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Ein Neuanfang mit Obama?

Auch künftig wird sich das Verhältnis USA–Venezuela wohl nicht ändern

Von Eva Golinger *

Vergessen wir angesichts der Begeisterung für den neuen USA-Präsidenten für einen Moment alles, was während der zwei Amtszeiten seines Vorgängers George W. Bush über Venezuela gesagt wurde. Vergessen wir auch die Äußerungen Barack Obamas und seiner Außenministerin Hillary Clinton während der Wahlkampagne. Schauen wir nur darauf, was Obama und einige seiner Regierungsmitglieder erklärt haben, seit er in das mächtigste politische Amt der Welt gewählt wurde.

Tatsächlich hat der neue USA-Präsident nicht viel Zeit vergehen lassen, um seine Äußerungen aus dem Wahlkampf zu bekräftigen. Auf eine Frage zu Lateinamerika sagte Obama am 13. Januar in einem Interview mit dem spanischsprachigen US-Fernsehsender Univisión: »Chávez repräsentiert die Kraft, die dem Fortschritt in der Region entgegensteht.« Später fügt er an, dass »man nur entschlossen sein kann, wenn man die Nachrichten sieht, nach denen Venezuela terroristische Aktivitäten im Ausland unterstützt oder verschlagenen Banden wie der (kolumbianischen Guerillaorganisation) FARC hilft. Das schafft Probleme, die wir nicht akzeptieren können. Das entspricht nicht dem guten internationalen Verhalten, das wir von jedem in der Region erwarten sollten.«

Solche Töne erinnern, wie Präsident Chávez daraufhin anmerkte, an Erklärungen aus dem Bush-Lager. Denn Obama griff die beiden Meinungsmuster auf, die von allen möglichen Stellen aus Washington in den vergangenen vier Jahren verbreitet wurden: Chávez sei eine destabilisierende Kraft in der Region, hieß es da, und Venezuela unterstütze den Terrorismus.

Nach Obamas Erklärungen meldete sich die neue Außenministerin Hillary Clinton zu Wort. In der Senatsanhörung zur Amtseinführung sagte sie, dass »wir ein Problem in unserer eigenen Region mit Potentaten wie Hugo Chávez haben. (…) Wir sollten uns weniger darum kümmern, was Hugo Chávez sagt, und mehr darum, was wir am Ende des Tages machen.« Das erinnerte an ihre Vorgängerin Condoleezza Rice, die im Januar 2005, kurz nach Amtsantritt, ebenso vor den Senat getreten war. Sie sagte: »Hugo Chávez ist eine negative Kraft in der Region.«

Dieser inzwischen berüchtigte Satz von Rice markierte den Beginn einer aggressiven, bedrohlichen und kriegerischen Politik gegen Venezuela, die nun offenbar wieder aufgelegt wird. Der Umstand, dass sich zwei Außenministerinnen in Folge in ihren Antrittsanhörungen auf Venezuela und Präsident Chávez als »negative Kraft« und »Problem« bezogen haben, lässt mit Blick auf die US-Außenpolitik nichts Gutes für das Ende des Tages erwarten. Venezuela ist seit 2005 – und daran wird sich vorerst nichts ändern – eine Priorität in der Sicherheits-, Verteidigungs- und Geheimdienstpolitik der USA. So war es in einem Bericht des Außenministeriums vom Juli 2008 zu lesen, in dem die drei vorrangigen globalen Herausforderungen für die USA definiert wurden: die Unterstützung Irans für den Widerstand in Irak, die zunehmende Präsenz der Al Qaida in Afghanistan und die »Verbindung« Venezuelas »mit Terrorstaaten«.

Aber damit nicht genug. In seiner Antrittsrede erklärte der neue Präsident der USA: »Mit jedem Tag wird es deutlicher: Unser Energieverbrauch stärkt unsere Gegner.« Zugegeben, er hat an dieser Stelle nicht Venezuela genannt, aber es gibt wohl keinen Zweifel, dass mit diesem Kommentar das südamerikanische Land mit den größten Erdölreserven gemeint war. Später in seiner Rede sagte er: »Denen, die sich mit Korruption, Betrug und der Unterdrückung abweichender Meinungen an die Macht klammern, sage ich: Wisst, dass ihr auf der falschen Seite der Geschichte steht, aber dass wir eine Hand reichen, wenn ihr bereit seid, eure Faust zu öffnen.« Diese Nachricht richtete sich nicht unbedingt an Venezuela. Im Zusammenhang mit den übrigen Äußerungen ist das aber nicht ausgeschlossen.

Und dann gibt es da noch James Steinberg, den neuen zweiten Mann im Außenministerium der USA. Er war zuletzt Rektor der »School for Public Policy Lyndon B. Johnson« der Universität von Austin (Texas), Analytiker der RAND-Corporation, die für das Pentagon Strategien entwirft, stellvertretender Sicherheitsberater des Weißen Hauses (1997-2001) und Forscher am Brookings-Institut, einem von drei Thinktanks, die hinter der imperialistischen Politik Washingtons stehen. Auch Steinberg hat Venezuela während seiner Antrittsanhörung vor dem Senat am 22. Januar scharf kritisiert. In Antwort auf eine Frage zu Lateinamerika sagte Steinberg: »Wir haben Chávez zu lange das Spielfeld überlassen, zumal seine Aktionen und Pläne für die Region nicht den Interessen der Bürger seines Landes noch denen der Menschen in ganz Lateinamerika dienen.«

Die Zitate belegen, was wir in Venezuela stets sagten: Ein Imperium bleibt ein Imperium, welcher politischen Farbe es auch folgt.

* Eva Golinger ist eine venezolanisch-US-amerikanische Rechtsanwältin, spezialisiert auf internationale Menschenrechte, und Publizistin. Ihr Beitrag wurde übersetzt von Harald Neuber.

Aus: Neues Deutschland, 14. Februar 2009



Chronik

1998 – 8. November: Bei den Wahlen zum Zweikammernparlament gewinnt die Bewegung Fünfte Republik (MVR) des Exmilitärs Hugo Chávez 12 von 48 Senatssitzen. Die sozialdemokratische Demokratische Aktion (AD) bekommt 19, die Christdemokratie sieben Sitze. Von 207 Mandaten der Abgeordnetenkammer erobert Chávez' Partei 42.

1998 – 6. Dezember: Chávez gewinnt die Präsidentenwahl mit 56,2 Prozent.

1999 – 25. April: Knapp 88 Prozent der Wahlteilnehmer sprechen sich für die »Transformation des Staates« durch eine verfassunggebende Versammlung aus. Das Gremium übernimmt vorübergehend die Staatsgewalt, um einen Konflikt mit der alten Legislative zu vermeiden.

1999 – 15. Dezember: Mit knapp 72 Prozent wird die neue Verfassung angenommen.

2000 – 30. Juli: Präsident und Parlament werden auf Basis der reformierten Staatsordnung neu gewählt. Venezuela heißt jetzt »bolivarische Republik«. Für Chávez sprechen sich 59,5 Prozent aus. Der rechte Gegenkandidat Francisco Arias kommt auf 37,5 Prozent. Der Senat wird abgeschafft, die neue Nationalversammlung hat 165 Sitze. Die regierende MVR hält darin 91 Mandate.

2004 – 15. August: Die Opposition organisiert gut zwei Jahre nach einem gescheiterten Staatsstreich ein Abberufungsreferendum gegen Chávez. 59,25 Prozent lehnen das Vorhaben ab.

2005 – 4. Dezember: Bei Wahlen zur Nationalversammlung entfallen 92 der inzwischen 167 Sitze auf Chávez' MVR.

2006 – 3. Dezember: Hugo Chávez wird mit 62,24 Prozent im Präsidentenamt bestätigt.

2007 – 2. Dezember: Die Chávez-Regierung verliert zum ersten Mal seit Amtsantritt eine Abstimmung. Mit knapper Mehrheit wird eine umfassende Reform der Verfassung von 1999 abgelehnt. Zur Disposition standen 69 Artikel.

2008 – 23. November: Regional- und Kommunalwahlen. Statt der MVR tritt erstmals die neue Vereinigte Sozialistische Partei Venezuelas (PSUV) an. Die Regierung von Hugo Chávez gewinnt 18 Staaten, 5 weitere fallen an die Opposition. Im Regierungslager wird das Resultat als Sieg interpretiert. Allerdings gewinnen die Gegner der linksgerichteten Staatsführung die wirtschaftsstarken Regionen.

2009 – 15. Februar: Gut ein Jahr nach dem gescheiterten Verfassungsreferendum stellt die Regierung einen Einzelaspekt erneut zur Abstimmung. Geändert werden sollen fünf Artikel. Ziel ist, die Begrenzung der Wiederwahl aufzuheben. Die neue Regel soll sich auf politische Amtsträger aller Ebenen beziehen, vor allem geht es um Präsident Chávez.
(hneu)




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