Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Menschenrechte in Papua – Schlaglichter (Juli – November 2007)

Situationsbericht des Menschenrechtsbüros der evangelischen Kirche in Papua

Im November 2007 besuchte der Sonderberichterstatter der UNO für Folter, Prof. Dr. Manfred Nowack, Indonesien und konnte auch in West-Papua Gespräche führen. Wir begrüßen die Offenheit der indonesischen Regierung, die ihn eingeladen und ihm auch die Möglichkeit einer Reise nach Papua gegeben hat. Er besuchte Gefängnisse, führte Gespräche und nahm auch schriftliche Berichte entgegen. Das Menschenrechtsbüro der evangelischen Kirche (GKI-TP) hatte einen Bericht vorbereitet, der einzelne Fälle von schweren Übergriffen der Sicherheitskräfte dokumentiert. Der Bericht zeigt Schlaglichter auf, nennt einzelne gut dokumentierte Fälle von Gewaltmissbrauch und Misshandlungen, u.a. mit Todesfolge. Die Schlaglichter zeigen, dass sich die Menschenrechtslage in West-Papua in den letzten Monaten in keiner Weise verbessert hat. Fälle wie die hier dokumentierten sind längst nicht die einzigen, aber sie zeigen die Haltung der Sicherheitsbehörden gegenüber der Bevölkerung. Misshandlungen sind an der Tagesordnung, weil die Täter bisher immer straffrei ausgegangen sind. Prof. Nowack schrieb in seinem Abschlussbericht: „Die indonesischen Behörden konnten mir keinen einzigen Fall nennen, bei dem ein Beamter oder Militär wegen Misshandlung und Folter bestraft wurde.“ In einem der unten geschilderten Fälle wurde von uns der Name des Zeugen geändert. (sz)

Die Menschenrechtslage in Papua (Juli – November 2007)

Situationsbericht des Menschenrechtsbüros der evangelischen Kirche in Papua – GKI-TP – vom November 2007, dem Sonderberichterstatter der UNO für Folter bei seinem Besuch überreicht.

Denis Kasibmabin (21) und seine Freunde im Bezirk (Kabupaten) Pegunungan Bintang
Am 19. Juli 2007 haben drei Polizisten, nämlich Irfan, Saiman und Sirait, willkürlich drei Bürger zu Tode gefoltert, nämlich Denis Kasipmabin (21), Markus Uropka (23) dan Deni Sasaka (25). Die Polizisten waren Beamte der Polizeistation (Polres) des neuen Bezirks (Kabupaten) Pegunungan Bintang. Die Augenzeugen bestätigen, dass die drei Bürger, als sie zur Polizeistation gebracht wurden, zwar angetrunken, aber ansonsten völlig gesund waren. Als sie in ihre Häuser zurückgebracht wurden, waren sie in einem schlimmen Zustand und sind kurz darauf verstorben. Die Ironie der Geschichte: Sie wurden geschlagen, weil sie Alkohol konsumiert hatten, welchen die Polizei ihnen vorher verkauft hatte.

Benny Atek (45) im Bezirk (Kabupaten) Pegunungan Bintang
Im Mai 2007 wurde Benny Atek (45), der Leiter des Landwirtschaftsamtes, von vier Polizisten in der Polizeistation des Bezirks gefoltert. Er war schwer verletzt und starb am 4. Juli 2007 an den Folgen der Misshandlungen. Ein Arzt bestätigte, dass der Tod eine Folge der Verletzungen war, die ihm die Polizisten beigebracht hatten.

Yoseph Rahawarin (47), im Bezirk (Kabupaten) Timika
Am 3. August 2007 überfielen sieben Militärs der Landstreitkräfte das Haus des Grundschullehrers Yoseph Rahawarin (47). Er war Lehrer an der Schule Mapuru Jaya im Bezirk Timika. Er hatte eine Auseinandersetzung mit seinem Nachbarn. Dieser ging zum Militär und beklagte sich über Yoseph. Daraufhin wurde Yoseph von den Militärs zu Tode geprügelt.

Yuli Wanaris (21) im Bezirk (Kabupaten) Jayapura
Am 26. September 2007 wurde Yuli Wanaris (21), Jura-Studentin im 1. Semester an der Cenderawasih-Universität, von einer Patrouille des Geheimdienstes aufgegriffen und 18 Stunden an unbekanntem Ort festgehalten. Sie wurde geschlagen und bedroht. Eine Pistole wurde ihr an den Kopf gehalten, Nadeln unter ihre Fingernägel und Fußnägel gesteckt, man stach sie mit einer Spritze in die rechten und linken Hand- und Ellenbogengelenke, in die Knie- und Fußgelenke sowie in den Bauch und Rücken und in die Herzgegend. Sie wurde gefoltert, weil sie gezwungen werden sollte, über die Aktivitäten ihres Vaters Efraim Wanaris zu berichten. Ihr Vater ist Mitglied in der sog. Otoritas Nasional Papua, welche sich für die Unabhängigkeit Papuas einsetzt. Die Geheimdienstler riefen mit Yulis Mobiltelefon ihre Mutter an und ließen sie das Schreien ihrer Tochter hören. Sie sagten ihr, sie würden ihre Tochter zu Tode foltern, auch wenn ihr Vater seine politischen Aktivitäten einstellen würde. Zur letzten Folterstufe wurde Yuli vor einen heißen Ofen gezerrt, auf dem man sie braten wollte. Der Ofen war schon vorbereitet, doch diese Folter wurde dann nicht mehr ausgeführt. Yuli berichtete, dass sie in ein Privathaus nach Abepura gebracht worden war, wo sich die beschriebenen Ereignisse abspielten.

Krinus Pagawak (23) im Bezirk (Kabupaten) Jayapura-Land
Am 1. November 2007 misshandelte Yance Korwa, ein Militär der Landstreitkräfte der indonesischen Armee, Krinus Pagawak, er schlug ihn mit einem schweren Holzstab. Zunächst schlug er ihn mit der Hand, dann holte er das Stück Holz und stieß es dem Opfer mehrfach in den Bauch und fügte ihm schwere innere Verletzungen zu. Dann schleppte er sein Opfer an einen morastigen tiefen Wassertümpel und warf ihn hinein. Krinus Pagawak ertrank. Sein Freund Jekpot wurde ebenfalls geschlagen, konnte sich aber retten und berichtete den Vorfall. Der Grund für die Misshandlung: die beiden hatten den Soldaten, der an einem Kontrollposten Wache hielt, nicht gegrüßt. Der Vorfall ereignete sich in Lereh.

Zeugenberichte über die Schießerei eines Polizisten im Bezirk (Kabupaten) Mamberamo-Raya

Am 14. Oktober 2007 hat ein Polizist namens Jufri willkürlich auf einige Bürger am Mamberamo geschossen. Jufri war beauftragt, das Holzunternehmen PT Alas Mandiri Mamberamo zu bewachen. Dabei wurden zwei Bürger verletzt und ein Mitarbeiter des Unternehmens unbeabsichtig getroffen. Alle drei Verletzten werden noch im Allgemeinen Krankenhaus in Jayapura Dok II behandelt.

Zeugenbericht von Lukas Balebo (34)

Am Mittwoch, dem 10. Oktober, begann Jufri völlig ohne Grund das Dorfoberhaupt des Dorfes Towau im Distrikt Trimuris, mit Namen Noak Molio, zu verprügeln.Eine andere Person, nämlich Philemon Silo, hatte sich etwas zu Schulden kommen lassen. Jufri begann gleich zu prügeln, anstatt sich in Ruhe den Fall erklären zu lassen.

Am Samstag, dem 13. Oktober, gingen einige Leute aus Towau zum Unternehmen und baten darum, mit einem LKW ein Stück mitfahren zu dürfen, nach ”Kilometer acht”, doch die Leute des Unternehmes lehnten dies ab mit der Begrüdung, es regne, die Wege seien glitschig und dies gefährde die Passagiere.

Darauf gingen die Leute aus Towau zu Fuß weiter. Unterwegs überholte sie ein Lastwagen des Unternehmens. Kehalo Silo, einer der Towau-Leute, wollte den Lastwagen anhalten, er winkte mit der rechten Hand, in der er ein Hackmesser hielt. In seiner Linken trug er sein Gepäck und Pfeil und Bogen. Der Fahrer – ein Nicht- Papua – bekam Angst und dachte, Kehalo Silo wolle ihn mit dem Hackmesser bedrohen. Als er ins Lager zurückkehrte, berichtete er den Vorfall den Bewachern von der Polizei.

Am Sonntag Morgen, dem 14. Oktober, kamen einige Bürger aus Towau ins Lager des Unternehmens. Sie wollten Beschwerde führen, weil ihr Dorfoberhaupt vom Polizisten Jufri willkürlich und grundlos geschlagen worden war und baten um Erklärung.

Jufri ärgerte sich darüber und fuhr sie an: ”Warum habt ihr gestern unsern Lastwagenfahrer bedroht?”

Kornelis Silo antwortete: "Wir haben den Fahrer nicht bedroht. Wir wollten ein Stück mitgenommen werden, und zufällig hatte Kehalo Silo ein Hackmesser in der Hand. Wir wollten den Fahrer nicht bedrohen, er hat das missverstanden."

Doch Jufri wollte ihnen nicht glauben. Er schrie sie an: ”Ja, wenn ihr unbedingt einen Krieg mit uns führen wollt, dann kommt her, fangen wir gleich an!” Ohne jeglichen Warnschuss schoss er direkt blindlings auf die Leute aus Towau. Zwei Personen wurden sofort getroffen. Kornelis Silo, der ihm eben geantwortet hatte, brach sofort blutüberströmt zusammen. Die Kugel hatte ihn rechts getroffen und war links wieder ausgetreten. Die andern rannten davon und brachten sich in Sicherheit. Nach Auskunft des Arztes hat der Schuss die Lunge von Kornelis getroffen. Bis heute blutet er aus dem Mund. Das andere Opfer, Lukas Balebo, wurde von einer Kugel, die von einer Mauer zurückgeschlagen war, an der Brust getroffen.

Yohanes Lolopayung (47)
Yohanes Lolopayung stammt aus Toraja (Sulawesi) und ist im Unternehmen für Kontakte mit der Bevölkerung zuständig. Er erzählte, dass der Fahrer des Lastwagens, der letztlich die Schießerei verursacht hatte, aus Jawa stamme und erst seit zwei Wochen im Unternehmen arbeite. Er kenne die Kultur und das Verhalten der Menschen in Papua noch nicht. Er wisse nicht, dass die Dorfleute am Mamberamo immer Pfeil und Bogen und auch ein Hackmesser bei sich tragen, wenn sie ihr Dorf verlassen. Er hätte Angst gehabt und deshalb den Vorfall den Polizeiwachen gemeldet. Als die Leute von Towau zum Lager kamen und mit Jufri redeten, war Yohanes in der Unterkunft. Plötzlich hörte er draußen die Schüsse, er wollte sich im Baderaum verstecken. Dabei wurde er von einer Kugel am Knie getroffen. Der Arzt sagt, die Kugel habe nicht die Kniescheibe getroffen, sondern sei unter der Kniescheibe eingedrungen. In der Öffentlichkeit wurde der Vorfall so dargestellt, als hätten die Leute aus Towau die Polizei angegriffen, worauf die Polizei aus Notwehr geschossen habe. Das war eine falsche und bewusst irreführende Information.

Man sollte sich daran erinnern, dass die Polizei am unteren Mamberamo schon einmal, am 17. August 2007, auf den Leiter des Gesundheitszentrums, Markus Nasadit, geschossen hat.

Büro der Evangelischen Kirche in Papua (GKI-TP) für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung

Übersetzung aus dem Indonesischen von Dr. Siegfried Zöllner, West-Papua-Netzwerk

Quelle: West Papua Netzwerk: E-Informationsbrief Nr. 198 vom 14. Dezember 2007


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