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Verwestlichung der Armee

Ukraine: Auf Kiewer Seite kämpfen rund 1.000 Ausländer. NATO-Ausbilder eingetroffen

Von Reinhard Lauterbach *

Während der ukrainische Bürgerkrieg ins zweite Jahr geht, wächst auch das militärische Engagement westlicher Staaten auf Kiewer Seite. Das deutlichste Zeichen dafür ist die Ankunft von rund 300 US-Soldaten auf dem westukrainischen Truppenübungsplatz Jaworiw nahe der polnisch-ukrainischen Grenze in der vergangenen Woche.

Die US-Fallschirmjäger haben die Aufgabe, in den nächsten neun Monaten drei Abteilungen der ukrainischen Nationalgarde im Umgang mit westlicher Ausrüstung und im Straßenkampf zu trainieren. Das Programm hat offiziell am Montag begonnen. Insgesamt werden, wenn es vorbei ist, knapp 1.000 Nationalgardisten militärischen Schliff nach amerikanischem Muster erhalten haben. Die Nationalgarde setzt sich personell im Kern aus Angehörigen der »Maidan-Selbstverteidigung« zusammen. Washington trainiert hier also explizite Faschisten.

Die US-Soldaten in Jaworiw sind nicht die einzigen westlichen Instrukteure der ukrainischen Streitkräfte. Schon seit einiger Zeit bilden in Mykolajiw an der Schwarzmeerküste Briten ukrainische Soldaten aus. Die kanadische Regierung will im Sommer ebenfalls 200 ihrer Militärs in die Ukraine schicken, um in Jaworiw und in einem Zentrum für Minenräumung in Kamenez-Podolsk das Kiewer Militär auf Vordermann zu bringen.

Mit informeller, vor allem finanzieller, Unterstützung der USA sind in den faschistischen Freiwilligenbataillonen auch Ausbilder aus Georgien und Israel am Werk. Israel hat vor einigen Tagen gedroht, seine Militärhilfe für die Ukraine zu verstärken, falls Russland seine Absicht wahrmacht, moderne Luftabwehrraketen des Typs »S-300« an den Iran zu liefern. Die zumindest informelle Zusammenarbeit zwischen Israel und der Maidan-Ukraine ist nicht neu. Schon auf dem Maidan wehten auch israelische Fahnen, und die Stellung Israels als prowestlicher Frontstaat in einer strategisch »heißen« Region ist namentlich für die »Volksfront« von Ministerpräsident Arseni Jazenjuk ein Vorbild für die politische Zukunft des Landes. Die Ausbildung der ukrainischen Armee durch NATO-Soldaten dient zwei Zielen: Zum einen soll die Umstellung der Kiewer Streitkräfte auf westliche Standards beschleunigt werden. Zum anderen hat in den vergangenen Monaten eine Säuberung des ukrainischen Offizierskorps stattgefunden. Dessen nicht ungeteilte Loyalität gegenüber der neuen politischen Führung war in den ersten Monaten des Krieges von Kiewer Seite mehrfach beklagt worden.

Unlängst veröffentlichte das ukrainische Verteidigungsministerium eine Meldung, wonach 70 Prozent der Offiziere Lügendetektortests erfolgreich durchlaufen hätten. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass offenbar 30 Prozent wegen unterstellter prorussischer Sympathien entlassen worden sind. An ihre Stelle treten jetzt Leute ohne militärische Vorbildung, aber mit entsprechender politischer Gesinnung. Diese ist zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für eine schlagkräftige Armee. Den Zufluss Unqualifizierter beschleunigt die derzeitige Wirtschaftskrise, denn Armee und Polizei sind die einzigen Institutionen mit Personalbedarf.

Schon seit dem Beginn des ukrainischen Bürgerkriegs hatten sich in die proukrainischen Freiwilligenbataillone auch Ausländer eingereiht. Ihre Zahl wird gegenwärtig auf etwa 1.000 geschätzt. Die größten Kontingente stammen offenbar aus Tschetschenien, Aserbaidschan und Georgien.

Die Russlandfeinde aus der ehemaligen Sowjetunion stellen dabei für Kiew ein gewisses Hindernis für die politisch gewollte Integration der Bataillone in die Armee dar. Denn laut Verfassung dürfen in den ukrainischen Streitkräften nur ukrainische Staatsbürger dienen. Gegen die summarische Verleihung der Staatsbürgerschaft an alle ausländischen Kämpfer gibt es in Teilen der Kiewer Politik Widerstand. Es ist halt etwas anderes, eine US-Bankerin mit ukrainischen Wurzeln schnell einzubürgern und zur Finanzministerin zu machen, als die »ukrainische Nation« um Desperados aus dem Kaukasus zu bereichern. Bleiben diese Männer aber außerhalb der Armee, gelten sie als »illegale bewaffnete Kämpfer« und müssten laut Minsker Abkommen entlassen werden.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 22. April 2015


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