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Kaum verhohlener Aufruf zum Roma-Mord

Freund des ungarischen Regierungschefs verunglimpft die Minderheit in übelster Art

Von Gábor Kerényi, Budapest *

Für den rechtsextremen ungarischen Publizisten Zsolt Bayer sind die meisten Roma »Tiere«, denen er keine Menschenwürde zubilligt. Bayer, ein Freund von Regierungschef Viktor Orbán, ist schon wiederholt durch rassistische Kommentare aufgefallen.

Folgendes Zitat entstammt nicht dem »Völkischen Beobachter« der Nazizeit. Der Artikel aus der Feder von Zsolt Bayer erschien vielmehr vor einer Woche in einer der größten ungarischen Tageszeitungen, »Magyar Hírlap« (Ungarisches Journal): »Tatsache ist: Ein Großteil der Zigeuner ist unfähig zum Zusammenleben. Ist nicht fähig, unter Menschen zu leben. Diese Zigeuner sind Tiere, benehmen sich wie Tiere... Dieser Teil der Zigeuner ist unfähig zu menschlicher Kommunikation. Aus seinem tierischen Schädel dringen meistens unartikulierte Töne, und das einzige, was er bezüglich dieser elenden Welt versteht, das ist die Gewalt...«

»Magyar Hírlap« gehört zum Medienkonzern des ungarischen Großindustriellen Gábor Széles und vertritt eine nationalistische Position, die sich gerne mit Rassismus paart. Zsolt Bayer, einer der führenden Journalisten, darf als Intimfreund von Ministerpräsident Viktor Orbán gelten. Er war seinerzeit Gründungsmitglied der ungarischen Regierungspartei FIDESZ (Ungarischer Bürgerbund) und deren erster Pressesprecher. Unter der ersten Orbán-Regierung ab 1998 wurde er als Hauptbeirat einer zum 1000-jährigen Bestehen Ungarns ins Leben gerufenen Regierungskommission berufen. Als Journalist meldet sich Bayer seit geraumer Zeit regelmäßig mit brutalen rassistischen Artikeln zu Wort. Am Ende seines jüngsten Elaborats verlangt er übrigens: »Und die Tiere sollen nicht sein. Das muss gelöst werden - aber sofort und egal wie!« Wer denkt da nicht an die »Endlösung«?

Bayer ragt schon seit einiger Zeit als Verfasser der wohl widerlichsten antisemitischen Schriften in der ungarischen Medienlandschaft heraus, und das bedeutet schon einiges, wenn man die ungarische Presse mit gewisser Aufmerksamkeit verfolgt. Vor ziemlich genau zwei Jahren wurde Bayer mit dem Journalistenpreis Madách-díj ausgezeichnet. Dass er mehrere Prozesse verloren hat, stört ihn gar nicht, seine Strafen werden offenbar aus der FIDESZ-Parteikasse beglichen. Nach dem jüngsten Ausfall dachte Justizminister Tibor Navracsics immerhin öffentlich darüber nach, Bayer aus der Partei auszuschließen.

Den Anlass zu der Hasspredigt Bayers lieferte eine unaufgeklärte Straftat. In der Silvesternacht wurden in der Kleinstadt Szigethalom, 12 Kilometer südlich von Budapest, zwei Sportler - ein Ringer und ein Faustkämpfer - mit Messern angegriffen und verletzt. Der Ringkämpfer befindet sich noch immer in kritischem Zustand. Es waren angeblich 30 Männer, die aus noch ungeklärten Gründen die zwei Sportler des als jüdisch bekannten Sportklubs MTK (Ungarischer Turnklub) angegriffen haben, doch die Polizei hat bisher nur einen 17-jährigen Verdächtigen mit einer nicht näher beschriebenen Krankheit in Gewahrsam genommen. Die polizeilichen Meldungen sprechen nicht von seiner Zugehörigkeit zur Roma-Minderheit.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 09. Januar 2013


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