Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Ukraine: Georgien-Krise entzweit Regierungsbündnis

Der Bruch der Regierungskoalition in der Ukraine war vorauszusehen, schon nachdem sich Juschtschenko und Timoschenko auf ein Bündnis geeinigt hatten

Von Vitali Portnikow *

Der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko selbst sah die Schwierigkeiten kommen, doch rechnete er nicht damit, dass seine größte politische Rivalin, Julia Timoschenko, bei den letzten Parlamentswahlen so triumphieren würde. Juschtschenko ging davon aus, dass bei den vorgezogenen Parlamentswahlen eine Koalition zwischen Unsere Ukraine - Selbstverteidigung des Volkes und der ukrainischen Partei der Regionen entstehen würde. Allein wegen der Tatsache, so dachte sich der Präsident, weil keine andere Mehrheit abzusehen war. Eine solche eigenartige politische Konstellation könnte man mit Interessen der politischen Stabilität rechtfertigen. Doch alles kam anders, erfolgreiches Abschneiden Julia Timoschenkos stellte die ganze Situation auf den Kopf.

Juschtschenko versuchte der stolzen Siegerin vorzuschlagen, quasi eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden, womit er den möglichen Einzug der Partei der Regionen in die Regierung ins Auge gefasst hatte. Doch Timoschenko zeigte kein Interesse an diese Regierungszusammensetzung. Juschtschenko wagte den Schachzug nicht mangels Unterstützung aus den eigenen Reihen. Die Partei Selbsverteidugung des Volkes schwor der neuen Regierungschefin sofort nach den Wahlen die Treue.

Deswegen gab es zur Regierungskoalition zwischen der Juschtschenkos Partei Unsere Ukraine - Selbsverteidigung des Volkes und dem Timoschenko-Block keine Alternative. Das Hauptziel Timoschenkos war es, vorsorglich einen möglichen Konkurrenten bei der kommenden Präsidentschaftswahl aus dem Weg zu räumen. Dasselbe Ziel hatte auch Juschtschenko vor Augen, der seiner Konkurrentin eins auswischen oder ins Abseits stellen wollte. Es wäre ein Wunder gewesen, hätten die Konfliktparteien es geschafft, eine funktionsfähige Regierung aufzustellen.

Jetzt ist klar, warum die Monate mit Timoschenko als Regierungschefin im Zeichen einer offenen Konfrontation standen. Diese Konfrontation könnte auch zu Beginn der neuen politischen Saison andauern, aber möglicherweise zum ersten Mal in der neuesten ukrainischen politischen Geschichte mischte sich der persönliche Faktor ein.

Der Konflikt zwischen Russland und Georgien zwang die ukrainischen Politiker sozusagen dazu, Farbe zu bekennen. Juschtschenko sprach sofort Klartext und folgte den gegenüber Russland kritisch gesinnten osteuropäischen Staatspräsidenten. Der Vorsitzende der prorussischen Partei der Regionen, Viktor Janukowitsch, rief dazu auf, die Unabhängigkeit von Südossetien und Abchasien anzuerkennen. Timoschenko versuchte, wenigstens äußerlich neutral zu bleiben. Sie teilte die Position der EU und verkündete, dass neue Konflikte im postsowjetischen Raum per se unzulässig seien.

Die entgegengesetzten Standpunkte von Juschtschenko und Janukowitsch haben ein Bündnis zwischen dem Präsidenten und der Partei der Regionen unmöglich gemacht, was unweigerlich Janukowitsch und Timoschenko näher brachte. Auf Seite des Präsidenten wurden danach drastische Maßnahmen ergriffen und Timoschenko sogar des Landesverrats bezichtigt. Der ukrainische Sicherheitsdienst leitete sogar ein Strafverfahren ein, um den Verrat zu beweisen.

Alles weitere kinderleicht umzusetzen: Janukowitsch und Timoschenko werden in der näheren Zukunft zueinander halten, um Juschtschenko endgültig loszuwerden. Sollte die heutige Regierungskoalition endgültig platzen und es erneut zu vorgezogenen Parlamentswahlen kommen, würde das bei Janukowitsch und Timoschenko kaum Kopfschmerzen verursachen.

Die Neuwalen würden ihre Parteien nur stärken und Unsere Ukraine wahrscheinlich den Einzug ins Parlament verpassen. Die kommenden Parlamentswahlen könnten dann den Weg zu neuen Präsidentschaftswahlen ebnen, die dann eine Antwort auf die Frage geben könnte, wer in der Ukraine das Sagen hat.

* Vitali Portnikow ist Kommentator bei Radio Liberty

Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 4. September 2008;
http://de.rian.ru



Zurück zur Ukraine-Seite

Zur Russland-Seite

Zur Georgien-Seite

Zurück zur Homepage