Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Chávez räumt Krebserkrankung ein

Venezuelas Präsident gibt im Fernsehen Erklärung ab und zeigt sich optimistisch

Von André Scheer *

Venezuelas Präsident Hugo Chávez ist doch schwerer erkrankt, als dies die offiziellen Stellen des südamerikanischen Landes bislang zugeben wollten. Am späten Donnerstag abend (Ortszeit) trat er in Havanna vor die Fernsehkameras und räumte in einer von allen venezolanischen Rundfunk- und TV-Stationen übertragenen Ansprache ein, daß die ihn behandelnden Ärzte einen Tumor mit bösartigen Krebszellen entfernt hätten. Dieser sei entdeckt worden, nachdem die kubanischen Mediziner einen Abszeß an seiner Hüfte behandelt hätten.

Im Gegensatz zu seinen normalen Auftritten hatte der sehr ernst wirkende Präsident seine knapp eine Viertelstunde lange Ansprache in diesem Fall zuvor aufgeschrieben und las sie vom Blatt ab. Ursprünglich habe er nach Abschluß seiner erfolgreichen Lateinamerika-Rundreise, die ihn ihm Juni zunächst nach Brasilien und Ecuador geführt hatte, in Havanna lediglich seine fast auskurierte Verletzung am linken Knie untersuchen lassen wollen, die er sich Wochen zuvor zugezogen hatte. Bei einer Begegnung mit dem früheren Präsidenten Fidel Castro habe er dann jedoch über Schmerzen in der Hüfte geklagt, worauf ihn sein kubanischer Freund gedrängt habe, sich ärztlich untersuchen zu lassen. Dabei sei dann der Abszeß entdeckt worden, der sofort behandelt werden mußte. In der Folge sei er mit einer Drainage und Antibiotika behandelt worden, dann jedoch seien »andere Zellformationen« entdeckt worden. »Daraufhin begann sofort eine weitere Reihe von besonderen Untersuchungen, die die Existenz eines tumorartigen Abszesses bestätigten, in dem Krebszellen vorhanden waren, was einen weiteren chirurgischen Eingriff notwendig machte, der eine vollständige Entfernung dieses Tumors ermöglichte«, informierte Chávez.

In den Tagen zuvor hatten führende Vertreter der venezolanischen Regierung wiederholt Gerüchte über eine Krebserkrankung des Staatschefs dementiert. Parlamentspräsident Fernando Soto Rojas etwa erklärte am 26. Juni, Chávez leide nicht an Krebs, ansonsten »wäre ich der erste, der das Land darüber informieren würde«. Chávez selbst verteidigte in seiner Ansprache sein tagelanges Schweigen damit, er habe verhindern wollen, »daß ihr mir auf Pfaden folgt, die in irgendeinen Abgrund führen«. Nun aber könne er sich »im Schein der aufgehenden Sonne« an seine Landsleute wenden: »Ich glaube, daß wir es geschafft haben: Wir werden leben und wir werden siegen!« Der Eingriff sei erfolgreich verlaufen, und er erhole sich gut.

Während in mehreren Städten Anhänger der Regierung spontan auf die Straße gingen, um ihre Solidarität mit dem Präsidenten zu demonstrieren, forderten Vertreter des Kabinetts und der von ihm geführten Vereinten Sozialistischen Partei (PSUV) Respekt. »Als seine Hoffnungs- und Kampfgefährten sind wir zutiefst optimistisch, daß dieser Kampf um die vollständige Genesung erfolgreich sein wird«, erklärte Vizepräsident Elías Jaua. Die Vizechefin der Partei, Cilia Flores, ergänzte: »Wir werden auf ihn warten, solange es notwendig ist.«

Für das Oppositionsbündnis MUD sagte dessen Exekutivsekretär Ramón Guillermo Aveledo, man hoffe, daß der Präsident seine Gesundheit »und die Regierung ihren Verstand zurückgewinnt«. Die zuvor kursierenden Gerüchte über den Gesundheitszustand des Staatschefs seien durch das Fehlen von Transparenz und Informationen durch die Regierung verursacht worden. Der Herausgeber der stramm regierungsfeindlichen Tal Cuál, Teodor Petkoff, erklärte, die Genesung des Präsidenten sei »das Beste, was der Republik passieren könnte«.

* Aus: junge Welt, 2. Juli 2011


Zurück zur Venezuela-Seite

Zur Kuba-Seite

Zurück zur Homepage