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Anschläge vereitelt

Zehntausende Menschen demonstrieren in Caracas ihre Unterstützung für Venezuelas Präsident Hugo Chávez. Ausschreitungen bei Oppositionskundgebung

Von Modaira Rubio, Barinas *

Zum zweiten Mal innerhalb von 14 Tagen haben am Mittwoch Zehntausende Anhänger des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez in Caracas demonstriert. Anlaß war diesmal der 55. Jahrestag des Sturzes der letzten venezolanischen Militärdiktatur durch einen Volksaufstand am 23. Januar 1958. Von drei Treffpunkten aus zog ein unüberschaubarer Strom von Menschen durch die Straßen der Hauptstadt, um schließlich im bevölkerungsreichen Viertel »23 de Enero«, das nach dem denkwürdigen Datum benannt ist, zusammenzukommen.

Die Opposition ihrerseits verzichtete entgegen früherer Ankündigungen auf eine eigene Demonstration und erklärte am Vorabend, sie wolle so Angriffe von »chavistischen Sturmgruppen« auf ihre Anhänger verhindern. Statt dessen versammelte sie sich im Parque Miranda nahe der Mittelschichtsviertel im Osten der Hauptstadt. Dort gelang es ihr immerhin, eine Halle von der Größe eines mittleren Basketballplatzes einigermaßen zu füllen. Vor ihren Anhängern kündigten Sprecher der Opposition dann an, daß es einen gemeinsamen Kandidaten der Regierungsgegner geben werde, falls wegen des Gesundheitszustands von Präsident Hugo Chávez Neuwahlen angesetzt werden müßten. Am Rande dieser Kundgebung kam es zu Ausschreitungen, als Mitglieder der Neonazigruppe ORDEN attackiert wurden, die auf einem Plakat den 1958 gestürzten Diktator Marcos Pérez Jiménez feierten. Auch Journalisten der staatlichen Medien, die über die Veranstaltung der Regierungsgegner berichten wollten, wurden angegriffen. Dabei wurde ein Kameramann des Fernsehsenders VTV schwer verletzt.

Bei der Kundgebung der bolivarischen Bewegung im Stadtteil »23 de Enero« berichtete Innenminister Néstor Reverol, daß der venezolanische Geheimdienst Anschlagspläne der extremen Rechten Venezuelas und ihrer Helfer im Ausland aufdecken konnte. Ziel der vereitelten Attentate waren demnach Vizepräsident Nicolás Maduro und Parlamentspräsident Diosdado Cabello, um so Chaos zu provozieren. Die Behörden hätten die Sicherheitsvorkehrungen verschärft und würden »dem Terrorismus keinen Millimeter Raum« gewähren. Auch Maduro rief die Bevölkerung auf, wachsam zu sein. Zudem kündigte er an, noch am selben Abend gemeinsam mit Energieminister Rafael Ramírez erneut nach Havanna aufzubrechen, um sich dort mit Chávez über die nächsten Schritte der Regierung zu beraten und das europäisch-lateinamerikanische Gipfeltreffen in Santiago de Chile vorzubereiten. Am späten Mittwoch abend (Ortszeit) wurde er in der kubanischen Hauptstadt begrüßt.

Vor seiner Reise nach Havanna hatte sich Maduro in einem Interview mit der für den Moskauer Fernsehsender Russia Today arbeitenden Publizistin Eva Golinger erneut optimistisch zur Genesung des Präsidenten geäußerst. Chávez befinde sich »im besten Moment der postoperativen Phase«, die Behandlung sei in eine neue Etappe eingetreten, über die in den kommenden Tagen informiert werde. Nicht überrascht reagierte der Vizepräsident auf die internationale Medienkampagne, die die Legitimität der momentan von ihm geführten Regierung in Zweifel zieht. Das sei eine Reaktion auf die Revolution, »die den Kurs zum Aufbau eines neuen Sozialismus eingeschlagen hat. Der Kapitalismus hat unser Land und unsere Region ausgeblutet, ausgeplündert und zerstört, und damit ist er auf Grund gelaufen.«

Wie eine Bestätigung dafür wirkte der Rückruf der bereits ausgelieferten Exemplare der spanischen Tageszeitung El País am Donnerstag. Sie mußte schnell eine geänderte Titelseite drucken. Das Blatt hatte als Schlagzeile ein Foto veröffentlicht, auf dem ein Patient zu sehen ist, der künstlich beatmet wird. Dieses Bild zeige den venezolanischen Präsidenten und sei vor wenigen Tagen aufgenommen worden, wurde unter der Überschrift »Das Geheimnis um die Krankheit von Hugo Chávez« behauptet. Tatsächlich stammt das Bild aus einem bereits seit 2008 auf der Internetplattform Youtube kursierenden Video, auf dem eine völlig andere Person zu sehen ist. Entsprechend kritisierte Venezuelas Informationsminister Ernesto Villegas die Veröffentlichung der spanischen Zeitung als »ebenso grotesk wie falsch« und erinnerte daran, daß Caracas schon Anfang Januar vor einer Kampagne gewarnt habe, durch Falschinformationen und Gerüchte Unsicherheit zu schüren.

* Aus: junge Welt, Freitag, 25. Januar 2013


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