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"Starker Wille zur Unabhängigkeit"

Hugo Chávez betont auf Tour durch den Mittleren Osten Notwendigkeit einer "multipolaren Welt"

Von Karin Leukefeld *

Vor Hugo Chávez liegen noch drei Stationen, die er während seiner elftägigen Tour durch den Mittleren Osten und Rußland absolviert. Nach Algerien, Libyen und Syrien, wo sich der venezolanische Präsident bis Freitag aufhielt, stehen noch Iran, Belarus und Rußland auf dem Programm. Begleitet von einer Regierungs- und Wirtschaftsdelegation verhandelte er in Algier über die Möglichkeit von Gaslieferungen aus Venezuela über das Mittelmeerland nach Europa. In Libyen nahm er an den Feiern zum 40. Amtsjubiläum von Revolutionsführer Ghaddafi in Tripolis teil, und traf dann am Donnerstag in Damaskus ein.

Die Rundreise diene dem Ausbau von »politischen und militärischen Beziehungen sowie einer gemeinsamen Energiepolitik« zwischen den Ländern, hatte Chávez beim Abflug in Caracas erklärt und insbesondere die strategische Zusammenarbeit mit Rußland betont. Die militärische Kooperation zwischen den beiden Staaten bilde ein Gegengewicht zur diesbezüglichen Zusammenarbeit von Kolumbien und den USA, sagte Chávez, der – wie fast alle südamerikanischen Staatschefs – die Einrichtung von Militärstützpunkten Washingtons in Kolumbien strikt ablehnt. Rußland hege, anders als die USA, »keine Hegemonialansprüche in Lateinamerika«. Im Energiebereich gehe es um die Zusammenarbeit bei Öl-, Gas- und Atomprojekten.

In Damaskus betonte Chávez nach Berichten der staatlichen Nachrichtenagentur SANA im Anschluß an ein ausführliches Gespräch mit Präsident Baschad Al-Assad den Willen seines Landes, die seit Jahren enge Zusammenarbeit mit Syrien zu einer »politisch- strategischen Allianz« auszubauen. Die Kontakte zu arabischen Staaten seien gut, einige Minister seiner Regierung seien arabischen Ursprungs. Chávez kritisierte zudem Israel für seine unfriedliche Politik im Mittleren Osten und verwies darauf, daß Tel Aviv auch an Auseinandersetzungen in Lateinamerika beteiligt sei. Die israelische Zeitung Jediot Aharonot zitiert ihn mit den Worten: »Wir müssen die Welt vom Imperialismus befreien, und sie von einer unipolaren zu einer multipolaren Welt machen.« Venezuela stehe fest an der Seite der Palästinenser und deren Recht auf einen eigenen Stadt mit Jerusalem als Hauptstadt. Israel müsse sich aus allen 1967 besetzten Gebieten zurückziehen.

Assad begrüßte die Äußerungen von Chávez und betonte, ihr Gespräch sei von Offenheit und Deutlichkeit geprägt gewesen, »ohne Heuchelei, die in der internationalen Politik heute vorherrscht«. Das, was die Völker der arabischen Region und Lateinamerikas verbinde, sei ihr »starker Wille zur Unabhängigkeit und ihre Ablehnung von altem und neuem Kolonialismus«. Jeder Araber kenne »die Position von Chávez zu den Palästinensern, dem Golan, der israelischen Aggression gegen Libanon 2006 und gegen Gaza im vergangenen Dezember.«

Als Partner in der Bewegung der Blockfreien Staaten sei die Ablehnung fremder Militärbasen im eigenen Land selbstverständlich, sagte Assad unter Verweis auf die geplanten US-Militärbasen in Kolumbien. Ebenso lehne Syrien jegliche »Abwehrschilde, Angriffe auf souveräne Staaten wie überhaupt die Militarisierung der Welt« ab. Statt dessen brauche die Menschheit eine »multipolare Welt, frei von Hegemonie und Vorherrschaft«.

* Aus: junge Welt, 5. September 2009


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