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Kapitalflucht bekämpfen

Venezuela will auf Auslandskonten gehortete Vermögen zurückholen. Sondervollmachten für Präsident Maduro beschlossen

Von André Scheer *

Die jüngsten Sanktionen der USA gegen Venezuela haben in dem südamerikanischen Land die Diskussion um die anhaltende Kapitalflucht neu belebt. Washington hatte angekündigt, mehreren Beamten der Regierung in Caracas den Zugriff auf deren Konten in den USA sperren zu wollen. Auch wenn die namentlich bekannten Betroffenen versichert haben, überhaupt kein Vermögen in Nordamerika zu haben, hat das Obama-Dekret die öffentliche Aufmerksamkeit auf die von vielen Venezolanern unterhaltenen Auslandskonten gerichtet.

Das von Präsident Nicolás Maduro geführte Kabinett hatte die meist in Dollar geführten Bankguthaben in den USA oder in den Staaten der Karibik bislang toleriert. Unter anderem nutzten Unternehmen im Import- und Exportbereich diese, um die komplizierten Verfahren der Zuteilung ausländischer Devisen durch die venezolanischen Behörden im Zuge der Währungskontrolle umgehen zu können. Zugleich dienen die Konten aber auch der Geldwäsche. Der Chef der christdemokratischen Oppositionspartei Copei, Roberto Enríquez, nannte am Sonntag die Zahl von 450 Milliarden US-Dollar, die bei ausländischen Banken gehortet würden. Die Regierung müsse davon 350 Milliarden nach Venezuela zurückholen, denn diese stammten aus Quellen, deren Rechtmäßigkeit nicht nachgewiesen sei. Die angegebene Höhe dieser Summe kann man getrost in das Reich der Propaganda verweisen, denn Enríquez berief sich auf Funktionäre des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank – doch mit diesen hat Venezuela schon vor Jahren die Zusammenarbeit abgebrochen. Der IWF setzt deshalb inzwischen ganz offen auf einen »Regime Change«, um in dem südamerikanischen Land wieder ins Spiel zu kommen.

Aber auch von Regierungsseite wird in Caracas nicht bestritten, dass Regierungsbeamte Gelder auf ausländische Konten verschoben haben. Parlamentspräsident Diosdado Cabello forderte in der vergangenen Woche bei einer Versammlung seiner Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV), »kein in ein öffentliches Amt gewählter Revolutionär« dürfe Guthaben in den Vereinigten Staaten besitzen. Zugleich forderte er von US-Präsident Barack Obama, offenzulegen, welche Venezolaner dort über Konten verfügen. Cabello fragte, ob auf dieser Liste auch Eligio Cedeño stehe. Der frühere Bankmanager war 2007 in Venezuela wegen der Unterschlagung von 27 Millionen Dollar verhaftet worden. Nachdem er zwei Jahre später unter Auflagen entlassen worden war, setzte er sich in die USA ab, wo er bis heute unbehelligt lebt.

Per Gesetz will die venezolanische Regierung nun Zugriff auf die ins Ausland verschobenen Dollars bekommen. »Jeder Funktionär des Staates, der über Vermögen in den Vereinigten Staat verfügt, sollte den Mut haben, sich dafür zu rechtfertigen, sonst begeht er ein Verbrechen mit dem Geld des Volkes«, erklärte Cabello.

Als Grundlage der juristischen Offensive gegen die Kapitalflucht, deren Details bislang nicht offengelegt wurden, sollen die am Sonntag von der Nationalversammlung verabschiedeten und am Montag in Kraft getretenen Sonderbefugnisse für Präsident Nicolás Maduro dienen. Dieser kann bis Jahresende mit außerordentlichen Vollmachten regieren und Gesetze erlassen, um, wie es in dem Beschluss heißt, die Souveränität des Landes gegen äußere Bedrohungen zu verteidigen.

Eine Premiere sind solche Sondervollmachten nicht. Allein Hugo Chávez stützte sich zwischen 1999 und 2012 viermal auf Ausnahmegesetze, und auch Maduro bekam ab Ende 2013 für mehrere Monate zusätzliche Befugnisse. Vor allem dienen die »Leyes Habilitantes« dazu, die wenig effizienten bürokratischen Verfahren im Parlament abzukürzen. Sogar als das Regierungslager ab 2005 wegen eines Wahlboykotts der Opposition in der Legislative jahrelang über eine fast hundertprozentige Mehrheit verfügte, brauchten die Abgeordneten oft Monate oder sogar Jahre, bis Gesetze endgültig verabschiedet wurden. Befürchtungen der Regierungsgegner, der Präsident wolle mit Hilfe seiner Vollmachten die Ende des Jahres anstehenden Parlamentswahlen absagen, wies Maduro dagegen entschieden zurück. Die Wahlen würden stattfinden, »ob ich dann noch lebe oder nicht, ob es regnet, blitzt oder donnert, ob es dem Imperium gefällt oder nicht«.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 18. März 2015


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