nicht verfassungswidrig sei, aber auf keiner rechtsgültigen Grundlage stehe.

Der neue Präsident, Susilo Bambang Yudhoyono, ging sofort nach seinem Amtsantritt ans Werk, die Grundlagen für den MRP zu schaffen. Dieser sollte dann die Provinz IJB legitimieren. Am 23. Dezember 2004 unterschrieb der Präsident das Reglement zur Implementierung des MRP, es dauerte aber noch bis zum 31. Oktober 2005, bis der Volksrat seine Arbeit aufnehmen konnte. Selbstverständlich erwartete Jakarta, dass der Volksrat „kooperativ“ sei und schnellstens die neue Provinz anerkenne und somit auch die legitime Wahl eines Gouverneurs für IJB ermöglicht werde.

Trotz massiver Einflussnahme Jakartas, scheint der 42-köpfige Volksrat der Papuas aber keineswegs Jakartahörig zu sein. Anstatt die Entscheidung Jakartas einfach nur abzunicken, wollten die meisten Mitglieder des Volksrates sich offensichtlich am Willen des Volkes orientieren. Um den Volkswillen zu ermitteln, wurde eine Volksbefragung zum Status der Provinz IJB in der Vogelkopfregion durchgeführt. Das Resultat: die Papuas lehnen die Provinz mehrheitlich ab.

Der Beschluss des Volksrates der Papuas

  1. „Eine Aufteilung der Provinz Papua in neue Provinzen, wie etwa der Provinz West Irian Jaya (IJB) oder Provinzen mit anderen Namen, ist voreilig.“
  2. „Eine Aufteilung der Provinz Papua in neue Provinzen, wie etwa der Provinz West Irian Jaya (IJB) oder mit anderem Namen, hat auf der Grundlage des Artikels 76 des Gesetzes Nummer 21 aus dem Jahre 2001 stattzufinden“.
  3. „Falls die Aufteilung der Provinz Papua unter Nichtberücksichtigung von Diktum 1 und Diktum 2 trotzdem vollzogen wird, wird das Papua-Problem immer komplizierter werden. Aus diesem Grunde bittet der Volksrat der Papuas im Namen des Papuavolkes die Regierung, Raum für einen Dialog zu schaffen um auf demokratische, umfassende, gerechte und würdige Weise die Probleme Papuas zu lösen“.
  4. „Die Durchführung der Wahlen eines Gouverneurs und eines Vize-Gouverneurs der Provinz Papua muss im gesamten Gebiet der Provinz Papuas stattfinden, so wie es der Artikel 1a des Gesetzes Nr. 21 aus dem Jahre 2001 vorsieht. Die Wahl wird im gesamten Gebiet Papuas, das vorher Provinz Irian Jaya hieß, durchgeführt“.

Erklärung des Beschlusses

Der MRP bestätigte das Ergebnis der Volksbefragung und erklärte, dass es zur Zeit im Volke keinen Bedarf für eine neue Provinz gibt. Außerdem sei es unumgänglich, dass eventuelle Neugründungen von Provinzen im Lande Papuas immer in völliger und konsequenter Übereinstimmung mit dem Sonderautonomiegesetz stehen müssen.

Da die Zentralregierung bisher den Aufbau Papuas nicht auf befriedigende Weise betrieben habe, müsse sie den Weg für einen NATIONALEN DIALOG bahnen um alle Probleme Papuas zu lösen.

Die Wahl des Gouverneurs und seines Vizes müsse im gesamten Gebiet Papuas, von Sorong bis Merauke, gemäß dem Autonomiegesetz stattfinden – es dürfe also keine zusätzlichen Wahlen für einen Gouverneur und seinen Vize in IJB geben, da diese Provinz zur Zeit abgelehnt wird. Der MRP weiß sich seiner Aufgabe als Hüter der territorialen Einheit Papuas und der Würde Grundrechte aller Papuas verpflichtet.

Ferner hatte der Volksrat in der Begründung seines Beschlusses die Zentralregierung darauf hingewiesen, dass sie nicht das Recht habe, durch Neugründungen von Provinzen mehr Militäreinheiten nach Papua zu verlegen. Auch dürfe sie dies nicht zum Anlass nehmen, in verstärktem Maße die Migration nach Papua zu fördern oder das Geld für die Sonderautonomie in zusätzliche Bürokratien zu investieren. Die Zentralregierung solle dafür sorgen, dass die wirtschaftliche und sozial-kulturelle Einheit Papuas gewahrt bleibe. Jegliche Neugründungen von Provinzen dürften, wenn überhaupt, nur dazu dienen, dass es den Papuas wirtschaftlich besser gehe und sich ihre Zahl signifikant vermehre.

Wahlkampagne

Die Kampagne zur Wahl des Gouverneurs, die gestern (am 23. Februar) in Jayapura begonnen hatte, scheint sich allerdings entgegen des Beschlusses des MRP zunächst nur auf die im Jahre 2003 verkleinerte Provinz „Papua“ (also nicht einschließlich IJB) zu beschränken. Beobachter meinen, dass Jakarta alles daran setzt, in Kürze grünes Licht vom MRP für die Provinz in der Vogelkopfregion (möglicherweise mit einem akzeptableren Namen) zu erhalten, um danach auch dort legitime Wahlen durchführen zu können.

Ein ganz großer Fehler wäre es sicherlich, wenn Jakarta den Volksrat einfach übergehen und Wahlen ohne Zustimmung des MRP in der Vogelkopfregion durchführen würde. (uh)

Quellen:
  • Pengesahan Hasil Konsultasi Publik di Wilayah Irjabar No. 03/MRP/2006;
  • KEPUTUSAN MAJELIS RAKYAT PAPUA (MRP)NOMOR: 04/MRP/2006 TENTANG PENDAPAT MEJELIS RAKYAT PAPUA MENGENAI PROVINSI IRIAN JAYA BARAT;
  • Mitteilungen aus dem Kirchenamt der Baptistischen Kirchenvereinigung West-Papuas;
  • Suara Pembaruan 17.2.06, MRP: Belum saatnya pemekaran Irjabar;
  • Suara Pembaruan 18.2.06, Otsus Papua selalu dirongrong;
  • Suara Pembaruan 22.2.06, Calon Gubernur Papua berpawai keliling kota.
* West Papua Netzwerk, Koordinationsstelle
Rudolfstr. 137, 42285 Wuppertal
E-mail: west-papua-netz@vemission.org
Website: www.west-papua-netz.de



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