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Kollektive Führung der Revolution

Venezuela: Sorge um Gesundheit von Präsident Chávez

Von Modaira Rubio, Caracas *

Venezuelas Präsident Hugo Chávez ist am Donnerstag nach einem mehrtägigen Aufenthalt in Kuba in sein Heimatland zurückgekehrt. In Havanna hatte er sich erneut Untersuchungen unterzogen, mit denen der Heilungsprozeß nach seiner Krebserkrankung überprüft werden sollte. Chávez wollte direkt in die Ortschaft La Grita im Bundesstaat Táchira an der Grenze zu Kolumbien reisen, um in der örtlichen Kirche an einem berühmten Christusgemälde ein gegebenes Versprechen einzulösen. Sein Erdölminister Rafael Ramírez erklärte dazu nur, es gehe um eine Zeremonie »tiefen Glaubens und Vertrauens in die Zukunft«, die der Präsident gemeinsam mit der Bevölkerung feiern wolle. Gegenüber dem staatlichen Fernsehen VTV erklärte Chávez zudem, wichtige Ankündigungen machen zu wollen.

Angesichts des Fehlens von zuverlässigen Informationen über den Gesundheitszustand des Präsidenten hatte es zuvor zahlreiche Gerüchte gegeben. So berichteten einige Internetseiten der venezolanischen Opposition bereits über den angeblichen Tod des Staatschefs. In anderen Berichten hieß es, das Oberkommando der venezolanischen Streitkräfte sei zusammengekommen, um über die Konsequenzen der Erkrankung des Oberbefehlshabers zu beraten. Die Spekulationen waren durch Aussagen eines früheren Arztes des Präsidenten angeheizt worden, der gegenüber einer mexikanischen Tageszeitung behauptet hatte, Chávez leide unter einer besonders aggressiven Krebserkrankung und habe nur noch zwei Jahre zu leben. In Venezuela wurde dies als psychologische Kriegführung der Medienmonopole zurückgewiesen. Der staatliche Rundfunksender Radio Nacional de Venezuela erinnerte zudem daran, daß der zitierte Mediziner bereits seit 2002 nicht mehr dem Ärzteteam um den Präsidenten angehöre.

Während die bürgerlichen Medien des südamerikanischen Landes bereits über »mögliche Nachfolger« und »Kronprinzen« spekulieren, als ob Venezuela eine Erbmonarchie wäre, fragen sich auch Anhänger des Präsidenten, ob die Bolivarische Revolution tatsächlich darauf vorbereitet ist, der imperialistischen Bedrohung auch dann zu widerstehen, wenn der Comandante Chávez nicht an ihrer Spitze stehen würde. Dazu sei die Einheit der revolutionären Kräfte nicht nur in einem organisatorischen Zusammenschluß, sondern auch auf ideologischer und politischer Ebene notwendig, hieß es dazu aus der mit Chávez verbündeten Kommunistischen Partei Venezuelas (PCV). Der antiimperialistische, antikapitalistische und sozialistische Charakter des Prozesses, wie ihn Hugo Chávez als sein unbestrittener Anführer unterstrichen habe, dürfe nicht in Frage gestellt werden.

Angesichts der Erkrankung des Präsidenten haben die PCV und andere linke Kräfte des Landes erneut die Notwendigkeit einer kollektiven Führung der Revolution unterstrichen. Dazu könnte der sich im Aufbau befindliche »Große Patriotische Pol« (GPP) dienen, ein Zusammenschluß von derzeit mehr als 7000 Gruppen und Organisationen, der zunächst als Mobilisierungsrahmen für die Präsidentschaftswahl im kommenden Oktober dienen soll, bei der Chávez seine Bestätigung im höchsten Staatsamt anstrebt. Die Art und Weise, wie derzeit in einer landesweiten Kampagne die Registrierung von Gruppen als Unterstützer des GPP vollzogen wird, hat aber Zweifel geweckt, ob dieses Bündnis tatsächlich zu einer solchen kollektiven Führung werden kann.

Die Gründung des GPP war auf Initiative des Präsidenten von der regierenden Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV), der PCV und kleineren Parteien und Bewegungen vereinbart worden. Die Erkrankung des Staatschefs und PSUV-Vorsitzenden verzögerte die Umsetzung der Beschlüsse jedoch zunächst. Die PCV fordert nun, daß nicht einfach nur eine beeindruckende Unterstützerliste zusammengestellt wird, sondern die beteiligten Kräfte zusammenkommen, um die gemeinsame Arbeit zu planen. Auf ihrer letzten ZK-Tagung beschlossen die Kommunisten deshalb, zunächst nur ihre Vorfeldorganisationen wie die Frauenbewegung Clara Zetkin, die Gewerkschaftsströmung CCT und andere für den Patriotischen Pol einzuschreiben. Die Beteiligung der Partei und ihrer Strukturen könne jedoch nicht über eine solche Registrierung erfolgen. »Die Parteien müssen sich treffen, diskutieren und vereinbaren, wie wir zum Aufbau des GPP beitragen können. Deshalb wird sich die PCV als autonome Parteiorganisation in kein Register einschreiben«, betonte deren Generalsekretär Oscar Figuera.

* Aus: junge Welt, 21. Oktober 2011


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