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Nach dem Absturz der Passagiermaschine über der Ostukraine: Die Russen sind's gewesen - Wer sonst?

Manchen ist schon alles klar - andere zweifeln und warnen. Offizielle Statements aus Washington, Brüssel und Berlin - Pressestimmen - und ein Kommentar von Kai Ehlers


Nicht spekulieren, sondern untersuchen!

Zum Absturz der Boeing 777 im ukrainischen Bürgerkriegsgebiet – ein Kommentar von Kai Ehlers *

Die Fakten sind bereits rund um die Welt gegangen. Das kann hier kurz gehalten werden. Im Bürgerkriegsgebiet der Ukraine ist eine Boeing aus 10-000 Meter Höhe abgestürzt. Alle 298 an Bord befindlichen Menschen sind tot. Die Ursache des Absturzes ist bisher unbekannt. Gegenseitige Beschuldigungen über einen vermuteten Abschuss der Maschine seitens der einen oder der anderen der kriegführenden Parteien in der Ukraine und sonstige wilde Spekulationen schießen ins Kraut, bevor noch irgendwelche Fakten aus dem Flugschreiber ausgewertet werden konnten. Der ukrainische Präsident Poroschenko sprach sofort von einem terroristischen Anschlag. Kiewer Regierungsmitglieder beschuldigen die Separatisten, diese weisen die Vorwürfe von sich und geben sie zurück an die Kiewer Regierung. Von amerikanischer Seite melden sich Stimmen, die einen Abschuss durch russisches Militär vermuten. Von russischer Seite wird dies als absurd zurückgewiesen.

Dies alles geschieht ohne reale Fakten. Ich möchte mich an diesen Spekulationen nicht beteiligen. Ich halte es für sinnlos, das ohnehin schon vergiftete Klima zwischen den Bürgerkriegsparteien in der Ukraine, ebenso wie in den internationalen Beziehungen durch Spekulationen ohne reale Basis weiter anzuheizen.

Was die Ukrainische Bevölkerung braucht, um zu einem Ende des Bürgerkriegs zu kommen, was die Welt braucht, um den Propagandakrieg um die Ukraine nicht noch weiter zu verschärfen, sind Tatsachen zu dem Unglück, die letztlich allein aus einer Untersuchung des Flugschreibers gewonnen werden können.

Zu fordern ist daher eine Untersuchung des Flugschreibers durch eine neutrale Organisation, durch eine Gruppe der OSZE, vielleicht auch der Vereinten Nationen. Keinesfalls darf der Flugschreiber von einer der Konfliktparteien allein ausgewertet werden, weder von den Donezker Aufständischen, noch von der Kiewer Regierung, noch durch russische oder amerikanische Spezialisten, auch nicht durch solche der Europäischen Union, kurz durch keine der an den Konflikten in der Ukraine direkt oder indirekt beteiligten Kräfte.

Ich fordere Leserinnen und Leser hiermit auf sich ihren Möglichkeiten nach dafür einzusetzen, dass unsere Regierung eine solche neutrale Untersuchung fordert. Ein entsprechender Antrag im Parlament dürfte angebracht sein.

* Quelle: Website des Autors: www.kai-ehlers.de


Die Russen sind verantwortlich

Offizielle Äußerungen aus Washington, Brüssel und Berlin, aber auch die Leitartikel und Kommentare der führenden deutschen Zeitungen lassen keinen Zweifel daran, dass der Absturz der Passagiermaschine auf das Konto Russlands geht - wenn nicht direkt, dann eben indirekt. Im Folgenden das Statement des Sprechers des Weißem Hauses, die Erklärung des NATO-Generalsekretärs und die Pressemitteilung der Bundesregierung. Im Anschluss daran noch ein paar Pressestimmen (im Kasten).

Statement by the Press Secretary on Malaysian Airlines Flight 17

The United States is shocked by the downing of Malaysian Airlines Flight 17, and we offer our deep condolences to all those who lost loved ones on board. We continue to seek information to determine whether there were any American citizens on board.

It is critical that there be a full, credible, and unimpeded international investigation as quickly as possible. We urge all concerned – Russia, the pro-Russian separatists, and Ukraine – to support an immediate cease-fire in order to ensure safe and unfettered access to the crash site for international investigators and in order to facilitate the recovery of remains. The role of international organizations – such as the United Nations and the OSCE in Ukraine – may be particularly relevant for this effort, and we will be in touch with affected nations and our partners in these organizations in the coming hours and days to determine the best path forward. In the meantime, it is vital that no evidence be tampered with in any way and that all potential evidence and remains at the crash site are undisturbed. The United States remains prepared to contribute immediate assistance to any international investigation, including through resources provided by the NTSB and the FBI.

While we do not yet have all the facts, we do know that this incident occurred in the context of a crisis in Ukraine that is fueled by Russian support for the separatists, including through arms, materiel, and training. This incident only highlights the urgency with which we continue to urge Russia to immediately take concrete steps to de-escalate the situation in Ukraine and to support a sustainable cease-fire and path toward peace that the Ukrainian government has consistently put forward.

July 17, 2014; http://www.whitehouse.gov


Ukraine-Krise: Russland muss Beitrag für Frieden leisten

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 18. Juli 2014

Im Konflikt in der Ostukraine hat Bundeskanzlerin Merkel eine politische Lösung angemahnt. Russland sei in der Verantwortung, hier seinen Beitrag zu leisten, sagte Merkel in Berlin. Mit Blick auf den Absturz eines Flugzeuges der Malaysian Airlines forderte sie eine unabhängige Untersuchung.

In ihrer Pressekonferenz vor der Sommerpause drückte Bundeskanzlerin Angela Merkel den Niederlanden ihr Beileid aus. Man sei in Gedanken bei den Opfern. Indizien deuteten auf einen möglichen Abschuss des Flugzeuges hin.

Die Bundeskanzlerin hatte sich schon gestern erschüttert über die Tragödie gezeigt, die sich im Osten der Ukraine ereignet hatte. Sie trauere um die Opfer des Absturzes, ihr Mitgefühl gelte den Angehörigen. Schockierend seien die mutmaßlichen Umstände, wonach das Flugzeug aus großer Höhe abgeschossen worden sein soll. Dies würde eine weitere, tragische Eskalation des Konfliktes im Osten der Ukraine darstellen.

Bemühungen um Deeskalation

Merkel betonte in der Pressekonferenz, dass eine politische Lösung im Ukraine-Konflikt angestrebt werden müsse. Voraussetzung einer Deeskalation bleibe ein beiderseitiger Waffenstillstand. Die Bundeskanzlerin betonte, dass es keine Alternative zu diesem Weg gebe.

Die Geste des guten Willens, der einseitig ausgerufene Waffenstillstand durch Präsident Petro Poroschenko, sei nicht gewürdigt worden. Mit dem jüngsten Europäischen Rat in Brüssel hätten die Sanktionen gegenüber Russland eine neue Qualität erhalten. Nun könnten auch Unternehmen gelistet werden, die in Beziehung zu den Vorgängen auf der Krim und der Destabilisierung des Landes stünden.

Erweiterung des Sanktionsregimes

Der Europäische Rat hatte am Mittwoch neue Sanktionen gegen Russland beschlossen. Es sei bedauerlich, dass solche substanziellen Maßnahmen ergriffen werden müssten, so die Bundeskanzlerin nach den Beratungen in Brüssel. Russland hätte die gestellten Erwartungen nicht erfüllt. Mit Blick auf die Beschlüsse, die beim letzten Rat gefasst worden seien, sei man jetzt genötigt zu sagen: "Die Erwartungen, die der ukrainische Präsident an seinen einseitigen Waffenstillstand gerichtet hat, sind in keiner Weise erfüllt worden."

EU-Beschlüsse zum weiteren Vorgehen

Die EU wolle zunächst die sogenannten Listungskriterien auf Unternehmen erweitern, die die Souveränität, die territoriale Integrität und die Unabhängigkeit der Ukraine bedrohen oder unterlaufen. Bisher war dies nur für Personen möglich. Eine spezifische Listung solle bis Ende Juli vorbereitet werden, so Merkel. "Wir haben außerdem den Rat gebeten, die Listung solcher Personen und Richtungen zu prüfen, die die russischen Verantwortlichen für die Annexion der Krim oder die Destabilisierung der Ostukraine materiell oder finanziell unterstützen."

Dann wolle man die finanzielle Unterstützung der Europäischen Union für Russland beschränken, wenn es um die Fragen der europäischen Nachbarschaftspolitik gehe. Jedes neue Projekt im Rahmen der EU-Russland-Kooperation solle mit dem Ziel der Suspendierung überprüft werden. "Es sind nur solche Projekte ausgenommen, die auch wirklich zivilgesellschaftlichen Gruppen zugute kommen", sagte Merkel.

Der dritte Bereich betreffe die Förderung von Projekten in Russland durch die Förderbanken "Europäische Investitionsbank" und "Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung". Man habe gebeten, dass keine neuen Projekte für Russland zu finanzieren seien. Bedauern über Maßnahmen Die EU sei enttäuscht, und es sei bedauerlich, dass solche substanziellen Maßnahmen gegenüber Russland ergriffen werden müssten, so Merkel. Aber: "Seit dem Besuch von Präsident Poroschenko und seinen Erwartungen im Blick auf einen einseitigen Waffenstillsand, den er verkündet hat, ist leider viel zu wenig passiert."


NATO Secretary General statement on the crash of Malaysia Airlines aircraft

I am profoundly shocked and saddened by the crash of a Malaysia Airlines passenger aircraft in Ukraine today, with the loss of many lives.

I offer my sincerest condolences to the families and the loved ones of the victims and to all those touched by this terrible tragedy.

Much is unclear about the circumstances of the crash. However the instability in the region, caused by Russian-backed separatists, has created an increasingly dangerous situation.

It is important that a full international investigation be launched immediately, without any hindrance, to establish the facts and that those who may be responsible are swiftly brought to justice.

Thursday, 17 July 2014, Press Release (2014) 111


Presseschau zum Flugzeugabsturz in der Ukraine **

Dazu titelt die Washington Post:
"'Das russische Märchen ist zu Ende'. Bevor über den Flugzeugabsturz diskutiert oder debattiert wird, muss eines klargestellt werden: Der Flugzeugabsturz ist das Ergebnis der russischen Invasion in die Ukraine - eine Mission, die einzig mit dem Ziel verfolgt wurde, politisches und militärisches Chaos anzurichten. Ohne dieses Chaos, wäre die Rakete auf das Flugzeug niemals abgeschossen worden",
schreibt die Washington Post aus den USA.


"Nach dem Unglück hat Putin die Flucht nach vorne angetreten", stellt der TAGESZEIGER aus der Schweiz fest.
"Würde in der Ukraine Frieden herrschen, wäre die Tragödie nicht passiert, kommentierte der Kreml-Chef das Unglück. Die Verantwortung trage 'zweifellos' der Staat, auf dessen Territorium sich das alles ereignete. Das ist reichlich unverfroren. Denn es verdichten sich die Hinweise, dass die Maschine von prorussischen Separatisten abgeschossen wurde. Und die russische Politik trägt entscheidend Verantwortung für die Eskalation der Gewalt in der Ostukraine. Nach der Maidan-Revolution annektierte der Kreml erst die Krim und versuchte, auch im Gebiet um Donezk einen Volksaufstand anzuzetteln. Doch die Menschen vor Ort hatten erkennbar wenig Lust, sich vor einen russischen Karren spannen zu lassen. Also griffen die Separatisten zu gröberem Geschütz: Panzer, Artillerie – und eben: Flugabwehrraketen",
erklärt der TAGESANZEIGER aus Zürich.


"Für Putin ist der Flugzeugabsturz eine eine politische Katastrophe", findet die britische TIMES.
"Man kann sich schwer vorstellen, wie seine heimtückische Einmischung in der Ostukraine noch abscheulicher hätte schief gehen können. Wenn man Wörter wie gewinnen und verlieren in einem so makabren Kontext verwenden kann, dann gewinnt die Ukraine durch die Katastrophe. Russland verliert",
meint die TIMES aus London.


Die französische Zeitung LIBERATION äußert sich vorsichtiger:
"Auch wenn derzeit alle Indizien dafür sprechen, gibt es noch keinen endgültigen Beweis dafür, dass das Flugzeug der Malaysia Airlines von prorussischen Milizen abgeschossen wurde. Dennoch kann wohl kaum jemand die erdrückende Verantwortung von Wladimir Putin in dieser Angelegenheit bestreiten. Er scheint darauf zu setzen, dass sein aggressiver Nationalismus seine Popularität stärkt. Damit nährt der Bodybuilder aus Sankt Petersburg mit Gewalt seinen Traum von einem grandiosen eurasischen Reich - auf Kosten des Friedens in Europa. Wenn die demokratischen Staaten nicht reagieren, wird es noch viel mehr Opfer geben",
warnt die Zeitung LIBERATION aus Paris.


Die polnische GAZETA WYBORCZA glaubt nicht an das Eingreifen der EU:
"Die Europäische Union, die an Frieden und Ruhe gewöhnt ist, zeigt weder Entschlossenheit noch das Bewusstsein einer wachsenden Gefahr. Wieder einmal glaubt man daran, die Bestie durch Streicheleinheiten zähmen zu können. Die Blindheit und Passivität der europäischen Eliten aus Politik und Wirtschaft sind beunruhigend. Die Politik weiterer Zugeständnisse ist ein Weg ins Nichts",
befürchtet die GAZETA WYBORCZA aus Warschau.


Die slowakische Zeitung SME notiert:
"Der Abschuss eines Passagierflugzeugs voller unschuldiger Reisender hat den Krieg aus der Ukraine geradewegs nach Westeuropa verlagert. Es ist jetzt die Pflicht der Europäischen Union, effizient auf alle Konfliktparteien Druck auszuüben, aber vor allem den Kreml dazu zu bringen, dass er die Unterstützung für die Separatisten stoppt. Wenn die europäischen Spitzenpolitiker - selbst nach diesem Gewaltakt - nicht in der Lage sind, gemeinsam, rasant und entschieden vorzugehen, ist fraglich, ob überhaupt noch irgend etwas sie dazu bringen kann",
schreibt SME aus Bratislava.


Die niederländische Zeitung DE TELEGRAAF findet scharfe Worte:
"Obwohl vor allem unser Land von dieser Katastrophe betroffen ist, reagiert Ministerpräsident Mark Rutte zurückhaltend. Er sagt, es müssten erst alle Fakten ermittelt werden. Man fragt sich allerdings, was noch passieren muss, bevor die Regierung deutlich macht: Das lassen wir uns nicht gefallen! Die Niederlande sollten sehr wohl mit der Faust auf den Tisch hauen - gegen alle betroffenen Parteien, insbesondere Russland. Natürlich würde dies nicht dazu führen, dass sich die Täter reuevoll bekennen. Aber unsere Regierung muss der Welt zumindest zeigen, dass wir außerordentlich wütend sind. Schließlich ist hier die Rede von einem Terrorakt, von einem Kriegsverbrechen, von einem Massenmord",
betont DE TELEGRAAF aus Amsterdam.


Die chinesische Zeitung HUANQIU SHIBAO resümiert:
"Noch bevor die technischen Daten zur Unglücksursache vorgelegt wurden, beschuldigen sich Russland, die Ukraine und der Westen gegenseitig. Dies tun sie sicher aus dem von ihnen vertretenen politischen Standpunkt heraus. Doch davon einmal abgesehen: gäbe es keine politische Krise in der Ukraine, wäre so eine Tragödie wie der Flugzeugabsturz vermeidbar gewesen. Zunächst ist aber eine detaillierte Aufklärung nötig. Und noch wichtiger ist es, über die politische Lage in der Ukraine und darüber hinaus nachzudenken. Am selben Tag des Flugabsturzes hat israelische Armee ihre Bodenoffensive im Gazastreifen begonnen, um die Hamas zu bekämpfen. Wieder ist die Zivilbevölkerung einem Konflikt zum Opfer gefallen",
kritisiert HUANQIU SHIBAO aus Peking.

** Quelle: Deutschlandfunk, Presseschau vom 19.07.2014 (Auszug); www.deutschlandfunk.de




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