Schüsse in Jayapura
Indonesien: Aktivisten bei Auflösung des Volkskongresses in Papua verletzt
Von Thomas Berger *
Drei Tage hat der sogenannte Volkskongreß in Jayapura, der Regionalhauptstadt des von Indonesien annektierten Papua, gedauert. Zum Ende am Mittwoch schließlich hatten die versammelten Aktivisten ihre Unabhängigkeit von Jakarta erklärt. Ein Akt mit starker Symbolkraft, der allerdings in einer Welle der Gewalt unterging. Indonesische Polizisten und Militärs feuerten mit ihren Waffen in die Luft, gingen mit Schlagstöcken gegen die Teilnehmer der Aktion vor. Dutzende Aktivisten wurden dabei verletzt. Auch mehrere Journalisten sind Augenzeugenberichten zufolge mit verprügelt worden, wie unter anderem die englischsprachige indonesische Tageszeitung Jakarta Globe berichtete.
Die Einwohner Papuas kämpfen bereits seit Jahrzehnten gegen die indonesische Fremdherrschaft. Bei Staatsgründung nach dem Zweiten Weltkrieg war der Westteil der Insel Papua-Neuguinea formell nicht unter jenen Gebieten, die von den früheren niederländischen Kolonialherren in die Unabhängigkeit entlassen wurden. Erst später ist das Gebiet, zwischendurch als Irian Jaya bezeichnet, dem Staatswesen einverleibt worden. Auf Papua lebt ein Großteil der Bevölkerung noch in Stammesverbänden unter teils vormodernen Verhältnissen, gleichzeitig ist die Region reich an diversen Bodenschätzen. Um diese zu fördern, werden die Rechte der Einheimischen von indonesischen Regierungsstellen und Firmen, unterstützt vom Militär sowie von großen ausländischen Konzernen, mit Füßen getreten. Zu letzteren gehört vor allem der US-Bergbaukonzern Freeport, der auf Papua die weltgrößte Gold- und Kupfermine betreibt, die allerdings seit Wochen bestreikt wird. Die 8000 Beschäftigten fordern eine Erhöhung des Stundenlohns auf ein vergleichbares Niveau mit Mitarbeitern in anderen Minen. Die Firma hat inzwischen einige hundert Ersatzarbeiter organisiert, die eine minimale Produktion aufrechterhalten. Statt des achtfachen Lohns, wie ihn die Belegschaft fordert, will die Konzernvertretung bestenfalls einen Anstieg um 25 Prozent gewähren. Vor wenigen Tagen wurde von der Polizei bei einer Konfrontation ein streikender Arbeiter erschossen, weitere wurden verletzt.
Es ist allerdings nicht nur die wirtschaftliche Ausbeutung, sondern auch der fehlende Respekt vor den kulturellen Eigenheiten der Inselbewohner, der immer wieder für Proteste gegen die vor allem von der indonesischen Hauptinsel stammenden Vertreter des Staates sorgt. Ganz bewußt war deshalb schon zu Beginn des Volkskongresses am Montag der Morning Star, die für die Unabhängigkeitsbewegung stehende verbotene Flagge, gehißt worden. Unter den von Polizei und Soldaten verhafteten Aktivisten sind Forkorus Yaboisembut und Edison Waromi, die zuvor von den Teilnehmern der Aktion zum Präsidenten bzw. zum Premierminister eines freien Papua gewählt worden waren. Das gewaltsame Ende der Versammlung deutet darauf hin, daß sich die Lage in der Unruheregion in nächster Zeit abermals zuspitzen könnte.
* Aus: junge Welt, 21. Oktober 2011
Zurück zur West-Papua-Seite
Zur Indonesien-Seite
Zurück zur Homepage