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Usbekistan-Tadschikistan: Wasser-Konflikt eskaliert

Von Alexander Knjasew, "Moskowskije Nowosti" *


Die Spannungen zwischen Tadschikistan und Usbekistan nehmen an Schärfe zu. Wie sich die Situation in Zentralasien weiter entwickeln könnte, analysiert die Zeitung "Moskowskije Nowosti".

Zunächst kam es zu einer öffentlichen Auseinandersetzung der Ministerpräsidenten beider Länder; dann ließen die beiden Länder ihre Armeen im Grenz- bzw. Konfliktgebiet aufmarschieren. Die Kontroversen zwischen Duschanbe und Taschkent haben eine langjährige Geschichte.

Auf dem Trümmerhaufen der Sowjetunion

In der Sowjetunion gab es eine Hierarchie der Teilrepubliken, in der Russland logischerweise die „Große Schwester“ war und Usbekistan als „mittlere Schwester“ die „kleine“, Tadschikistan, mitfinanzieren musste. Die Erinnerungen an die sowjetischen Zeiten sind aus dem Gedächtnis beider mittlerweile souveränen Staaten noch nicht verschwunden. Die Elite in beiden zentralasiatischen Ländern ist großenteils noch sehr sowjetisch geprägt.

Nicht vergessen werden darf auch Usbekistans Rolle in dem Bürgerkrieg, der in Tadschikistan in den 1990er Jahren tobte. Damals waren es usbekische Einheiten neben der 201. russischen Division, die die Machtübernahme in Tadschikistan durch die „Volksfront“ ermöglichten, deren Nachfolger die heutigen Machthaber in Duschanbe sind. Taschkent hatte dafür seine Gründe: Es wollte weiterhin Einfluss auf das Nachbarland ausüben.

Nachdem aber der Konflikt in Tadschikistan 1997 geregelt wurde, distanzierte sich allmählich die Regierung des Präsidenten Emomali Rachmons von Taschkent und handelte häufig gegen dessen Interessen. Auch die Aufnahme von mehreren Mitgliedern der oppositionellen Partei für islamische Wiederbelebung Tadschikistans in die Regierung irritierte die usbekische Führung. Der Regierung in Taschkent missfiel es, dass die Islamisten am politischen Leben des Nachbarlandes teilnehmen durften, wenn man ihre Kontakte mit der Islamischen Bewegung Usbekistans bedenkt.

Wurzeln des Konflikts

Ein weiterer Reizfaktor für Taschkent entstand in den späten 1990er Jahren, als sich die Beziehungen zu Moskau anspannten, weil Duschanbe immer Rücksicht auf die Meinung des Kremls nahm. Die Kontroversen verschärften sich, als Usbekistan in frühen 2000ern fürchtete, von der Wasserversogung abgeschnitten zu werden. Dabei ging es um den Bau des Rogun-Staudamms am Wachsch und mehrerer kleineren Wasserkraftwerke im Norden Tadschikistans.

Am Rogun-Staudamm entzünden sich die Kontroversen zwischen Taschkent und Duschanbe. In der Sowjetunion wurden solche Streitfragen mit einem Machtwort Moskaus geregelt. Im Sommer öffnete Tadschikistan die Schleusen des Stausees Nurek, um das usbekische Gebiet zu bewässern. Nach dem Zerfall der Sowjetunion funktionierte dieser Regelungsmechanismus aber nicht mehr.

Wegen des Baus des Rogun-Staudamms sorgt sich Usbekistan gerechtfertigerweise um seine Baumwollfelder, zumal sich das Risiko einer Umweltkatastrophen entsteht, weil Tadschikistan nicht die technischen Möglichkeiten hat, die die Sowjetunion einst hatte.

Um eine Eskalation mit Taschkent zu vermeiden, musste der Aluminium-Konzern RUSAL aus diesem Projekt aussteigen. In Duschanbe macht man kein Hehl daraus, dass der Bau der Rogun-Staumauer nicht nur ein Schritt zur eigenen Energiesicherheit, sondern auch ein wichtiges Argument bei Diskussionen mit dem viel stärkeren Nachbar ist.

Die Situation um den Rogum-Staudamm ist durchaus mit der um das kirgisische Wasserkraftwerk Kambarata-2 vergleichbar, das Bischkek ebenfalls sei Jahren ohne auswärtige Unterstützung baut. Beide Projekte sind im Grunde ein Verbrechen gegen das eigene Volk und die Nachbarländer. Zum einen weil die Qualität dieser Anlagen offensichtlich mangelhaft ist, zum anderen weil die Flüsse Naryn-Syrdarja und Amudarja samt dem Nebenfluss Wachsch im Grenzgebiet fließen (um das zu verstehen, muss man nur einen Blick auf die Landkarte werfen). Für sie sollten die internationalen Prinzipien der Wassernutzung aus Grenzflüssen gelten. Im Sinne dieser Prinzipien dürfte Kirgistan keine Staudämme ohne die Zustimmung Usbekistans und Kasachstans errichten, während Tadschikistan seine Bauarbeiten nicht nur mit Usbekistan und Kirgistan, sondern auch mit Turkmenistan vereinbaren müsste, das ebenfalls flußabwärts liegt.

Usbekistan blockiert Tadschikistan

Angesichts der überflüssigen Politisierung der Situation um den Rogun-Staudamm hat sich Taschkent zu einer Verkehrsblockade des Nachbarlandes gezwungen gesehen. Noch vor ein paar Jahren sperrte Taschkent lediglich die Zufahrten zur Baustelle am Wachsch. Die weitere Eskalation führte aber zur weiteren Isolierung Tadschikistans. Zuletzt wurde beispielsweise die Bahnstrecke zwischen Galaba und Amusang gesperrt, was in vielen Gebieten Tadschikistans zur humanitären Katastrophe angesichts der desolaten Wirtschaftslage des Landes führen kann.

Einige tadschikische Experten haben Usbekistan vorgeworfen, mit der Verkehrsblockade des Landes die Einnahmen vom Gütertransit beim Truppenabzug aus Afghanistan monopolisieren zu wollen. Allerdings muss man feststellen, dass Tadschikistan keine große Rolle als Transitweg für den Afghanistan-Einsatz spielt. Denn im Nordosten Afghanistans, das an Tadschikistan grenzt, nur kleines US-Truppenkontingent stationiert ist, so dass ihr Abzug über die Route Khairaton (Afghanistan) - Termes (Usbekistan) objektiv einzig sinnvoll ist.

Frieden oder Konsortium?

Eine weitere Vertiefung des Konflikts und eine unmittelbare Militärkonfrontation zwischen Taschkent und Duschanbe sind jedoch eher unwahrscheinlich – das würde den Interessen der Großmächte widersprechen, egal ob Russlands, Chinas oder der USA. Auch die Führung beider Länder begreift das offenbar. Dennoch sind die bilateralen Beziehungen neben der Situation im kirgisischen Teil des Fergana-Flusstals, wo der kirgisisch-usbekischer Konflikt seit Jahrzehnten schwelt, ein großer Risikofaktor für die regionale Sicherheit und damit auch eine Gefahr für die südlichen Grenzgebiete Russlands.

Moskau ist am wenigsten an einem großen Konflikt interessiert: In Tadschikistan ist weiterhin die 201. Division der russischen Armee stationiert. Außerdem befindet sich in dem Land ein optisch-elektronisches Weltraumüberwachungssystem. Usbekistan und Tadschikistan sind Mitglieder der Organisation des Vertrags über Kollektive Sicherheit (OVKS). Ihre Konfrontation würde das endgültige Scheitern dieses Bündnisses bedeuten, die für Russland trotz ihrer mangelhaften Effizienz nach wie vor wichtig ist.

Interessant ist die Tatsache, dass der Kreml sich über die tadkische Botschaft in Moskau zu den jüngsten Auseinandersetzungen Stellung bezieht. Das bedeutet, dass Russlands trotz der zahlreichen „Unkosten“ der vergangenen 20 Jahre weiterhin die einflussreichste Großmacht im zentralasiatischen Teil der früheren Sowjetunion ist.

Eine andere Frage ist allerdings, ob sich Russland überhaupt in einen Konflikt einmischen sollte, bei dem sich die Seiten nicht einmal zuhören wollen. Moskau könnte das einer regionalen Organisation überlassen, der OVKS oder der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO).

Der Wasser-Konflikt in Zentralasien ist extrem politisiert. Einen Ausweg aus dieser Situation sollten vor allem die regionalen Länder finden. Ein Konsortium, an dem sich alle Anrainer des Aralsees und andere Anleger-Staaten beteiligen würden, könnte vielleicht Abhilfe schaffen. Wenn Usbekistan keine Angst um seine Energiesicherheit und den Wassermangel hat, könnte der Streit mit Tadschikistan ein Ende finden.

Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

* Aus: Russische Nachrichtenagentur, Freitag, 19. April 2012; http://de.rian.ru


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