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Caracas ist nicht Kiew

Venezuela: Putschversuch vorerst gescheitert. Lateinamerikas Regierungen solidarisch mit Präsident Maduro

Von Modaira Rubio, Barinas, und Volker Hermsdorf, Havanna *

Nach den schweren Ausschreitungen am Rande einer Oppositionsdemonstration am Mittwoch (Ortszeit) in Caracas hat sich die Lage in Venezuela weitgehend beruhigt. Lediglich in dem an Kolumbien grenzenden Bundesstaat Táchira kam es noch zu Auseinandersetzungen. Die dortigen Demonstrationen seien von rechten Paramilitärs aus dem Nachbarland unterwandert worden, warnte Gouverneur José Gregorio Vielma Mora. In einer über alle Rundfunk- und Fernsehsender des Landes ausgestrahlten Ansprache erklärte Präsident Nicolás Maduro am Donnerstag den von Teilen des rechten Lagers betriebenen Putschversuch für gescheitert: »Venezuela ist nicht die Ukraine!«

In seiner Ansprache räumte der Staatschef mit Falschmeldungen auf, die von den Fernsehsendern CNN und NTN24 sowie der Nachrichtenagentur AFP verbreitet worden waren. So hätten diese mit manipulierten Aufnahmen die Regierung für den Tod eines oppositionellen Studenten verantwortlich gemacht. Tatsächlich sei dieser jedoch aus derselben Waffe erschossen worden, die auch auf den zuvor ermordeten linken Aktivisten Juan Montoya abgefeuert worden war. Den Mörder habe also nicht interessiert, welchem politischen Lager seine Opfer angehörten, so Maduro. Das erinnere an den 11. April 2002, als Heckenschützen im Zentrum von Caracas auf oppositionelle Demonstranten und auf Regierungsanhänger geschossen hatten. Dieses Massaker hatte den reaktionären Militärs als willkommener Vorwand für ihren Putsch gegen den damaligen Präsidenten Hugo Chávez gedient.

Doch die Lage in Venezuela ist heute eine andere als 2002. Es gibt keine Anzeichen dafür, daß in der Armee zum Putsch bereite Kräfte in relevanter Stärke vorhanden wären. Zudem gelingt es den Führern der rechten Opposition immer weniger, ihre eigenen Anhänger zu mobilisieren. Leopoldo López, der inzwischen mit Haftbefehl gesucht wird, und María Corina Machado hatten die Oppositionellen vergeblichen aufgerufen, »die Straßen bis zum Sturz Maduros nicht mehr zu verlassen«. Auch ein Aufruf zum »Cacerolazo«, bei dem die Regierungsgegner durch lautes Trommeln auf Kochtöpfen ihren Protest kundtun, wurde am Donnerstag nur in wenigen Stadtvierteln befolgt. Aus viel mehr Wohnungen war die im Radio und Fernsehen übertragene Rede Maduros zu hören.

Dagegen will die linke Bewegung am heutigen Samstag ihre Stärke demonstrieren. Maduro rief die Unterstützer der Bolivarischen Revolution auf, mit einer »roten Flut« gegen die Gewalt und für den Frieden zu demonstrieren. Der Präsident bedankte sich auch für die internationale Solidarität mit seiner Regierung. Neben anderen hatten sich auch die Staatsführungen von Ecuador, Argentinien, Bolivien und Nicaragua mit offiziellen Erklärungen zu Wort gemeldet und ihre Unterstützung für die verfassungsmäßige Regierung Venezuelas bekräftigt. Das kubanische Außenministerium verurteilte die Gewaltakte als einen »von faschistischen Gruppen organisierten Putschversuch«.

Auch auf den Straßen von Havanna waren am Donnerstag besorgte Äußerungen über die Krawalle im befreundeten Venezuela zu hören. Vor dem Kino Yara im Stadtteil Vedado diskutierte eine Gruppe Jugendlicher aus Ecuador, Kuba und Venezuela, die gemeinsam zu der am Donnerstag eröffneten Internationalen Buchmesse wollten. Eine 22jährige Studentin aus Caracas berichtete, daß ihre Brüder zu Hause von rechten Gewalttätern bedroht worden seien. Ihr Begleiter in einem roten T-Shirt mit den stilisierten Augen des Comandante Hugo Chávez legte seinen Arm um ihre Schulter und beruhigte sie: »¡No Pasarán!« – Sie werden nicht durchkommen. Ihre Begleiter stimmten zu: »¡Jamás!« – Niemals!

* Aus: junge Welt, Samstag, 15. Februar 2014


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