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Waren Janukowitsch-Gegner Scharfschützen des Maidan?

Telefongespräch zwischen estnischem Außenminister Urmas Paet und EU-Vertreterin Catherine Ashton abgehört. Im Wortlaut *


Das Gespräch fand nach Paets Besuch in Kiew am 26. Februar statt. Es wurde abgehört und ins Internet gestellt. Seine Authentizität wurde inzwischen auch von Urmas Paet bestätigt. Paets Informationen zufolge verstärkt sich der Verdacht, dass Demonstranten und Polizisten auf dem Maidan von ein- und denselben Scharfschützen erschossen wurden, hinter denen nicht, wie in den westlichen Medien berichtet, Präsident Viktor Janukowitsch stand, sondern Mitglieder der neuen Regierungskoalition.
Das Telefonat zeigt aber auch, wie intensiv sich die EU in die inneren Angelegenheiten der Ukraine einmischt.
Wir dokumentieren das Gespräch in einer deutschen Übersetzung. Das Gespräch kann im Original auf der Seite von www.weltnetz.tv angehört werden.

Von Jürgen Reents kommt die Initiative zu einer Petition an EU und Bundesregierung, keine finanzielle und auch keine andere Unterstützung für die amtierende Regierung in Kiew zu geben, solange die Untersuchung des Vorfalls verweigert wird und der Verdacht nicht aufgeklärt ist. Hier geht es zur Petition.


TRANSKRIPT

Ashton: Hallo wie geht’s?

Paet: Gut und Ihnen?

Ashton: Gut, gut ich wollte nur hören was Sie dort gesehen haben.

Paet: Ich bin schon gestern Nacht zurückgekommen, nach einem Tag.

Aston: Welche Eindrücke?

Paet: Starke Eindrücke. Ich habe Vertreter der Partei der Regionen getroffen, auch der neuen Koalition und der Zivilgesellschaft. Da ist diese Dame mit Namen Olga, die Leiterin der Ärzte …Sie kennen sie?

Ashton: Ja ich kenne sie.

Paet: Nun mein Eindruck ist, dass es kein Vertrauen gibt auch nicht in die Politiker, die jetzt in die Koalition zurückkehren. Die Leute vom Maidan und aus der Zivilgesellschaft sagen, sie kennen alle, die in der neuen Regierung sein werden. All diese Typen haben eine schmutzige Vergangenheit. Sie haben Angebote gemacht an Olga und einige andere aus der Zivilgesellschaft in die neue Regierung einzutreten. Aber diese Olga z.B. sagt, dass sie nur in die Regierung geht, wenn sie ihr Team, ausländische Experten mitbringen kann, um wirkliche Gesundheitsreformen zu beginnen.

Es gibt also sehr wenig Vertrauen. Und auf der anderen Seite, all die Sicherheitsprobleme, die Integrationsprobleme, die Krim, und all das Zeug. Die Partei der Regionen ist total entrüstet. Sie akzeptieren jetzt, dass es eine neue Regierung geben wird und außerordentliche Wahlen. Aber es gibt großen Druck auf die Abgeordneten des Parlaments. Ungebetene Gäste besuchen nachts Parteimitglieder.

Einige Journalisten, die mich begleiteten, haben tagsüber gesehen, wie ein Abgeordneter vor dem Parlamentsgebäude zusammengeschlagen wurde von diesen Typen mit Gewehren auf der Straße.

Der ganze Schlamassel ist noch da. Leute wie diese Olga aus der Zivilgesellschaft sind sich absolut sicher, dass die Menschen die Straße nicht verlassen werden, bevor sie nicht sehen, dass wirkliche Reformen beginnen. Der Regierungswechsel ist nicht genug. Das ist der wichtigste Eindruck.

Aus der Sicht der EU und der estnischen Regierung sollten wir bereit sein, das Finanzpaket zu schnüren - auch zusammen mit anderen.

Wir brauchen eine klare Botschaft, dass es nicht genügt, die Regierung zu wechseln, sondern wirkliche Reformen, echte Aktionen, um das Vertrauen zu stärken. Ansonsten wird es schlimm enden.

Die Partei der Regionen sagte auch, nun Sie werden sehen, dass die Leute aus dem Osten der Ukraine aufwachen werden und werden ihre Rechte einfordern. Einige sagten, sie waren in Donezk, und Leute dort sagen, wir können nicht warten wie lange die Okkupation der Ukraine noch anhalten soll in Donezk. Das ist wirklich eine russische Stadt und wir möchten, dass Russland übernimmt … Eindrücke in Kürze..

Ashton: Sehr sehr interessant. Ich hatte gerade ein großes Treffen hier mit Olli Rehn und den anderen Kommissaren, um darüber zu sprechen, was wir tun können. Wir arbeiten an einem Finanzpaket, kurz-, mittel- und langfristig. Wie wir dort schnell Geld hineinschaffen können, wie wir den IWF unterstützen können und wie wir Investmentpakete und Wirtschaftsführer bekommen etc. Auf der politischen Ebene haben wir aussortiert welche Mittel wir haben und ich habe der Zivilgesellschaft ein Angebot gemacht und Jazenjuk und Klitschko und allen anderen, die ich gestern traf.

„Wir können Euch Leute anbieten, die wissen wie man politische und wirtschaftliche Reformen durchführt. Die Länder, die der Ukraine am nächsten sind, haben dramatische politische und wirtschaftliche Reformen durchgemacht. Wir haben große Mengen an Erfahrungen, die wir Euch gerne geben können.“

Ich habe den Leuten auf dem Maidan gesagt: „Ihr wollt echte Reformen, aber Ihr müsst erst das Kurzfristige machen. Ihr müsst Wege finden, wie Ihr einen Prozess beginnen könnt, um Antikorruption ins Zentrum zu stellen, mit Leuten zusammenarbeiten bis zu den Wahlen und Ihr auf den Prozess vertrauen könnt.“ Und ich habe Olga gesagt, „vielleicht werden Sie nicht gleich Gesundheitsministerin, aber Sie sollten sich überlegen, in der Zukunft Gesundheitsministerin zu werden. Denn Leute wie Sie werden gebraucht, um sicherzustellen, dass das alles passiert“. Aber ich habe ihnen auch gesagt, „wenn Ihr jetzt nur die Gebäude verbarrikadiert und die Regierung funktioniert nicht, dann können wir kein Geld hineinschaffen. Wir brauchen einen Partner, mit dem wir handeln können.“

Paet: Absolut.

Ashton: Und ich sagte zu den Oppositionsführern, die sicherlich die Regierung stellen werden, „Sie müssen auf den Maidan zugehen, sich müssen sich mit ihm einlassen. Sie müssen wieder normale Polizisten auf die Straße bringen mit einem neuen Gefühl ihrer Rolle, damit die Menschen sich sicher fühlen“. Ich habe zu den Leuten der Partei der Regionen gesagt, „Sie müssen Blumen dort hinlegen, wo Menschen gestorben sind. Sie müssen zeigen, dass Sie verstehen was Sie – was hier passiert ist“.

„Was Sie hier erfahren ist die Wut der Leute, die gesehen haben wie Janukowitsch lebte und die Korruption. Und sie denken, dass Sie alle gleich sind. Und das sind Leute, die Menschen verloren haben und sie denken, dass er das befohlen hatte.“ Es gibt viel Betroffenheit in der Stadt. Traurigkeit und Betroffenheit. Und das wird sich in seltsamer Weise äußern, wenn sie nicht vorsichtig sind. Ich denke wir müssen an all dem arbeiten. Ich hatte ein großes Treffen hier heute, um das alles einzuleiten. Ja, Ihre Beobachtungen sind sehr interessant.

Paet: In der Tat der einzige Politiker, den die Leute der Zivilgesellschaft positiv erwähnen ist Poroschenko.

Also er geniest so eine Art Vertrauen bei all diesen Maidan Leuten. Und was in der Tat sehr beunruhigend war, diese gleiche Olga sagte, dass alle Indizien darauf hinweisen, dass Menschen, die von Scharfschützen auf beiden Seiten getötet wurden, Polizisten und Demonstrierende, dass es die gleichen Scharfschützen waren, die Leute auf beiden Seiten erschossen.

Sie zeigte mir dann auch ein paar Fotos und sagte, dass sie als Ärztin sagen kann, dass es die gleiche Handschrift ist, die gleiche Art von Munition, und es ist wirklich besorgniserregend, dass die neue Koalition nicht gewillt ist, zu untersuchen, was genau passiert ist. Somit wird der Verdacht verstärkt, dass hinter den Scharfschützen nicht Janukowitsch stand, sondern jemand aus der neuen Koalition.

Ashton: Ich denke wir wollen untersuchen. Ich meine, ich wusste das nicht, das ist interessant, meine Güte…

Paet: Es war sehr beunruhigend, dass wenn das jetzt beginnt ein starkes Eigenleben anzunehmen, dass es schon von Anfang an diese neue Koalition in Misskredit bringt.

Ashton: Ich denke davor müssen sie sich auch hüten. Sie müssen große Änderungen fordern, aber sie müssen die Rada auch arbeiten lassen. Wenn die Rada nicht funktioniert, dann gibt es totales Chaos. Also, Aktivist und Arzt zu sein ist sehr wichtig, aber es bedeutet nicht, dass man Politiker ist. Sie müssen sich irgendwie damit arrangieren für die kommenden Wochen, wie das Land tatsächlich regiert werden kann. Und dann kommen wir zu den Wahlen und Dinge können sich ändern. (…) Ich werde nächste Woche wieder dorthin gehen, wahrscheinlich am Montag.

Paet: Es ist wirklich sehr wichtig, dass sich nun Leute aus Europa und aus dem Westen dort zeigen, damit es absolut…

Ashton: Nun, Miroslaw wird mit der Viségrad-Gruppe am Freitag kommen, William Hague am Sonntag und ich am Montag

Paet: Ich hörte, dass auch der kanadische Minister am Freitag kommt und wir haben William Burns gestern in Kiew getroffen (…)

Ashton: Ich wusste nicht, dass er kommt…Okay mein Freund. Gut mit Ihnen zu sprechen.

Paet: Danke für Ihre Anmerkungen. Gute Reise nach Australien..

Ashton: Was?

Paet: Genießen Sie Australien

Ashton: Ich habe die Reise aufgeschoben, denn ich gehe stattdessen in die Ukraine…

* Quelle: Weltnetz TV; weltnetz.tv [externer Link]

Petition

an den Deutschen Bundestag (eingereicht am 09.03.2014)

Aussetzung der finanziellen Unterstützung an die Ukraine

Der Deutsche Bundestag möge beschließen:

Die Bundesrepublik Deutschland leistet keine finanzielle oder andere Unterstützung an die amtierende Regierung der Ukraine, solange

(1) dieser Regierung Rechtsextremisten angehören;

(2) die Todesschüsse von Scharfschützen in Kiew nicht von einer unabhängigen Kommission untersucht werden.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, diese Haltung auch in der Europäischen Union aktiv zu vertreten.

Begründung

(1) Die seit dem 27. Februar in der Ukraine regierende Koalition steht unter erheblichem Einfluss von Rechtsextremisten. Vier Minister in Kiew gehören der Swoboda an, einer Partei, die in Deutschland mit der NPD kooperiert und beobachtendes Mitglied der rechtsextremen „Allianz der Europäischen nationalen Bewegungen“ ist. Weitere Schaltstellen im Staatsapparat, so der Nationale Sicherheitsrat und die Generalstaatsanwaltschaft, wurden mit Swoboda-Funktionären und Kadern des Prawyj Sektor (Rechter Sektor) besetzt, einer paramilitärisch aufgebauten und antisemitisch hetzenden Organisation. Zweifellos ist es falsch, die ukrainische Regierung und die sie tragende Protestbewegung unisono als rechtsextrem zu denunzieren; sie repräsentieren in großen Teilen eine demokratisch motivierte Revolte gegen die autoritäre Herrschaft unter Präsident Janukowitsch. Aber das rechtfertigt nicht, Bündnisse mit Rechtsextremisten zu akzeptieren und diese mit Rat und Tat zu stützen. Egal in welchem Land sie existieren und wer sie schließt: Solche Bündnisse sind international zu stoppen.

(2) Im Verlauf der Proteste in Kiew wurden Dutzende Menschen getötet. Überwiegend ist von rund 80 Personen die Rede, die auf beiden Seiten der Auseinandersetzungen ums Leben kamen. Viele der Todesopfer gehen nach Augenzeugenberichten auf das Konto von Scharfschützen, deren Identität und Auftraggeber ungeklärt sind. In einem im Internet dokumentierten Telefonat zwischen der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton und dem Außenminister Estlands, Urmas Paet, beruft sich dieser auf die ukrainische Ärztin Olga Bogomolez, der zufolge dieselben Scharfschützen Demonstranten wie Polizisten getötet hätten. Es gebe den Verdacht, dass die Hintermänner dafür nicht im Lager des gestürzten Präsidenten Janukowitsch, sondern in der neuen Koalition zu suchen seien. Das estnische Außenministerium hat die Echtheit des Telefonats bestätigt, Frau Bogomoletz die ihr von Herrn Paet zugeschriebenen Schilderungen dementiert. Die sich widersprechenden Behauptungen bleiben irritierend. Welche Darstellung auch immer richtig ist: Die Todesschüsse und ihre Verantwortlichkeiten müssen von unabhängiger Seite untersucht werden. Nicht hinreichend und hinnehmbar für eine Aufklärung ist es, wenn die jetzige Regierung sie in eigener Regie führt, gar Institutionen oder Personen damit beauftragt, die unter dem Einfluss ihrer rechtsextremen Sektoren stehen.

(3) Die Europäische Union hat der ukrainischen Regierung erhebliche finanzielle Unterstützung zugesagt; die Bundesrepublik Deutschland ist an diesen Zusagen beteiligt. Die geforderte Aussetzung dieser Zusagen, solange die beschriebenen Zustände fortbestehen, rechtfertigt nicht zugleich die russische Intervention auf der Krim. Auch eine deutliche Kritik daran darf jedoch nicht bedeuten, einen Block mit Rechtsextremisten zu unterstützen und so weiteres Zündmaterial für Brandfackeln zu liefern, die derzeit zuhauf in der Ukraine und darüber hinaus herumgereicht werden.

Die Petition unterstützen!

Die Petition mit der Forderung, jede Unterstützung der ukrainischen Regierung auszusetzen, solange dort Rechtsextremisten beteiligt sind und die Todesschüsse auf dem Maidan nicht unabhängig aufgeklärt werden, kann nun auch online unterzeichnet werden. Eine entsprechende Mitteilung des Petitionsausschusses ging am 31. März an den Initiator der Petition, Jürgen Reents - eine Woche nachdem die vorherige Ablehnung presseöffentlich gemacht wurde. (Siehe: Lose Kanonen in der Ukraine.)
Mit dem folgenden Link kommen Sie auf die entsprechende Petition (Petitions-ID 50550) und können dort unterzeichnen: https://epetitionen.bundestag.de






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