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Absage an Opposition

Venezuela: Diosdado Cabello als Parlamentspräsident bestätigt

Von André Scheer *

Venezuelas Regierung hat Forderungen der Opposition nach Neuwahlen erneut eine klare Absage erteilt. Auch wenn der erkrankte Staatschef Hugo Chávez nicht wie von der Verfassung vorgesehen am 10. Januar seinen Amtseid vor der Nationalversammlung ablegen könne, bleibe er im Amt, betonte Diosdado Cabello. Der Vizechef der von Chávez gegründeten Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) wurde am Sonnabend mit den Stimmen des Regierungslagers in seinem Amt als Parlamentspräsident bestätigt. Zu seinen Stellvertretern wählten die Abgeordneten Darío Vivas und Blanca Eekhout, beide ebenfalls aus der PSUV. Sie legten ihren Amtseid vor einer bunten Gruppe aus Sportlern, Indígenas, Jugendlichen, Basisaktivisten und anderen Vertretern der »Volksmacht« ab. »Ihr könnt euch sicher sein, daß wir niemals den Willen des Volkes und die Anweisungen von Präsident Chávez verraten werden«, schwor Cabello.

Nach seiner Wahl kündigte der Parlamentspräsident vor Tausenden Anhängern, die sich vor dem Gebäude der Nationalversammlung zusammengefunden hatten, an, die Funktionsweise der Legislative überprüfen und verändern zu wollen. Es müsse mehr Möglichkeiten zur direkten Beteiligung des Volkes geben, forderte er. Zugleich warnte Cabello die Opposition vor Provokationen. Es sei eine Lüge zu behaupten, daß Chávez nicht mehr Präsident sei, falls er am 10. Januar nicht den Eid ablegen könne. Die entsprechenden Regelungen der Verfassung, die Neuwahlen nach 30 Tagen vorsehen, bezögen sich nur auf eine »zwingende dauerhafte Verhinderung«. Eine solche ist laut Verfassung etwa beim Tod des Präsidenten oder nach einem entsprechenden Attest durch eine vom Parlament eingesetzte Medizinerkommission gegeben. Die Nationalversammlung habe jedoch Chávez einstimmig autorisiert, sein Amt vorübergehend ruhen zu lassen, betonte Cabello. In solch einem Fall wird der Staatschef maximal bis zu 180 Tage vom Vizepräsidenten vertreten. »Führt keine weiteren Eiertänze auf, Herren der Opposition, und versucht gar nicht erst, für den 10. Januar irgendwas zu erfinden, denn hier werdet ihr auf ein Volk treffen, das bereit ist, Chávez, die Revolution und die Nation zu verteidigen!«

Mit Cabello stand auch Venezuelas Vizepräsident Nicolás Maduro auf der Kundgebungstribüne und demonstrierte damit die Einheit des Regierungslagers, während bürgerliche Medien immer wieder von einem Konkurrenzkampf zwischen den beiden Politikern um die Nachfolge Chávez’ schreiben. »Alle Situationen, die kommen mögen, werden wir siegreich bestehen, wenn wir vereint sind und auf unsere geistigen und materiellen Kräfte vertrauen«, rief Maduro den Teilnehmern zu. Die Regierung werde in den kommenden Tagen weiter über den Gesundheitszustand des Präsidenten informieren, kündigte Maduro an und bat die Bevölkerung um Geduld.

* Aus: junge Welt, Montag, 7. Januar 2013


Chávez' Stellvertreter

Parlamentspräsident wiedergewählt / Vereidigung des Staatschefs Venezuelas unklar

Von Jürgen Vogt, Buenos Aires **


Inmitten der Diskussion, wann und wo der krebskranke Hugo Chávez seinen Amtseid als venezolanischer Präsident ablegen kann, ist dessen Vertrauter Diosdado Cabello am Samstag als Parlamentspräsident bestätigt worden.

In Venezuela hat die Nationalversammlung den Sozialisten Diosdado Cabello erneut zum Parlamentspräsidenten gewählt. Am Samstag bestätigte die Regierungspartei mit ihrer Abgeordnetenmehrheit den 49-jährigen Chávez-Vertrauten in seinem Amt. Seine Wahl ist von großer politischer Bedeutung. Denn laut Verfassung übernimmt der Parlamentspräsident die Amtsgeschäfte von Staatspräsident Hugo Chávez, falls dieser wegen seiner schweren Erkrankung am kommenden Donnerstag seinen Amtseid nicht ablegen und seine neue Amtsperiode nicht antreten kann. Der Parlamentspräsident hat sich jedoch für einen Verbleib von Chávez im Präsidentenamt ausgesprochen. Chávez werde über den 10. Januar hinaus Präsident bleiben, sagte Cabello nach seiner Wiederwahl. Ähnlich äußerte sich zuvor bereits Vizepräsident Nicolás Maduro.

Cabello warf der venezolanischen Opposition vor, einen »Staatsstreich« vorzubereiten. Die Opposition hatte gefordert, dass Chávez eine vorübergehende Auszeit nehmen müsse, wenn sein Gesundheitszustand verhindere, dass er den Amtseid ablegen könne. Zuvor hatte die Führung die Opposition beschuldigt, falsche Gerüchte über Chávez' Zustand verbreitet zu haben.

Neben Cabello wurden außerdem zwei Stellvertreter und zwei Parlamentssekretäre mit den Stimmen der Regierungsmehrheit gewählt. Ein anderer Abstimmungsausgang hätte Gerüchten über einen bevorstehenden Machtkampf zwischen Cabello und Chávez' designiertem Nachfolger Maduro Auftrieb gegeben. In den vergangenen Tagen hatten beide Politiker entsprechende Spekulationen zurückgewiesen und ihre Einigkeit betont.

Wie ernst die Lage für das Chávez-Lager inzwischen ist, zeigen die Diskussionen über eine Verschiebung des offiziellen Beginns der neuen Amtsperiode des Präsidenten. Die »Formalität« der Vereidigung könne später vor dem Obersten Gerichtshof vorgenommen werden, sagte Maduro, der gegenwärtig die Amtsgeschäfte des Präsidenten führt. Die Verfassung sieht die Möglichkeit einer Vereidigung vor dem Obersten Gerichtshof vor. Dafür sind aber kein konkretes Datum und kein konkreter Ort benannt. Die Befürworter einer Verschiebung der Amtseinführung beziehen sich auf diese Offenheit der Verfassung.

Der Gesundheitszustand des 58-jährigen Chávez hat sich nach seiner vierten Krebsoperation weiter verschlechtert. Wegen einer Lungenentzündung leidet er Medienberichten zufolge an schwerer Atemnot. Chávez war im Dezember in einem Krankenhaus in der kubanischen Hauptstadt Havanna operiert worden. Trotz seiner angeschlagenen Gesundheit kandidierte er nach fast 14 Jahren im Amt im Oktober erneut für die Präsidentschaft und gewann die Wahl mit 54 Prozent der Stimmen.

** Aus: neues deutschland, Montag, 07. Januar 2013


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