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UNASUR will in Venezuela helfen

Südamerikanisches Bündnis bemüht sich um Deeskalation / Neue Tote bei Protesten

Von Jürgen Vogt, Buenos Aires *

Die Gewalt in Venezuela reißt nicht ab. Auch ein Kind stirbt bei neuen Ausschreitungen. Die Lage alarmiert den Staatenbund UNASUR. Er will eine Delegation in das Land schicken.

Auf diplomatischer Front wird vermittelt, auf den Straßen Venezuelas setzt sich die Gewalt fort: In der westvenezolanischen Stadt Valencia starben am Mittwoch vier Menschen, darunter ein Kind und ein Mitglied der militarisierten Polizei Guardia Nacional. Die genauen Hintergründe der Taten sind noch unklar.

Über einen Monat nach dem Beginn der blutigen Proteste in Venezuela hat sich die Union Südamerikanischer Staaten (UNASUR) erstmals mit den Vorgängen in dem Mitgliedsland befasst. Am Mittwoch beschlossen die Außenminister der zwölf Mitgliedstaaten Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Ecuador, Guyana, Kolumbien, Paraguay, Peru, Surinam, Uruguay und Venezuela auf einem außerordentlichen Treffen die Bildung einer Vermittlungskommission.

Was die Kommission bewirken kann, ist völlig offen. Fakt ist, dass sich die venezolanische Regierung erstmals einem internationalen Vermittlungsversuch geöffnet hat. Die UNASUR wurde 2008 als überstaatliche Organisation gegründet, um Probleme in der Region anzugehen, ohne wie in der Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS) dem Einfluss der USA ausgesetzt zu sein.

Die Bildung einer solchen Kommission war bereits am Dienstag von der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff vorgeschlagen worden. »Die Präsidenten der Mitgliedstaaten haben ihre Außenminister mit der Bildung einer Kommission beauftragt, die aus jeweils einem Vertreter jedes Staates der Region bestehen könnte und die als Vermittler beim Aufbau eines Klimas der Übereinkunft, des Konsenses und der Stabilität Venezuelas dient«, gab Frau Rousseff die Richtung vor.

Venezuelas Präsident Nicolás Maduro signalisierte bereits vor dem Außenministertreffen sein Einverständnis. »Hoffentlich bringt die UNASUR die Kommission schnell auf den Weg. Jede Unterstützung aus Lateinamerika ist willkommen, die die Wahrheit über Venezuela kennt«, sagte Maduro am Dienstag im venezolanischen Rundfunk. Er vertraue auf die Außenminister, dass sie eine »gute« Delegation bilden werden, die »das regelwidrige und gewalttätige Verhalten der Opposition« feststelle.

Die zwölf Außenminister folgten am Mittwoch den Vorgaben ihrer Chefs. In der am Ende verabschiedeten Fünf-Punkte-Resolution werden zwar die Bemühungen der venezolanischen Regierung unterstützt, »einen Dialog zwischen der Regierung, allen politischen Kräften und sozialen Akteuren mit dem Ziel, eine Einigung zu erreichen, die zur Verständigung und zum sozialen Frieden beiträgt.« Jedoch wird »auf Antrag der Regierung der bolivarianischen Republik Venezuela« eine Kommission bestehend aus mehreren Außenministern der Mitgliedsstaaten gebildet, die bei »einem breiten und konstruktiven politischen Dialog« helfen und beraten soll, um das friedliche Zusammenleben wiederherzustellen. Die Kommission soll spätestens in der ersten Aprilwoche erstmals zusammenkommen. Ein Ort dafür wird nicht genannt. Im letzten Punkt ihrer Resolution warnen die Außenminister vor »jeglicher Bedrohung der Unabhängigkeit und Souveränität« Venezuelas.

Wegen der anhaltenden Proteste, die bisher 26 Tote forderten, berief Präsident Maduro für Donnerstag sein Sicherheitskabinett ein und wollte über die Verhängung »spezieller Maßnahmen« in den Unruheorten beraten. Er machte erneut die Opposition für die Gewalt verantwortlich.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 14. März 2014


Hoffnung auf die Nachbarn

Martin Ling über die Vermittlungsanstrengungen der UNASUR in Venezuela **

Die Herausforderungen gehen der südamerikanischen Staatengemeinschaft UNASUR nicht aus. Schon im Gründungsjahr 2008 erlebte der Zusammenschluss seine Feuertaufe, als die bolivianische Opposition zum Aufstand gegen den gewählten Präsidenten Evo Morales geblasen hatte. Die UNASUR – bei der mit Bedacht im Gegensatz zur OAS die USA außen vor bleiben mussten – bestand diese Feuertaufe mit Bravour und machte der bolivianischen Rechten klar, dass Putschzeiten zumindest in Südamerika der Vergangenheit angehören sollten. Am Militärputsch in Mittelamerika gegen Honduras gewählten Präsidenten Mel Zelaya 2009 konnte die UNASUR nichts ändern und auch nichts am Verfassungsputsch ohne Militär 2012 gegen den ebenfalls gewählten Präsidenten Fernando Lugo in Paraguay. Immerhin wurde Paraguay aus der UNASUR ausgeschlossen, bis Neuwahlen einer neuen Regierung wieder einen demokratischen Anstrich gaben.

Die neueste Herausforderung für die UNASUR hat es in sich: die Lage in Venezuela zu beruhigen. Der Ansatz ist richtig: Sowohl die Regierung Maduro als auch die Opposition werden mit Nachdruck aufgefordert, in einen konstruktiven Dialog zu treten, den die UNASUR mit einer Delegation begleiten wird. Die UNASUR hat politisches Gewicht. Maduro nahm das Vermittlungsangebot bereits an. Nun muss die Opposition folgen.

** Aus: neues deutschland, Freitag, 14. März 2014 (Kommentar)


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