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Linke siegessicher

Uruguay: Deutlicher Vorsprung für Präsidentschaftskandidaten der »Frente Amplio« vor Stichwahl

Von Lena Kreymann *

In Uruguay blickt der Präsidentschaftskandidat Tabaré Vázquez von dem Linksbündnis »Frente Amplio« (FA) siegessicher auf die Stichwahl am kommenden Sonntag. Wie die uruguayische Zeitung El Observador berichtete, plant er mit dem ebenfalls der FA zugehörigen José Mujica, dem amtierenden Staatschef, bereits die Amtsübergabe im März. Sein konservativer Gegner von der »Partido National« (PN), Louis Lacalle Pou, gestand am vergangenen Sonntag dagegen ein, mit einer Niederlage zu rechnen. Dem lateinamerikanischen Fernsehsender TeleSur zufolge erklärte er, er arbeite gegen die »Mathematik«, und nur die »Liebe und Leidenschaft« zu seinem politischen Projekt brächten ihn dazu, seine Kampagne fortzusetzen.

Schon im ersten Wahlgang am 26. Oktober hatte Vázquez einen überraschend deutlichen Sieg errungen. Mit 47,8 Prozent der Stimmen lag er fast 17 Punkte vor dem zweitplazierten Lacalle Pou und verfehlte nur knapp die 50-Prozent-Marke, mit der sich eine weitere Runde erübrigt hätte. Vázquez hat bereits eine Verfassungsreform vorgeschlagen, die den zweiten Wahlgang für den Fall eines derart großen Vorsprungs abschafft.

Auch bei den gleichzeitig abgehaltenen Parlamentswahlen ging die FA klar als stärkste Kraft hervor - entgegen sämtlichen Vorwahlumfragen. In der Repräsentantenkammer erreichte sie auf Anhieb eine absolute Mehrheit mit 50 von 99 Sitzen, während die PN 32 und die rechtsliberale »Partido Colorado« (PC) 13 Sitze innehat. Im Senat stellt die FA 15 Senatoren, die PN dagegen zehn. Fünf weitere Plätze werden von anderen Parteien besetzt. Da der Vizepräsident auch automatisch den Vorsitz im Senat übernimmt, könnte mit der Abstimmung am Sonntag die FA auch dort die absolute Mehrheit erhalten. In den Vorwahlumfragen hatte es noch so ausgesehen, als ob sie diese in keiner der beiden Kammern erreichen würde. Vielmehr hatten die Institute mit ihren Prognosen so weit danebengelegen, dass sich einige der Unternehmen noch vor dem Ende der Auszählung einer scharfen Selbstkritik unterziehen mussten, wie die uruguayische Zeitung El Espectador berichtete.

Die Umfragen für Sonntag decken sich allerdings mit den Einschätzungen der beiden Kandidaten. Den großen Meinungsforschungsinstituten Cifra, Equipos und Factum zufolge führt Vázquez deutlich mit 52 Prozent, während Lacalle Pou lediglich Werte zwischen 35 und 39 Prozent erreicht. Factum zufolge wollen sechs Prozent der Wähler ungültig wählen, fünf Prozent haben sich noch nicht entschieden.

Wie das Ergebnis am Sonntag ausfällt, hängt dabei nicht nur von den Stimmen aus den jeweils eigenen Reihen der FA und der PN ab, sondern auch von den Parteien, die selbst keinen Kandidaten mehr stellen.

In der PC, der drittstärksten Partei, hat die Frage, wen man am Sonntag unterstützen soll, einen internen Konflikt ausgelöst und am Dienstag sogar zum Austritt des Abgeordneten Fernando Amado, regionaler Parteivorsitzender im wichtigen Bezirk Montevideo, aus der Fraktion »Vamos Uruguay« geführt, der auch Parteichef Pedro Bordaberry angehört. Während dieser offen seine Unterstützung für Lacalle Pou erklärt hatte, war Amado Hand in Hand mit Vázquez aufgetreten und dafür von Parteikollegen als »Verräter« beschimpft worden. Die auf dem vierten Platz weit abgeschlagene Partido Independiente überlässt es ihren Unterstützern selbst, sich am Sonntag zu entscheiden, gibt also keine Empfehlung ab. Vorsitzender Pablo Mieres kündigte allerdings bereits an, ungültig zu wählen.

Im Gegensatz zu der Medienschlacht vor dem ersten Wahlgang ist in den letzten Wochen angesichts der klaren Kräfteverhältnisse Ruhe eingekehrt. Laut El Observador konzentrierte sich die PN darauf, vor einer »Radikalisierung« und der Einführung weiterer Steuern im Falle eines Wahlsieges der FA zu warnen. Letzteres wies Vizepräsident Danilo Astori allerdings umgehend zurück, laut TeleSur plant die FA vielmehr, durch Steuersenkungen die Nettoeinkommen der Bevölkerung weiter zu erhöhen. Vázquez trat in Dörfern und Nachbarschaften vor allem dort auf, wo er in der ersten Runde keine Mehrheit erzielen konnte. Dabei hob er die sozialen Errungenschaften der FA-Regierung im vergangenen Jahrzehnt hervor.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 27. November 2014


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