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Venezuela kämpft mit niedrigem Ölpreis

Sinkende Einnahmen aus dem Rohstoffgeschäft führen zu neuen Protesten gegen Präsident Nicolás Maduro

Von Harald Neuber *

Der fallende Erdölpreis spitzt die Wirtschaftsprobleme in Venezuela zu. Die Regierung spricht von Sabotage durch Großvertriebe.

Der Ölpreisverfall hat nicht nur in Russland, sondern auch in Venezuela die wirtschaftlichen Probleme weiter verstärkt. Das südamerikanische Land ist nach wie vor in hohem Maße vom Verkauf des Rohstoffs abhängig. Nun drohen sich die schwindenden Einnahmen aus dem Erdölgeschäft direkt auf die Versorgungslage auszuwirken. Vertreter der Opposition und regierungskritische Privatmedien sprechen von einer drohenden Staatspleite und prangern täglich den Warenmangel an. Die Regierung weist diese Darstellung zurück: Das Warenangebot werde vielmehr durch künstliche Verknappung und Schmuggel verschlechtert.

Im Verlauf der vergangenen 18 Monate ist der Preis für venezolanisches Erdöl um über die Hälfte eingebrochen. Konnte die Regierung in Caracas einst mit 100 US-Dollar pro Barrel (159 Liter) rechnen, kostete ein Barrel zuletzt noch 38 US-Dollar. Zugleich erzielt die Regierung von Präsident Nicolás Maduro weiter mehr als 90 Prozent seiner Deviseneinnahmen aus dem Erdölverkauf. Das Land ist in eine tiefe Rezession gerutscht, die Inflationsrate betrug 2014 rund 64 Prozent. Die Ratingagentur Moody’s stufte die Kreditwürdigkeit Venezuelas unter dem Eindruck der Devisenkrise auf »Caa3« herab, was eine drohende Staatspleite vermuten lässt.

Diese Entwicklung wirkt sich direkt auf die innenpolitische Lage aus. Oppositionelle Parteien haben neue Proteste zum Sturz der Regierung Maduro angekündigt. Der Unternehmerverband Fedecámaras warnte davor, dass dem Land binnen 45 Tagen die Grundnahrungsmittel ausgehen könnten. Verbandschef Jorge Roig trat damit direkt Regierungsangaben entgegen, nach denen Mais, Milch und andere Produkte des Grundbedarfs für mindestens vier Monate vorrätig sind.

Nun besteht auch Unklarheit darüber, wie dick das Devisenpolster des Staates noch ist. Durch die festen Wechselkurse zwischen dem venezolanischem Bolívar und dem US-Dollar muss der Staat über entsprechende Ressourcen verfügen, um einen Kollaps des Systems zu verhindern. Fedecámaras gibt an, dass die Höhe der vorhandenen Tauschsumme in den vergangenen Monaten eingebrochen ist.

Nach Meinung der Regierung sind solche Darstellungen nichts als Panikmache. Trotz unbestreitbarer Probleme seien die Versorgungsengpässe maßgeblich auf eine künstliche Verknappung des Warenangebots zurückzuführen, heißt es von dieser Seite. Bei Razzien in Lagerhallen des Großvertriebsunternehmens Herrera C.A. in mehreren Städten fanden die Behörden tatsächlich tonnenweise Produkte, die in den Supermarktregalen fehlen. Der Fall ist brisant, weil Herrera C.A. über Kontakte zur rechtspopulistischen Partei Voluntad Popular verfügt. Als weiterer Grund für Versorgungsprobleme gibt die Regierung den ausufernden Schmuggel ins Nachbarland Kolumbien an. Bis zu 40 Prozent staatlich subventionierter Produkte würden über die Grenze verschwinden, bei Benzin und Diesel seien es 15 Prozent. Zuletzt wurden in diesem Zusammenhang Ermittlungsverfahren gegen 2600 Personen eingeleitet.

Mit einer ausgedehnten Reise durch Mitgliedsstaaten der Organisation Erdöl exportierender Staaten (OPEC) und weitere Länder hat Präsident Maduro gerade versucht, dem Verfall des Erdölpreises entgegenzuwirken. Zugleich erhob er schwere Vorwürfe gegen die USA. Sie versuchten die OPEC-Staaten durch die Ausweitung der Fracking-Methode in die Knie zu zwingen.

Allerdings waren die Ergebnisse der Reise überschaubar. In Saudi-Arabien vereinbarte er, »alle vier Monate Treffen einer hochrangigen Arbeitskommission wieder aufzunehmen, um die Entwicklung auf dem Erdölmarkt zu diskutieren«. So ist Maduro vor allem mit weiteren Kreditzusagen nach Hause zurückgekehrt. Und mit der Zusage Russlands, noch stärker in die Erdölförderung in dem südamerikanischen Land einzusteigen. Bis auf weiteres wird das Land also wohl von seiner Hauptressource abhängig bleiben.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 20. Januar 2015


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