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Gruß von Chávez

XIV. Parteitag von Venezuelas Kommunisten in Caracas. PCV hält an Bündnis mit Regierung fest

Von Modaira Rubio, Caracas *

Im Zentrum der venezolanischen Hauptstadt Caracas beginnt am heutigen Donnerstag in dem großen Geschäfts- und Konferenzzentrum Parque Central der auf vier Tage angesetzte XIV. Parteitag der Kommunistischen Partei Venezuelas (PCV). Er steht unter dem Motto »Mit der Arbeiterklasse und dem arbeitenden Volk für die Übernahme der Macht«. Die Delegierten wollen vor allem die politische Lage ihres Landes im Vorfeld der im kommenden Jahr stattfindenden Präsidentschafts- und Regionalwahlen sowie die Herausbildung des »Patriotischen Pols« als Bündnis der revolutionären Kräfte Venezuelas diskutieren.

Der Kongreß wird in Venezuela und darüber hinaus mit großem Interesse verfolgt, denn die KP ist nicht nur die älteste heute noch aktive Partei des Landes, sondern auch die bei Wahlen wichtigste Verbündete der regierenden Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV). Trotzdem kam es zuletzt zu Differenzen zwischen der Führung der KP, der Regierung und dem Präsidenten Hugo Chávez. So im Fall der von den Kommunisten als illegal kritisierten Auslieferung des schwedischen Journalisten kolumbianischer Abstammung Joaquín Pérez Becerra an Bogotá. Und auch an der in Venezuela erfolgten Festnahme des FARC-Guerillakämpfers Julián Conrado im Rahmen einer gemeinsam mit dem kolumbianischen Geheimdienst durchgeführten Operation gab es Kritik.

Kurz vor Beginn des Kongresses kam deshalb am Dienstag eine hochrangige Delegation der PSUV, zu der unter anderem Venezuelas Vizepräsident Elías Jaua und Außenminister Nicolás Maduro gehörten, mit dem Generalsekretär der Kommunisten, Oscar Figuera, zusammen. Figuera erklärte anschließend, das Treffen habe in einer herzlichen Atmosphäre stattgefunden. »Wir vertrauen sehr darauf, daß diejenigen, die auf eine Entfremdung von PCV und PSUV setzen, ihr Ziel nicht erreichen werden.«

Im Fall Pérez Becerra hatte die PCV zuvor kritisiert, daß der Prozeß, der zur Übergabe des Journalisten an die fragwürdige kolumbianische Justiz geführt hatte, illegal gewesen sei, weil dabei die Genfer Konvention und Pérez’ Status als politischer Flüchtling ignoriert worden seien. Im Zusammenhang mit der Verhaftung Conrados kritisierten die Kommunisten die Zusammenarbeit zwischen dem venezolanischen und dem kolumbianischen Geheimdienst. Diese stelle eine Gefahr auch für die venezolanische Linke dar, die ebenfalls »im Visier Bogotás« stehe. Die PCV hat deshalb beantragt, dem führenden Vertreter der kolumbianischen Aufständischen politisches Asyl zu gewähren. Diese Haltung hatte den Kommunisten scharfe Kritik durch Chávez und hohe Funktionäre der PSUV eingebracht. Einige Teile dieser Partei hatten sogar öffentlich gefordert zu überprüfen, ob die PCV noch Teil der mit der Regierung verbündeten Allianz sei oder nicht.

Außenminister Nicolás Maduro kündigte am Montag an, Conrado werde der Staatsanwaltschaft überstellt. Die venezolanische Justiz müsse entscheiden, ob dieser an Kolumbien überstellt werde oder nicht. Dabei werde auch die angegriffene Gesundheit des Guerillero eine Rolle spielen, kündigte Maduro an. Der Außenminister stellte zugleich jedoch auch klar, daß er nicht zulassen werde, daß dieser Fall die guten Beziehungen zur Regierung des kolumbianischen Staatschefs Juan Manuel Santos beeinträchtige.

Ein weiterer Streitpunkt zwischen den Kommunisten und der PSUV ist das Verschleppen der Verabschiedung von zwei durch die PCV im Parlament eingebrachten Anträgen, dem Arbeitsorgangesetz und dem Sondergesetz über die Sozialistischen Arbeiterinnen- und Arbeiterräte. In der vergangenen Legislaturperiode, in der die den Präsidenten Chávez unterstützenden Kräfte eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament hatten, war die Diskussion und Verabschiedung dieser Gesetze immer wieder verzögert worden. Die PCV hatte daraufhin den fehlenden politischen Willen der PSUV kritisiert. Obwohl die linken Kräften gegenwärtig in der Nationalversammlung nur noch eine einfache Mehrheit haben, kämpft die PCV weiterhin gemeinsam mit dem Gewerkschaftsbund UNETE und anderen Teilen der venezolanischen Arbeiterbewegung für die Verabschiedung der beiden Gesetze.

Vor dem Hintergrund solcher Konflikte halten die Kommunisten die Bildung einer »Breiten Nationalen Patriotischen Front« für notwendig, die zur kollektiven Führung des revolutionären Prozesses werden und weit über ein einfaches Wahlbündnis hinausreichen müsse. Ziel sollte sein, »die Bedingungen dafür zu schaffen, den gegenwärtigen Veränderungsprozeß zu vertiefen, um den bürgerlichen Staatsapparat abzubauen und schrittweise das kapitalistische System zu überwinden«. Bislang hätte die Praxis gezeigt, so heißt es im Entwurf des neuen Parteiprogramms weiter, daß die bisher gemachten Fortschritte nicht ausreichten, um diese Ziele zu verwirklichen.

Zum Auftakt der Beratungen des Parteitages will sich Venezuelas Präsident Hugo Chávez am heutigen Donnerstag mit einer über Satellit übertragenen Grußbotschaft an die Delegierten wenden. 31 Abordnungen von kommunistischen und Arbeiterparteien aus Asien, Afrika, Europa, Lateinamerika und Ozeanien haben ihre Teilnahme an dem Kongreß angekündigt, weitere 23 übermittelten Grußbotschaften.

* Aus: junge Welt, 4. August 2011


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