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Spannungen in Kolumbien-Krise

Venezuelas Staatschef warnt vor Konsequenzen bei Militäraktion Bogotás

Von Harald Neuber *

Nach dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen Venezuelas mit dem Nachbarstaat Kolumbien bleibt die Lage angespannt.

Unter Berufung auf Geheimdienstinformationen schloss Venezuelas Präsident Hugo Chávez die Gefahr einer militärischen Aktion der Nachbararmee nicht aus. Die scheidende Regierung des rechtsgerichteten kolumbianischen Präsidenten Alvaro Uribe wirft Venezuela vor, bis zu 1500 Rebellen der Guerillaorganisationen FARC und ELN auf dem eigenen Territorium zu beherbergen. Venezuela bezeichnet die am Donnerstag vergangener Woche vor der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) vorgelegten Bilddokumente als unglaubwürdig.

Nach der OAS-Sitzung hatte Chávez den Abbruch der Beziehungen bekannt gegeben und die Truppen entlang der gut 2200 Kilometer langen Grenze in Alarmbereitschaft versetzt. Venezolanische Medien verwiesen auf die Vorgeschichte: In der Nacht zum 1. März 2008 hatten kolumbianische Streitkräfte im Kampf gegen die linksgerichteten Rebellen ecuadorianisches Gebiet bombardiert.

Angesichts der weiterhin angespannten Lage sagte Chávez eine geplante Reise nach Kuba ab, wo er am Montag zu den Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag erwartet wurde.

»Die Wahrscheinlichkeit einer militärischen Aggression gegen Venezuela aus Kolumbien ist so hoch wie nie zuvor seit vielleicht hundert Jahren«, sagte Chávez nach Angaben der venezolanischen Nachrichtenagentur ABN auf einer Veranstaltung der regierenden Vereinten Sozialistischen Partei. Sollte es zu einer Attacke kommen, kündigte er zugleich weitreichende Konsequenzen an.

Nach Berichten der kubanischen Nachrichtenagentur Prensa Latina will der 55-jährige Präsident in diesem Fall die Erdöllieferungen in die USA stoppen. Venezuela wirft Washington vor, die aggressive Linie Bogotás aktiv zu unterstützen.

Auch werde man gegen »Gruppen der internen Opposition vorgehen, von denen die Kriegspläne unterstützt werden«. Nach Meinung der Regierung in Caracas halten mehrere oppositionelle Gouverneure Kontakt zu rechtsgerichteten Militärs und paramilitärischen Gruppierungen in Kolumbien, so Prensa Latina. In Buenos Aires kam der frühere argentinische Präsident und amtierende Generalsekretär der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR), Néstor Kirchner, indes mit dem künftigen kolumbianischen Staatschef Manuel Santos zusammen. Die UNASUR will in dem Konflikt schlichtend eingreifen, nachdem die USA-nahe OAS Kolumbien unterstützt hatte. Im Verlaufe dieser Woche werden dazu die UNASUR-Außenminister in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito zusammenkommen.

* Aus: Neues Deutschland, 27. Juli 2010


Kuba solidarisch mit Venezuela **

Rund 90000 Menschen haben am Montag (26. Juli) auf der Plaza Che Guevara in Santa Clara an den 57. Jahrestag des Sturms auf die Moncada-Kaserne durch die von Fidel Castro geführten Rebellen erinnert. Der Erste Vizepräsident Kubas, José Ramón Machado, forderte als Hauptredner »alles (zu) verändern, was verändert werden muß«, allerdings, »ohne ausländischen Druck oder eine Geringschätzung unserer Souveränität zu akzeptieren und ohne einen einzigen unserer Träume von Gerechtigkeit für Kuba und die ganze Welt aufzugeben«. Man fürchte die vor dem Land liegenden Schwierigkeiten nicht und vertraue »auf die unbesiegbare Kraft unseres Volkes.« Der Stellvertreter des kubanischen Präsidenten Raúl Castro, der an der Kundgebung teilnahm, ohne selbst das Wort zu ergreifen, forderte, der Lebensmittelproduktion oberste Priorität einzuräumen, da von ihr »die Nachhaltigkeit unseres gesellschaftlichen Systems« abhänge. Dazu gehöre, bislang brachliegende Ackerflächen zu bewirtschaften, Ausgaben einzuschränken und die vorhandenen Ressourcen effizienter einzusetzen: »Im Bildungswesen haben wir gezeigt, daß die Kosten gesenkt werden können, ohne die Qualität zu verringern, aber im Gesundheitsbereich müssen wir diesem wichtigen Ziel noch näherkommen.«

Obwohl Venezuelas Präsident Hugo Chávez seine Teilnahme an der Kundgebung kurzfristig hatte absagen müssen, stand die Veranstaltung im Zeichen der kubanischen Solidarität mit dem südamerikanischen Verbündeten. Die Regierung in Havanna hatte den diesjährigen 26. Juli dem Befreier Simón Bolívar sowie dem 200. Jahrestag des Beginns des Kampfes um die Unabhängigkeit Lateinamerikas gewidmet. Venezuelas Energieminister Alí Rodríguez Araque, der zuvor mehrere Jahre lang Botschafter seines Landes in Havanna gewesen war, wies mit Blick auf die angespannten Beziehungen zu Kolumbien darauf hin, daß es in seinem Land »nur wenige Feiglinge« gäbe und die Venezolaner Söhne und Töchter Bolívars seien: »Herren Imperialisten, wir haben keine Angst vor euch!« Hintergrund der Drohungen gegen sein Land seien die großen Rohstoffvorräte Venezuelas sowie die seit ihrem Amtsantritt 1999 von der Regierung entwickelten Integrationsbemühungen. In Venezuela sei eine neue Fackel entzündet worden, die die Ideale des Sozialismus leuchten ließe: den Kampf für den Menschen und gegen Ausbeutung.

Am 26. Juli 1953 versuchten 135 Revolutionäre unter der Führung von Fidel Castro, die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba sowie die Kaserne »Carlos Manuel de Céspedes« in Bayamo zu stürmen und damit das Signal zum Aufstand gegen die Diktatur von Fulgencio Batista zu geben, der sich 1952 an die Macht geputscht hatte. Der Angriff scheiterte, gilt heute aber als Beginn des bewaffneten Kampfs gegen die Diktatur, der am 1. Januar 1959 zum Sieg der Rebellenarmee führte.

** Aus: junge Welt, 27. Juli 2010


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