Uruguayer fordern Nichtverjährung
Diktaturverbrechen sollen bestraft werden *
In Uruguay haben mehrere tausend
Menschen gegen ein Urteil des Obersten
Gerichtshofes protestiert, das die
Nichtverjährung der Verbrechen der
letzten Militärdiktatur für verfassungswidrig
erklärt.
Die Entscheidung
der Obersten Richter
füge dem Land schweren Schaden
zu, sagte Lucía Topolansky, Senatorin
und Ehefrau von Präsident
José Mujica. Zu der Versammlung
am Montagabend (Ortszeit) vor
dem Gerichtsgebäude in der
Hauptstadt Montevideo hatten die
Regierungspartei Frente Amplio
und die Organisation »Angehörige
der Verschwundenen« aufgerufen.
Am Freitag hatte das Oberste
Gericht ein Gesetz für verfassungswidrig
erklärt, mit dem die
Verbrechen während der Militärdiktatur
1973-1985 als Menschenrechtsverbrechen
eingestuft
worden waren, die keiner Verjährungsfrist
unterliegen. Die Richter
begründeten ihre Entscheidung
damit, dass die Verfassung es nicht
zulasse, Taten rückwirkend als
Menschenrechtsverbrechen zu
klassifizieren. Dabei geht es auch
um den im Jahr 2006 eingeführten
Straftatbestand der gewaltsamen
Entführung. Zuvor galt das Verschwindenlassen
von Personen als
Mord, der der normalen Verjährungsfrist
unterlag.
Mit dem im Oktober 2011 verabschiedeten
Gesetz erklärten die
Parlamentarier die Verbrechen
während der Diktatur zu nichtverjährbaren
Menschenrechtsverbrechen.
Zugleich stellten sie auch
den staatlichen Strafverfolgungsanspruch
gegenüber diesen Straftaten
wieder her. Dieser Anspruch
war 1986 durch ein Amnestiegesetz
aufgehoben worden. Die Amnestie,
die weiter Bestand hat, garantiert
Angehörigen von Polizei
und Militär für Verbrechen während
der Diktatur weitgehende
Straffreiheit. Deshalb konnten
Verbrecher bisher nur in Ausnahmefällen
juristisch belangt werden.
Die Entscheidung der Obersten
Richter bezieht sich jedoch vorerst
nur auf eine Klage in einem Einzelfall.
Ob nach dem Urteil alle
noch offenen richterlichen Ermittlungen
und Gerichtsverfahren
eingestellt und zu den Akten gelegt
und ob keine neuen Verfahren
eingeleitet werden, ist offen. Unklar
ist ebenfalls, ob bereits in Haft
sitzende Militärs auf freien Fuß
gesetzt werden müssen.
* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 27. Februar 2013
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