Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Frische Petrodollar aus Abu Dhabi

Arabische Fluggesellschaft Etihad wird Großaktionär bei Air Berlin

Von Kurt Stenger *

Die schwer angeschlagene Fluggesellschaft Air Berlin will mit Hilfe eines Investors aus Abu Dhabi wieder durchstarten.

Dass Christian Wulff einst als niedersächsischer Ministerpräsident in der ersten Klasse von Air Berlin flog, aber nur den Standardpreis zahlte, hat die Finanzprobleme bei Deutschlands zweitgrößter Fluggesellschaft nicht verursacht. Seit 2008 schreibt sie Verluste, allein in diesem Jahr summierten sie sich bis Ende September auf 123 Millionen Euro. Aufgrund des schwindenden Eigenkapitals und hoher Schulden wurde Air Berlin immer wieder als Pleitekandidat gehandelt. Auch für 2012 sind die Aussichten trotz eines Sparprogramms mit einer Reduzierung der Flotte und Streichung unrentabler Strecken schlecht - wegen der globalen Wachstumsschwäche im Gefolge der Euro-Finanzkrise rechnet die Luftfahrtbranche generell mit einem schlechten Jahr.

Jetzt soll ein neuer Großinvestor frisches Geld beisteuern. Etihad Airways, eine Airline aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, steigert über eine Kapitalerhöhung seine Beteiligung an Air Berlin von aktuell knapp 3 auf rund 29 Prozent und wird damit größter Einzelaktionär. Der Kaufpreis dürfte bei rund 70 Millionen Euro liegen. »Die strategische Partnerschaft eröffnet einzigartige Möglichkeiten für die Zukunft unseres Unternehmens«, sagte Air-Berlin-Chef Hartmut Mehdorn, der den Konzern seit dem Rücktritt des Unternehmensgründers Joachim Hunold im September leitet.

Indes hat Etihad seit der Gründung 2003 aufgrund des massiven Expansionskurses selbst nur Verluste geschrieben. Das Prestigeunternehmen der Emir-Familie von Abu Dhabi verfügt aber offenbar über gewaltige finanzielle Möglichkeiten. So stellt man Air Berlin auch Kreditlinien von 195 Millionen Euro über fünf Jahre zur Verfügung. Die Etihad-Führung will durch das Investment in Europa stärker Fuß fassen. »Durch Air Berlin eröffnet sich uns ein breiter und komplementärer europäischer Markt mit ausgezeichneten Anbindungsoptionen für die Kunden beider Fluggesellschaften«, erklärte Konzernchef James Hogan am Montag. Etihad will mit Air Berlin künftig bei den Flugplänen eng zusammenarbeiten, aber auch durch gemeinsame Flugzeugbestellungen die Kosten senken. Die erwarteten Synergieeffekte werden auf jährlich 40 Millionen Euro beziffert.

Air Berlin wiederum hofft auf deutlich mehr Geschäft mit Flügen nach Asien und Australien und verlegt sein Nahost-Geschäft von Dubai ans Luftdrehkreuz Abu Dhabi, dem Heimatflughafen von Etihad. Die Zahl der Flüge in die Region soll bis April deutlich auf 42 pro Woche erhöht werden. Etihad übernimmt den Weitertransport.

Eine Komplettübernahme von Air Berlin plant der Großinvestor nicht. Er verpflichtete sich, seinen Anteil für mindestens zwei Jahre zu behalten, keine zusätzlichen Aktien zu kaufen und kein Übernahmeangebot abzugeben. Im ersten Quartal soll der Deal abgeschlossen sein, wenn die Kartellbehörden zustimmen. Die Bundesfinanzaufsicht Bafin prüft indes, ob die arabische Airline mit einem Dementi vor zwei Wochen die Kapitalmärkte in die Irre geführt haben könnte.

Die Air-Berlin-Aktie kletterte am Montag um acht Prozent auf 2,50 Euro. Beim holprigen Börsengang im Mai 2006 kostete das Papier noch 12 Euro.

Air Berlin

Die Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG, gegründet 1978, ist die zweitgrößte deutsche und sechstgrößte europäische Fluggesellschaft. Heimatflughafen ist Berlin-Tegel. Mit 147 Flugzeugen fliegt sie 163 Ziele in 39 Ländern vor allem in Europa an. Weitere 65 Flugzeuge sind bestellt. 2010 erwirtschafteten die knapp 9000 Mitarbeiter einen Umsatz von 3,7 Milliarden Euro. Konzernchef ist Hartmut Mehdorn. nd

Etihad

Etihad Airways ist eine Fluggesellschaft aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Heimatflughafen ist das Luftdrehkreuz Abu Dhabi. Etihad wurde im Juli 2003 per Dekret des Emirs gegründet und expandierte rasch. Mit 63 Flugzeugen fliegt man aktuell 84 Ziele in 52 Ländern, vor allem in Asien, an. Weitere 105 Jets sind bestellt. 2010 betrug der Umsatz 2,9 Milliarden Dollar. Verwaltungsratschef ist ein Halbbruder des Emirs von Abu Dhabi. nd



* Aus: neues deutschland, 20. Dezember 2011


Zurück zur VAE-Seite (Vereinigte Arabische Emirate)

Zur Deutschland-Seite

Zurück zur Homepage