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Ehrung von ukrainischen Nazihelfern

Faschistische Svoboda-Partei gedenkt mit amtlicher Unterstützung Kollaborateuren

Von Frank Brendle, Lviv *

Nationalistische Vereinigungen in der Ukraine haben am Wochenende zahlreiche Veranstaltungen zur Ehrung der sogenannten Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA) durchgeführt, die am 14. Oktober 1942 gegründet worden war. Bereits am Freitag hatten sich in Kiew zwischen fünf- und zehntausend Nationalisten versammelt. Einem Aufruf linker Organisationen zu einer Gegenkundgebung folgten laut Kyiv Post nur ungefähr hundert Menschen.

Angeführt wurden die rechten Aufmärsche von der faschistischen Partei Svoboda. Diese ist besonders im west­ukrainischen Galizien stark verankert, wo die UPA bis in die 1950er Jahre hinein Terroranschläge gegen die sowjetische Staatsmacht verübt hatte. Svoboda gehört dort mit über 30 Prozent der Wählerstimmen zu den führenden Parteien. Allein in der 750000-Einwohner-Stadt Lviv (Lwow), die im kommenden Jahr Austragungsort der Fußball-EM sein wird, hat es seit Freitag drei Aufmärsche zur Ehrung der UPA gegeben. Stadt- und Regionalverwaltung versammelten sich zudem am Freitag zu einer Zeremonie am Grabmal des unbekannten UPA-Soldaten. Gesponsert vom örtlichen Svoboda-Ableger sowie dem Stadtparlament fanden zwei Tage lang Konzerte, Theaterstücke und ein Umzug in Uniformen der UPA statt. Konzertbesucher erhoben zur Parole »Ruhm der Ukraine und ihren Helden« mehrfach den rechten Arm zum »nationalen Gruß«. Zu einer Demonstration sogenannter Autonomer Nationalisten wurden am Sonntag nachmittag rund 3000 Teilnehmer erwartet.

Gemeinsames Vorbild der verschiedenen nationalistischen Kräfte ist Stepan Bandera, der vor und während des Zweiten Weltkrieges wichtigster Führer der Vereinigung Ukrainischer Nationalisten (OUN) war. Bandera hatte sich den Nazis nach dem Überfall auf die Sowjetunion als »natürlicher Verbündeter« angeboten. Trotz Spannungen mit den Deutschen richtete die UPA, der militärische Arm der Nationalisten, ihren Kampf fast ausschließlich gegen sowjetische Partisanen und die Rote Armee. Zudem ermordete sie knapp 90000 polnische Zivilisten und Tausende Juden. Im Mai 1944 schloß die UPA ein formelles Kooperationsabkommen mit dem Sicherheitsdienst der SS.

Dessen ungeachtet ist der positive Bezug auf diese Kräfte zumindest in der westlichen Ukraine salonfähig, wo Bandera als Kämpfer für eine unabhängige Ukraine wahrgenommen wird. UPA-Angehörige sind in Lviv regulären Veteranen der Sowjetarmee gleichgestellt und erhalten Sonderpensionen der Stadtverwaltung. In der Stadt wird zudem dieser Tage ein großes Bandera-Denkmal fertiggestellt; andere Orte Galiziens planen ebenfalls solche Monumente oder haben sie bereits errichtet. Der frühere Präsident Viktor Juschtschenko hatte Bandera gar zum »Nationalhelden« erklärt, die Entscheidung wurde allerdings später vom obersten Gericht kassiert.

Svoboda geht noch weiter: Auf Betreiben der Faschisten wurde vorige Woche in einer Kleinstadt in der Region Lviv eine Straße zu Ehren des Bataillons »Nachtigall« benannt. Darin waren Ukrainer im Dienste der Wehrmacht maßgeblich für die Ermordung von 4000 Juden in Lwow Anfang Juli 1941 verantwortlich. Ein Vertreter des russischen Außenministeriums sagte am vergangenen Donnerstag dem Fernsehsender RT, die Ehrung der faschistischen Mörder löse »Überraschung und Empörung« aus. Auch der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch sprach von einer beschämenden Entscheidung.

* Aus: junge Welt, 17. Oktober 2011


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