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Polen, Litauen und Ukraine wollen gemeinsame Armee

Von Ilja Kramnik *

Litauen, Polen und die Ukraine haben vor, eine gemeinsame Truppe - eine litauisch-polnisch-ukrainische Brigade (LitPolUkrBrig) - aufzustellen.

Nach Meinung von Experten soll die Teilnahme an einer gemeinsamen Truppe der Ukraine dazu verhelfen, ihre Streitkräfte den Nato-Standards anzunähern. Eine entsprechende Vereinbarung wurde bei Verhandlungen in Brüssel erzielt, an denen Valeri Iwaschtschenko, Interims- Verteidigungsminister der Ukraine, Rasa Jukneviciene, Verteidigungsministerin Litauens, und Stanislaw Komarowski, Staatssekretär des Verteidigungsministeriums von Polen, teilnahmen.

Gemeinsame Truppen kommen bei der militärischen Zusammenarbeit ziemlich häufig vor. Wenn von der Nato die Rede ist, wäre zum Beispiel die 1987 aufgestellte gemeinsame französisch-deutsche Brigade zu nennen. Ihr Aufbau wurde seinerzeit als Vorbote einer neuen Etappe der Zusammenarbeit in der Geschichte der Beziehungen zwischen diesen beiden Ländern verstanden, die als einstige Feinde später im Nachkriegseuropa zu den Partnern wurden.

1992 entstand ein europäisches Korps, eine Schnelle Eingreiftruppe, zu der Militärangehörige aus Frankreich, Deutschland, Spanien, Belgien und Luxemburg gehören. Gegenwärtig gilt dieser Verband als eine der Grundlagen für die eventuelle Schaffung einer Armee der Europäischen Union.

1999 wurde ein dänisch-deutsch-polnisches Korps aufgestellt, heute als multinationales Korps Nord-Ost (Multinational Corps Northeast) bekannt. Diesem Korps gehörten ursprünglich polnische, dänische und deutsche Formationen an, dann kamen auch die Soldaten aus den baltischen Staaten, Rumänien, Tschechien, der Slowakei, Slowenien und der USA hinzu. Aber den Grundstock bilden nach wie vor die Truppen der drei Gründerstaaten, und der Korpsstab befindet sich im polnischen Stettin.

In den zehn Jahren des Bestehens des Korps nahmen die Soldaten an diversen Übungen und Operationen, darunter der Nato-Operation in Afghanistan, teil.

Folglich haben die baltischen Militärs bereits Erfahrungen bei einer engen Zusammenarbeit mit den Polen. Auch die ukrainischen Militärs haben Erfahrungen bei der Zusammenarbeit in einigen Nato-Strukturen gesammelt, darunter beim Programm "Partnerschaft für den Frieden".

Außerdem gibt es ein Ende der 90er Jahre gebildetes Polnisch-Ukrainisches Bataillon der Friedenskräfte (PolUkrBat). Ihm gehören einzelne Einheiten der polnischen 14. Panzerbrigade und des ukrainischen 310. motorisierten Regiments an.

Die Bildung eines ständigen gemeinsamen Verbandes von der Stärke einer Brigade soll die Zusammenarbeit intensivieren und den ukrainischen Militärangehörigen die Möglichkeit geben, sich in die Kommandostabs-, taktische und logistische Nato-Kultur "einzuleben".

Es drängt sich jedoch die Frage nach den Zielen des gemeinsamen Verbandes und seinen strategischen Aufgaben auf. Das Gerede davon, die LitPolUkrBrig werde der Ukraine den Nato-Beitritt erleichtern, erscheint sinnlos: Der Beschluss über die Aufnahme eines neuen Mitglieds wird von allen Nato-Staaten einstimmig angenommen. Dabei lässt die Position von Deutschland, Italien und einigen anderen Mitgliedsstaaten der Allianz daran zweifeln, dass sich die Ukraine dem Nordatlantikpakt bald anschließen könnte.

Zugleich sei erwähnt, dass eine nicht unwichtige Forderung an die Anwärter auf die Nato-Mitgliedschaft die Modernisierung ihrer Streitkräfte nach Nato-Standards ist. In dieser Hinsicht kann die Ukraine, die gegenwärtig eine tiefe ökonomische und politische Krise durchmacht, bislang nichts Hervorragendes vorweisen. Die Teilnahme ukrainischer Soldaten an der neuen Brigade wird an dieser Situation nichts ändern.

Auch die Aktivierung Polens, Litauens und der Ukraine in den Friedenstruppen ist wohl kaum das Ziel der geplanten Brigade: Angesichts der Situation in diesen Ländern ist von ihnen kaum zu erwarten, dass sie ihre Teilnahme an internationalen Operationen jetzt ausbauen würden.

Dennoch hat die LitPolUkrBrig ein politisches Ziel. Es geht darum, ein den westeuropäischen Projekten alternatives Zentrum der militärischen Konsolidierung zu schaffen, in welches die heute nicht zur Nato gehörenden ehemaligen sowjetischen Republiken (vor allem die Ukraine) eingeführt werden könnten. Angesichts des Einflusses der USA auf Polen und das Baltikum steht eindeutig fest, wer diesen Prozess kontrollieren wird.

Mit der Schaffung dieser Truppe können die USA ihren Einfluss in Osteuropa beibehalten und festigen, selbst wenn die westeuropäischen Staaten eine EU-Armee aufstellen, die die Rolle der USA in der Nato sicherlich schmälern wird.

Zudem fügt sich die Bildung eines solchen Verbands in die Strategie der Schaffung eines "Cordon Sanitaire" aus einigen osteuropäischen Staaten und ehemaligen UdSSR-Republiken ein, denn er wird die gegenseitige Annäherung und die Zusammenarbeit zwischen Russland und Westeuropa erschweren.

Der Ausgangspunkt der gesamten Strategie war die Abwehr der kommunistischen Ideen, während die Bestimmung der heutigen äußerst nebulös erscheint.

Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die Mitteilung, dass die Vereinbarungen zwischen Polen, Litauen und der Ukraine den anderen Staaten offen stünden.

Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

* Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 18. November 2009



Experte: Ukraine bekommt statt Beitritt Nato-Surrogat **

Die von Warschau, Vilnius und Kiew jüngst besiegelte Aufstellung einer gemeinsamen Militärbrigade betrachtet der russische Auslands-Experte Fjodor Lukjanow als „Surrogat“ für den Nato-Beitritt der Ukraine.

Der Nato-Beitritt postsowjetischer Länder wie Georgien und die Ukraine sei auf die lange Bank geschoben. Die Europäer und Amerikaner würden deshalb andere Optionen suchen, um zu beweisen, dass sie diese Länder doch integrieren wollen, sagte Lukjanow, Chefredakteur des renommierten Magazins „Russia in Global Affairs“, am Dienstag (17. Nov.) der Agentur RIA Novosti.

„Diese Brigade ist ein gewisser Versuch zu sagen: Wir können euch zwar nicht in die Nato aufnehmen, haben euch jedoch nicht vergessen“, hieß es. Das sei ein „Surrogat“ - genauso wie die Ost-Partnerschaft ein „Surrogat der EU-Mitgliedschaft“ sei.

Polen, Litauen und die Ukraine haben in Brüssel ein Abkommen über die Aufstellung einer gemeinsamen Brigade für internationale Friedenseinsätze unterzeichnet, berichtete die Onlinezeitung Gazeta.Ru am Dienstag. Laut dem polnischen Verteidigungsminister Bogdan Klich zielt die Initiative darauf ab, die Kooperation mit der Ukraine zu vertiefen. Die Brigade soll ab 2013 einsatzbereit sein und an UN-, Nato- und EU-Friedenseinsätzen teilnehmen dürfen.

** Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 17. November 2009

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