Maidan-Leute ziehen in den Osten
Laut russischer Agentur sollen 2000 Tote bei "Säuberung" als akzeptabel gelten
Von Klaus Joachim Herrmann *
Sieges- und Todesmeldungen, verschwundene OSZE-Beobachter, Gasstreit – es gibt keine Mäßigung im ukrainischen Konflikt.
Mit Siegesmeldungen aus drei Himmelsrichtungen wartete die ukrainische Armeeführung zum Wochenende auf. Der Süden und Westen des Donezker und der Norden des Gebietes Lugansk seien »vollständig von Separatisten gesäubert«, meldete Verteidigungsminister Michail Kowal laut der ukrainischen Agentur UNIAN am Freitag. Ihnen warf er vor, einen »unerklärten Krieg« zu führen.
Zu der seit Mitte April laufenden »Anti-Terror-Operation« der Übergangsregierung gehörte im Donbass aber auch die Bilanz von offiziell bereits mehr als 20 getöteten Soldaten. Seit dem Beginn der Militäroffensive Mitte April sollen mehr als 200 Menschen gestorben sein, neben ukrainischen Soldaten und Aufständischen auch Zivilisten.
Mit dem Abschuss eines Armeehubschraubers durch prorussische Separatisten verschärfte sich die Lage. Der designierte Präsident Petro Poroschenko drohte den Aufständischen mit harten Strafen. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) verlor in der Region Lugansk den Kontakt zu einer weiteren fünfköpfigen Beobachtergruppe. Das vierköpfige Beobachterteam, das seit Montag in Donezk vermisst wird, soll wieder frei sein. Das blieb aber unbestätigt.
Im Gasstreit mit Kiew signalisierte Moskau Bereitschaft für neue Rabatte. »Wenn alle Vereinbarungen eingehalten werden, dann kann der Preis sich dem europäischen annähern und bei etwa 380 Dollar (279 Euro) liegen«, wurde der Vorsitzende des Energieausschusses in der Russischen Staatsduma, Iwan Gratschjow, zitiert
Der designierte Präsident habe mit dem US-Botschafter in Kiew, Geoffrey Pyatt, den »Anti-Terror-Einsatz« im Osten der Ukraine erörtert, berichtete die russische Auslandsagentur RIA/Novosti am Donnerstagabend unter Hinweis auf eine »unterrichtete Quelle in Kiew«. Danach habe Poroschenko nach Konsultationen in der US-Botschaft noch am Wahltag 25. Mai von leitenden Vertretern der Militär- und Sicherheitsstrukturen ultimativ gefordert, das Territorium der Gebiete Donezk und Lugansk noch vor seiner Amtseinführung zu »säubern«. Dabei sei laut der Quelle, die anonym bleiben wolle, 2000 als »akzeptable Zahl der Toten« genannt worden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lobte hingegen Poroschenko in einem Glückwunschtelegramm als »beeindruckendes Zeichen für den Willen der Ukrainer, Freiheit und Selbstbestimmung ihres Landes mit demokratischen Mitteln zu stärken«. Sie lud ihn nach Berlin ein.
Das von seinen Gegnern als faschistisch bezeichnete Freiwilligen-Bataillon »Donbass« setzt nunmehr auf den Zustrom von Freiwilligen. Der Spross der »Selbstverteidigungskräfte« des Maidan soll Basis einer Sondereinheit für den »Kampf gegen den Terrorismus« werden. Friedlicher gibt sich der Rechte Sektor zu Kiews »Tag der Stadt«. Am Samstag solle mit dem Abbau der Barrikaden und Zelte auf dem Maidan begonnen werden, kündigte ein Führungsmitglied an. Heute würde man hier »nicht nüchterne Menschen in Tarnkleidung antreffen, die Konflikte provozieren«, klagte der Politiker. Es bleibe eine schnelle Eingreiftruppe, »wie es in der Revolution der Rechte Sektor war«. Maidan-Leute sollen sich nun im Osten an der »Anti-Terror-Operation« beteiligen.
* Aus: neues deutschland, Samstag, 31. Mai 2014
Separatisten wollen nach Noworossija
»Volksgouverneur« führt auf den alten Weg der Zaren
Von Ulrich Heyden, Donezk **
»Rot steht für das Blut und das blaue Kreuz steht für die Andreas-Flagge der russischen Schwarzmeer-Flotte«, sagte der Redner auf der Tribüne im Jugend-Palast von Donezk. Etwa 1500 Personen waren am 22. Mai zur Gründungsversammlung des Netzwerkes »Noworossija« gekommen. Als ein Redner die »Staats«-Flagge von Noworossija vorstellte, herrschte gespanntes Schweigen.
Während der Versammlung ging es zum Teil hoch her. Teilnehmer fragten, ob es noch Sinn habe, an Kiew Steuern zu zahlen. Pawel Gubarjow, Volksgouverneur, Unternehmer und Star der Veranstaltung, erklärte, er zahle schon seit Dezember keine Steuern mehr an Kiew. Plötzlich rief eine Frau, »gebt uns Waffen«. Gubarjow, der die letzten zwei Monate in Kiew in Untersuchungshaft gesessen hatte, erklärte, man werde die Waffen beschaffen. Mehr verriet der 31-Jährige nicht.
Auf einer Leinwand wurde das Territorium der Ukraine gezeigt. In grüner Farbe sah man den Westen und das Zentrum der Ukraine unter Einschluss von Kiew. Der Süden und Osten des Landes war mit roter Farbe und er Bezeichnung »Noworossija« versehen. Gubarjow erklärte, in dem neuen Staat solle es gemischte Eigentumsformen geben. Unternehmen, die ihre Steuern weiter in Kiew zahlen und nicht in Donezk, würden »nationalisiert«.
Bisher gehören zu »Noworossija« nur die beiden »Volksrepubliken« Donezk und Lugansk, die sich am 24. Mai offiziell vereinigten und militärisch gegenseitig unterstützen. Doch zurzeit ist »Noworossija« nicht mehr als ein Netzwerk regierungskritischer Bewegungen im Süden und Osten. Selbst über Lugansk und Donezk üben die Aufständischen nicht die volle Kontrolle aus.
»Noworossija« soll nach dem Willen seiner Initiatoren einmal das gesamte Territorium im Osten und Süden der Ukraine – von Lugansk bis zur Grenze zu Transnistrien – umfassen. Es geht um das Territorium, das unter den Zaren kolonisiert wurde und sich nach dem russisch-türkischen Krieg in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit dem russischen Imperium vereinigte.
»Noworossija« werde ein prorussischer Staat sein, erklärte Volksgouverneur Gubarjow im Gespräch mit Journalisten. »Noworossija« werde Teil der von Russland geführten Zollunion und der Eurasischen Union sein. Natürlich müsse um diesen Staat erst noch gekämpft werden. Nach dem Abzug der ukrainischen Truppen, sei man zu Verhandlungen mit Kiew bereit, erklärte Gubarjow.
** Aus: neues deutschland, Samstag, 31. Mai 2014
Kiew läßt wahllos feuern
Krankenhaus in Slowjansk durch Artilleriebeschuß beschädigt. Poroschenko und US-Botschafter: Bis zu 2000 Tote sind öffentlich vertretbar
Von Arnold Schölzel ***
Ukrainische Regierungstruppen beschossen am Freitag Wohnhäuser, Schulen und Kindereinrichtungen in der Stadt Slowjansk mit Artillerie. Das berichteten mehrere Medien der Ukraine und Rußlands. Sie machten keine Angaben über Tote und Verletzte. Anwohner berichteten der Kiewer Zeitung Iswestija w Ukraine, von »völlig chaotischem Feuer auf die Stadt«. Der Sender Russia Today zitierte einen Einwohner, um fünf Uhr morgens seien eine Kinderpoliklinik und der danebenliegende Empfangsbereich eines Kinderkrankenhauses getroffen worden. Auf Bildern im Internet waren schwere Zerstörungen zu sehen. Es hieß, in der Klinik seien noch einige Kinder gewesen, die in die Kellerräume des Gebäudes gebracht worden seien. Die Regierung in Kiew leugnete, daß eigene Truppen die Stadt beschossen hätten. Vielmehr hätten Aufständische das Feuer eröffnet.
Die Einwohner beklagten gegenüber Journalisten bei Telefongesprächen, daß sie von der neuen ukrainischen Regierung mit den Aufständischen »in einen Topf« geworfen würden. Es habe keine Angebote für Evakuierungen gegeben und keinerlei Unterstützung für jene Familien, denen Armee oder Luftwaffe buchstäblich das Dach über dem Kopf weggeschossen hätten. Auch aus anderen Städten der Ostukraine wurden Kämpfe gemeldet.
Auf dem zentralen Platz der Stadt Dsershinsk (etwa 50 Kilometer nördlich von Donezk, 35000 Einwohner), versammelten sich nach Angaben lokaler Medien am Freitag etwa 5000 Bergarbeiter aus der Region zu einer Protestkundgebung und verlangten das sofortige Ende der »antiterroristischen Operation« von Armee und Nationalgarde sowie Teilnahme der Aufständischen am »Runden Tisch«. Redner drohten mit einem unbefristeten Streik.
Die Machthaber in Kiew blieben unterdessen auf Bürgerkriegskurs. Verteidigungsminister Michail Kowal warf erneut Rußland vor, verdeckte militärische Einsätze auf Seiten der Rebellen zu steuern und kündigte an, das ukrainische Militär werde die Einsätze im Grenzgebiet zu Rußland fortsetzen, bis die Region »normal lebt, funktioniert und für die Menschen Ruhe herrscht«. Kowal berichtete zugleich, daß am Donnerstag zwei Armeehubschrauber vom Typ Mi-8 bei Slowjansk abgeschossen worden seien, die Besatzungen seien umgekommen. Der Sprecher der Aufständischen in der Stadt hatte erklärt, von der 14köpfigen Besatzung des einen Helikopters seien 12 verstorben, zwei schwer verletzt.
Was unter Ruhe und Normalität zu verstehen ist, deutete Milliardär Petro Poroschenko, der am 25. Mai die vorgezogene ukrainische Präsidentenwahl gewann, an. Die russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti berichtete am Donnerstag abend unter Berufung auf eine hochrangige Quelle in Kiew, Poroschenko habe noch am Wahltag mit US-Botschafter Geoffrey Pyatt den »Antiterroreinsatz« im Osten der Ukraine erörtert. Sofort nach den Konsultationen in der US-Botschaft habe er in einer Beratung mit leitenden Vertretern des Militärs und des Sicherheitsapparates ultimativ gefordert, die Gebiete Donezk und Lugansk vor seiner für den 7. Juni geplanten Amtseinführung zu »säubern«. Dabei sei als akzeptable Zahl von Toten die Ziffer 2000 genannt worden. Pyatt habe sich für aktivere Handlungen der Armee im Osten der Ukraine ausgesprochen. Für den Fall, daß die Zahl der Todesopfer zu hoch werde, habe der Botschafter versichert, daß die USA den »negativen Effekt abfedern und die internationale Reaktion werden herunterspielen können«.
*** Aus: junge Welt, Samstag, 31. Mai 2014
»Unter Poroschenko nimmt die Konfrontation noch zu«
In der Ukraine wird Jagd auf Linke und Andersdenkende gemacht. Kommunistischer Partei droht das Verbot. Ein Gespräch mit Petro Simonenko ****
Petro Simonenko ist Vorsitzender der Kommunistischen Partei der Ukraine, er war auf Einladung des Parteivorstandes der Linkspartei in Berlin.
Seit Sonntag hat die Ukraine einen neuen Präsidenten: Petro Poroschenko, ein milliardenschwerer Schokoladenfabrikant. Was erwarten Sie von ihm?
Die Wahl fand unter solchen Bedingungen statt, daß sich nicht alle Regionen des Landes daran beteiligen konnten. Zum Beispiel der Donbass: Dort leben etwa sieben Millionen Menschen, sie erwirtschaften aber fast ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts. Oppositionsparteien wurden im Wahlkampf behindert, sogar körperlich angegriffen. In den von den Oligarchen beherrschten Zeitungen und Fernsehsendern wurden sie weitgehend ignoriert.
Wer erwartet hatte, daß diese Wahl zu einer Stabilisierung führt, liegt falsch. Im Gegenteil: Die Konfrontation nimmt unter Poroschenko noch zu, jeden Tag wird mehr Blut vergossen. Hinzu kommt, daß sich die soziale Lage der Menschen weiter verschlechtert. Immer mehr Leute verlieren ihren Job oder müssen auf ihre Löhne warten – während dessen wird aber alles teurer. Das ist das Ergebnis der Abmachungen, die die bisherige Regierung mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) sowie der EU getroffen hat.
Im Grund geht es in der Ukraine um den Kampf zwischen zwei Gruppen von Oligarchen, um die Macht also: Das sind auf der einen Seite diejenigen Milliardäre, die die »Partei der Regionen« unter Viktor Janukowitsch unterstützt haben – auf der anderen sind es diejenigen, die damals in der Opposition waren und jetzt an der Macht sind.
Als die Gruppe um Janukowitsch das Sagen hatte, hat sie wenig auf die Forderungen und Sorgen der Bürger im Westteil des Staates gehört. Die jetzigen Machthaber wiederum haben taube Ohren, was die Sorgen und Nöte der Bevölkerung im Osten angeht. Im Grunde genommen sind jetzt Kräfte an der Macht, die viel von Demokratie reden, aber hinter dem Rücken die Maschinenpistole und den Baseballknüppel bereithalten.
Wie auf der Krim fordern auch die Bürger im Osten, daß die russische Sprache amtlich anerkannt wird und daß sie die Möglichkeit haben, in Referenden über ihre eigene Zukunft, also auch über eine Föderalisierung, zu entscheiden. Wir Kommunisten haben von Anfang an auf eine Lösung hingearbeitet und gefordert, daß die Kämpfe eingestellt werden und daß sich die Regierung mit allen politischen Kräften an den Verhandlungstisch setzt.
Auch wenn die Kämpfe inzwischen immer erbitterter werden – was wäre aus Ihrer Sicht zu tun?
Deesekalierung ist nötig, als erstes muß die Staatsmacht die Soldaten in die Kasernen zurückbeordern. Dann müssen Verhandlungen über alle offenen Fragen beginnen. Der zweite Schritt wäre, daß das Parlament unverzüglich Verfassungsänderungen in Angriff nimmt: Übergang zu einer parlamentarisch-präsidialen Republik, Dezentralisierung der Macht, konsequenter Kampf gegen die Korruption. Letzteres gilt vor allem für das Justizwesen; wir haben unter anderem vorgeschlagen, die Wählbarkeit der Richter einzuführen.
Weiter schlagen wir vor, daß die Ukraine ein föderaler Staat wird, in dem die Bevölkerung aller Landesteile das Recht erhält, über alle wichtigen Fragen per Volksbefragung zu entscheiden. Die Probleme der Ukraine müssen letztlich in Kiew entschieden werden - nicht in Washington. Brüssel oder Moskau.
Die Faschisten machen in der Ukraine Jagd auf Linke und andere Andersdenkende, in Odessa wurden am 2. Mai im Gewerkschaftshaus mehrere Dutzend Menschen ermordert. Wie ist das Leben für Sie in Kiew: Können Sie eigentlich noch auf die Straße gehen, ohne Gefahr für Leib und Leben zu verlaufen?
Es wäre lebensgefährlich, wenn ich mich z.B. in Kiew öffentlich zeigen würde. Lassen Sie mich eine Episode aus dem Wahlkampf schildern: Als ich nach der TV-Debatte, in der ich meinen Rückzug von der Kandidatur bekanntgab, den Sender verlassen wollte, pöbelte mich zunächst eine Gruppe junger Männer an. Als ich mit meinen drei Begleitern in einem Privatwagen vom Hof fahren wollte, waren plötzlich alle Ausfahrten von anderen Fahrzeugen blockiert. Schließlich fanden wir doch ein Schlupfloch – wurden anschließend aber wie in einem TV-Krimi von anderen Autos gejagt. Mitten im Verkehr stellte sich plötzlich vor uns ein Auto quer, Vermummte stiegen aus und demolierten unseren Wagen mit Baseballschlägern. Dabei ging auch die Heckscheibe zu Bruch. Es gelang, unser Fahrzeug wieder in Gang zu bringen, als wir losfuhren, warfen sie uns einen Molotowcocktail nach. Er fiel glücklichweise durch die zerstörte Heckscheibe auf das Polster, wir konnten ihn wieder herauswerfen.
Die KPU hatte bei der vorletzten Wahl 13 Prozent der Stimmen bekommen. Warum hat Ihre Partei die Kandidatur jetzt zurückgezogen?
Daß wir persönlich gefährdet sind, war nicht ausschlaggebend. Vor allem deswegen, weil im Lande Krieg herrscht und weil gegen Teile der Bevölkerung und Andersdenkende Terror ausgeübt wird. Die Pressezensur verhindert auch, daß wir unsere Auffassungen der Öffentlichkeit unterbreiten können. Das waren keine Voraussetzungen, um einen effektiven Wahlkampf führen zu können.
Auf unserem letzten Parteitag haben wir beschlossen, die solidarische Zusammenarbeit mit allen demokratischen und antifaschistischen Kräften des Landes auszubauen. Nicht nur Kommunisten, auch andere Linke werden physisch angegriffen, auch ihre Büros und Trefforte werden verwüstet. Wir sind solidarisch mit allen, die von Faschisten angegriffen werden. Leider sind diese ultrarechten Kräfte international hoffähig geworden, nicht zuletzt dadurch, daß der deutsche Außenminister Frank Walter Steinmeier (SPD) gemeinsam mit dem Oberfaschisten von Swoboda aufgetreten ist. Allerdings habe ich den Eindruck, daß die deutsche Bundesregierung allmählich ein wenig Angst davor bekommt, worauf sie sich eingelassen hat.
Die Partei Die Linke hat mich als Vorsitzenden der KPU bewußt als Zeichen der Solidarität eingeladen. Das ist ein klares Signal gegen alle Bestrebungen der Machthaber in Kiew, meine Partei zu verbieten.
Das hatte der »Interimspräsident« Alexander Turtschinow gefordert – wie ist der Stand seiner Bemühungen?
Der Justizminister hatte den Geheimdienst beauftragt, nach Beweisen zu suchen, mit denen das Verbot g erichtlich begründet werden kann. Herausgekommen ist bislang eine »Materialsammlung« in der u. a. behauptet wird, ich habe als Redner bei einer Kundgebung in Donezk separatistische Forderungen vertreten. Dummerweise bin ich aber seit Monaten nicht mehr in dieser Stadt gewesen.
Unsere Partei ist übrigens schon einmal verboten worden, und zwar 1991. Es hat zehn Jahre gedauert, bis das Verfassungsgericht der Ukraine dieses Verbot schließlich aufhob.
Warum hat die KPU eigentlich die Regierung von Wiktor Janukowitsch unterstützt? Es hat sich herausgestellt, daß er der wohl Übelste aller Oligarchen ist ...
Das Parlament in Kiew hat 450 Abgeordnete, wir stellen 32. Die überwiegende Zahl aller Parlamentarier vertritt die Interessen des oligarischen Großkapitals, das – je nach Interessenslage – ständig auf der Suche nach neuen Bündnismöglichkeiten ist. Das geht so weit, daß die jetzt herrschende Koalition unter maßgeblicher Beteiligung von Kräften aus der zuvor bekämpften »Partei der Regionen« zustande gekommen ist. Das illustriert ein wenig, unter welchen Bedingungen meine Fraktion in diesem Parlament arbeitet.
Daß wir die Regierung von Janukowitsch unterstützt haben, ist wohl der Hauptvorwurf gegen meine Partei.
Dazu sage ich nur, daß wir immer unsere Wahlversprechen gehalten haben. Wir haben nur für solche Gesetzentwürfe gestimmt, die im Interesse der Lohnabhängigen sind – gleich, welche Partei sie eingebracht hat.
Einer unserer Mitarbeiter hat das Abstimmungsverhalten aller Fraktionen analysiert: Es gab in der vergangenen Legislaturperiode insgesamt etwa 1600 Abstimmungen über Gesetzesentwürfe. Dabei hat die KPU seltener mit der »Partei der Regionen« gestimmt als alle anderen Kräfte der damaligen Opposition.
Heute sind diese Kräfte an der Macht und sagen sich von all unseren Vorschlägen los, die sie drei Monate zuvor noch populistisch unterstützt hatten: Reform der Renten und des Gesundheitswesens etwa oder die Deckelung der Preise für Medikamente und Dienstleistungen.
Interview: Peter Wolter
**** Aus: junge Welt, Samstag, 31. Mai 2014
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