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Panamas Pleite

Überraschung in Washington: Organisation der Amerikanischen Staaten solidarisiert sich mit Venezuelas Regierung

Von André Scheer *

Mit 29 gegen drei Stimmen hat die Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS) am Freitag (Ortszeit) eine Resolution verabschiedet, in der sie ihre Solidarität mit dem Volk und der Regierung Venezuelas erklärt und auf das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der Länder dringt. Gegen das Dokument votierten lediglich die USA, Kanada und Panama, die ein solches Ergebnis wohl kaum erwartet hatten. Gerade die Regierung Panamas war es gewesen, die die OAS eingeschaltet und eigentlich eine Sondersitzung der Außenminister aller Mitgliedsstaaten gefordert hatte. Man erwarte eine »energische Resolution«, hatte Panamas OAS-Botschafter Arturo Vallarino im Vorfeld der venezolanischen Tageszeitung Últimas Noticias erklärt. Und gegenüber dem Konkurrenzblatt El Nacional verlangte er: »Die OAS muß Aktionen zu Venezuela unternehmen.«

Doch der Vorstoß Panamas scheiterte auf ganzer Linie. Eine Einberufung der Außenminister wurde nach einer fünfstündigen Sitzung hinter verschlossenen Türen wegen »fehlenden Konsenses« darüber verworfen, wie die Organisation am Donnerstag mitteilte. Die dann am Freitag verabschiedete Erklärung enthält weder die Entsendung einer von den USA geforderten OAS-Beobachtungsmission nach Venezuela, noch fordert sie die Freilassung inhaftierter »Demonstranten«, die im Zuge der gewaltsamen Auseinandersetzungen festgenommen wurden. Statt dessen spricht sie der venezolanischen Regierung »Anerkennung, volle Unterstützung und Ermutigung« für den initiierten Dialogprozeß aus. Gefordert werden die Respektierung der Menschenrechte, »einschließlich des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit, Bewegungsfreiheit, Gesundheitsversorgung und Bildung«. Damit verurteilt die OAS nicht nur Übergriffe von Sicherheitskräften auf Demonstrationen, sondern auch die Straßenblockaden der Opposition, durch die mancherorts etwa Erkrankte nicht ins Krankenhaus gebracht werden können.

Die Wut in Panama-Stadt und Washington war so groß, daß beide Regierungen Kommentare zu der Resolution abgaben, die in der offiziellen Pressemitteilung der OAS als Fußnoten veröffentlicht wurden. Die Erklärung könne »als Parteinahme für die Regierung« verstanden werden, meldete Panama »Vorbehalte« an, und Washington kritisierte: »Die OAS kann keinen Dialog billigen, in dem ein Großteil der Opposition weder Stimme noch Einfluß hat.« Wobei es die Führer des Oppositionsbündnisses MUD waren, die die Einladung der venezolanischen Regierung ausgeschlagen hatten, während etwa der Unternehmerverband Fedecámaras, einzelne oppositionelle Abgeordnete oder auch Kirchenvertreter an den Treffen teilnehmen.

Venezuelas Präsident Nicolás Maduro erneuerte am Sonnabend noch einmal die Einladung an die MUD. Bei einer Veranstaltung zum internationalen Frauentag feierte er den Erfolg seines Landes: »Die Zeit der Herrschaft der Oligarchie über unser Volk ist vorbei.« Panamas Präsident Ricardo Martinelli habe feststellen müssen: »Wer sich mit Venezuela anlegt, sitzt auf dem trockenen. Wer sich mit dem Volk von Hugo Chávez anlegt, muß das teuer bezahlen.« Maduro hatte am vergangenen Mittwoch die diplomatischen Beziehungen mit Panama abgebrochen und dessen Diplomaten als »unerwünschte Personen« des Landes verwiesen. Vertreter der oppositionellen Studenten lud er hingegen für Mittwoch zu einem Treffen im Präsidentenpalast Miraflores ein. Er werde sie »herzlich« empfangen, »denn sie sind jung und die Zukunft des Landes«, erklärte der Staatschef. Zugleich betonte er jedoch, keine Vorbedingungen für Gespräche zu akzeptieren.

Ebenfalls am Mittwoch werden in Santiago de Chile die Außenminister der Mitgliedsstaaten der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) zusammenkommen. Diese Sondersitzung zur Lage in Venezuela hatte Caracas selbst beantragt, um die Nachbarn über die »faschistischen Angriffe« informieren zu können, erklärte der venezolanische Außenminister Elías Jaua. Surinams Präsident Desiré Bouterse, der momentan den Vorsitz der ­UNASUR innehat, nahm am vergangenen Mittwoch in Caracas an den Gedenkfeierlichkeiten für den vor einem Jahr verstorbenen Präsidenten Hugo Chávez teil und traf auch mit Maduro zusammen, der ihn um die Einberufung der Tagung bat.

* Aus: junge welt, Montag, 10. März 2014


Aufruf zum Frieden

Auf einer von Panama beantragten Sondersitzung des Ständigen Ausschusses der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Washington zu den Vorgängen in Venezuela votierten die Teilnehmerstaaten am Freitag gegen drei Stimmen (Panama, USA, Kanada) für eine Resolution, in der die Solidarität mit dem südamerikanischen Land und dessen Souveränität bekräftigt wird:

In Hinblick auf die jüngsten Vorkommnisse in der Bolivarischen Republik Venezuela erklärt der Ständige Rat:
  • Sein Beileid und seine Solidarität mit den Opfern und deren Familienangehörigen, mit dem Volk und der Regierung der Bolivarischen Republik Venezuela und spricht sich dafür aus, daß die Untersuchungen einen schnellen und gerechten Abschluß finden.
  • Seinen Respekt für das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der Staaten und seine Verpflichtung zur Verteidigung der demokratischen Institutionalität und des Rechtsstaats entsprechend der Charta der OAS und des Völkerrechts.
  • Seine energischste Zurückweisung jeder Form von Gewalt und Intoleranz und richtet an alle Schichten einen , zur Ruhe, zur Respektierung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, einschließlich des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit, Bewegungsfreiheit, Gesundheitsversorgung und Bildung.
  • Die Anerkennung, volle Unterstützung und Ermutigung für die Initiativen und Anstrengungen der demokratisch gewählten Regierung Venezuelas und aller politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Schichten, damit es im nationalen Dialogprozeß zu weiteren Fortschritten hin zu einer politischen und gesellschaftlichen Versöhnung im Rahmen der vollen Respektierung der verfassungsmäßigen Garantien für alle und durch alle demokratischen Akteure kommt.
  • Sein Interesse, über die Situation und den eingerichteten Dialog in Venezuela informiert zu bleiben.
Fußnoten:

2. 1. Die Republik Panama erklärt ihre Vorbehalte gegenüber der vorliegenden Erklärung

I. Sie ist nicht einverstanden mit der Einbeziehung des Wortes Solidarität in die Überschrift der Erklärung, da es darum geht, den Dialog, den Frieden und die Demokratie zu unterstützen.

II. Ebenso ist sie der Meinung, daß die Unterstützung und Ermutigung für die Initiativen und Anstrengungen der demokratisch gewählten Regierung Venezuelas als eine Parteinahme für die Regierung gegenüber den anderen gesellschaftlichen Akteuren interpretiert werden kann. (…)

III. Mit Bezug auf den letzten Absatz meint die Republik Panama, daß die OAS eine dynamischere Haltung einnehmen und die Situation und den nationalen Dialog in Venezuela verfolgen, aber nicht nur ihr Interesse, über den bereits eingerichteten Dialog informiert zu bleiben, erklären sollte.

2. Die Vereinigten Staaten unterstützen den Aufruf zu einer friedlichen Lösung der Situation in Venezuela auf der Grundlage eines tatsächlich einbeziehenden Dialogs. Aber die Vereinigten Staaten können diese Erklärung nicht unterstützen, da sie nicht in angemessener Weise die Verpflichtung der Organisation widerspiegelt, die Demokratie und die Menschenrechte in der Hemisphäre zu fördern. (…)

Quelle: OAS/Übersetzung: RedGlobe



* Aus: junge welt, Montag, 10. März 2014


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