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Droht neuer Gaskrieg zwischen Russland und der Ukraine?

Von Oleg Mitjajew *

Das Jahr 2009 ist nicht mehr weit. Und in den Beziehungen zwischen der Ukraine und Russland stehen die Zeichen auf einen neuen Gaskrieg.

Dabei geht es um die Unterzeichnung eines neuen Gas-Liefervertrages zwischen Moskau und Kiew. Bedauerlicherweise ereignen sich solche Gaskriege zwischen den beiden Ländern regelmäßig. Und doch haben die Seiten allem Anschein nach nichts daraus gelernt. Diesmal bilden die Schulden der Ukraine für das ihr im Jahre 2008 gelieferte Gas den Stolperstein.

Jeder hat seine Trümpfe

Das zentrale Problem, das die Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine belastet, besteht darin, dass die rein wirtschaftlichen Faktoren durch die politischen Wirrungen noch unnötig erschwert werden. Die Gaskonflikte dauern bereits etliche Jahre und die Seiten haben schon genug Möglichkeiten gehabt, um ihre Trümpfe auszuspielen.

So verkauft der russische Staatskonzern Gazprom der Ukraine kein russisches, sondern zentralasiatisches Gas, in erster Linie Gas aus Turkmenien, und zwar mit einem Aufpreis. Dieser Aufpreis enthält sowohl die Transitkosten als auch die kommerzielle Komponente, sprich die Marge.

Dafür, das diese Marge tatsächlich existiert, spricht die Tatsache, dass all diese Jahre Russland hartnäckig an seinem Zwischenhändler, an der in der Schweiz registrierten Firma RosUkrEnergo, festhält. Exakt vor der ukrainischen Grenze (so sieht es wenigstens auf dem Papier aus) verkauft Gazprom das in Turkmenien eingekaufte Gas an RosUkrEnergo, die ihrerseits das Gas in die Ukraine weiterleitet. 2008 kosteten 1000 Kubikmeter Gas für die Ukraine 179,5 US-Dollar (bei einem durchschnittlichen Aufpreis von 40 US-Dollar).

So gesehen ist das Gerede davon, dass Russland mit seinem günstigen Gas die ukrainische Wirtschaft subventioniert, milde ausgedruckt, „übertrieben“. Dank dieser Preisformel konnte Gazprom sehr gut verdienen, und zwar ununterbrochen seit Anfang der 90er Jahre. Dazu kommt noch der Umstand, dass Gazprom sich als alleiniger Abnehmer des zentralasiatischen Gases in Europa positionieren konnte. Gasprom kaufte dieses Gas komplett auf und lieferte es danach in die GUS-Länder.

Natürlich hat die Ukraine auch Vorteile gehabt. Sie konnte den „Blauen Brennstoff“ viel günstiger beziehen, als die westeuropäischen Gazprom-Partner sowie die anderen GUS-Länder. In der Tat, Gazprom nutzt seine fast beherrschende Stellung auf dem Gasmarkt der GUS-Länder. Wahr ist aber auch, dass die Ukraine als Transitland ebenfalls kräftig profitieren konnte, denn die meisten Pipelines, durch die russisches Gas nach Westeuropa fliesst, verlaufen durch ukrainisches Territorium. Dieses Transitgas macht 75 bis 80 Prozent aller Gazprom-Lieferungen in die Länder Westeuropas aus. Im Falle eines Falles könnte die Ukraine die Transitpreise kräftig nach oben korrigieren.

Was geschah im Jahre 2008?

2008 hat sich die Lage auf dem internationalen Energiemarkt komplett geändert. Zu Jahresanfang haben die Erdölpreise die 100 US-Dollar Marke durchbrochen und erreichten im Juni einen absoluten Höhepunkt. Für ein Fass Öl zahlte man damals mehr als 147 US-Dollar. Die Preise für das in Westeuropa verkaufte Gas, die an die Erdölpreise gekoppelt waren, kletterten unerbittlich nach oben.

Unter diesen Umständen waren die zentralasiatischen Länder nicht mehr bereit, ihr Gas zu Schleuderpreisen an Gazprom zu verkaufen. Der russische Gasmonopolist sah sich dazu gezwungen, diesen Ländern zu versprechen, bei ihnen Gas zu einem Preis von 300 US-Dollar je Tausend Kubikmeter zu beziehen. Dabei rechnete Gazprom selbst damit, die hohe Konjunktur auf dem Markt ausnutzen zu können und dieses Gas weiter nach Europa zu einem Preis von 500 bis 600 US-Dollar je Tausend Kubikmeter verkaufen zu können.

Die Ukraine rechnete damit, ihre privilegierte Sonderstellung dank der Anfang 2008 zwischen den ukrainischen und russischen Präsidenten und Premiers erreichten Vereinbarungen beibehalten zu können. In der Ukraine wurde davon ausgegangen, dass diese Vereinbarungen ihr eine dreijährige Verschnaufpause sichern würden, bis die Gaspreise auch für sie das in Westeuropa übliche Preisniveau erreicht haben.

Diese Rechnung könnte aufgehen (ich riskiere vorauszusagen, dass sie letztendlich aufgehen wird), wären da nicht die politischen Meinungsverschiedenheiten und Widersprüche, die regelmäßig zwischen der Ukraine und Russland auftreten.

Im Juni warnte der russische Außenminister Lawrow, die Gaspreise für die Ukraine könnten bereits 2009 erhöht werden, und zwar auf 360 bis 400 US-Dollar je Tausend Kubikmeter. Früher hatte Lawrow übrigens nie etwas mit den Gasverhandlungen mit der Ukraine zu tun gehabt.

Diese Warnung steht höchstwahrscheinlich im Zusammenhang mit der Äußerung des ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko, eine Verlängerung der Präsenz der russischen Schwarzmeerflotte auf ukrainischem Territorium nach dem Jahr 2017 würde der ukrainischen Verfassung widersprechen, die den Aufenthalt ausländischer Militärstützpunkte auf dem Territorium des Landes verbietet. Lawrow war offensichtlich gekränkt und griff sofort nach der Gaswaffe.

Diese politische Spannung war allerdings nur von kurzer Dauer und verflüchtigte sich sehr rasch. Die Verhandlungen zwischen Gazprom und dem ukrainischen Versorger Naftogas wurden in ruhiger Atmosphäre in der ersten Novemberhälfte fortgesetzt. Eine Koppelung der Gaspreise an die Preise in Westeuropa stand überhaupt nicht zur Debatte.

Die Seiten waren im Großen und Ganzen bereit, einen längerfristigen dreijährigen Vertrag mit einem in diesem Dokument verankerten Festpreis für das gelieferte Gas zu unterschreiben. Die russische Seite hielt diese Variante für sehr günstig für sich, insbesondere in der Situation der fallenden Erdöl- und Erdgaspreise.

Doch am 20. November hat der russische Staatschef Dmitri Medwedew den Gazprom-Chef Alexej Miller beauftragt, die gesamten Schulden der Ukraine für das gelieferte Gas in Höhe von 2,4 Milliarden US-Dollar für den russischen Fiskus einzutreiben. Das Pikante daran ist, dass Miller selber Medwedew über die ausstehenden Schulden der Ukraine informiert hat.

Am selben Tag sagte Miller kurzerhand in einer Pressekonferenz, der Übergang zu marktgerechten Preisen in den Beziehungen mit der Ukraine sei bereits ab dem 1. Januar 2009 möglich, dabei würden der Preis für Tausend Kubikmeter Gas über 400 US-Dollar liegen, es sei denn, die Ukrainer würden es schaffen, rechtzeitig ihre Schulden zu tilgen.

Wenn nicht, dann werde der Übergang zu Marktpreisen unumgänglich sein, mehr noch, Gazprom werde weiterhin an seinem Zwischenhändler, sprich an der Firma RosUkrEnergo, festhalten. Die ukrainische Seite hat Moskau schon mehrmals aufgerufen, auf die Leistungen dieses Unternehmens zu verzichten.

Am 24. November teilte Gazprom mit, es seien alle notwendigen Papiere vorbereitet worden, um die Schulden über das Stockholmer Schiedsgericht einzuklagen.

Was bringt uns das nächste Jahr?

Das zentrale Problem besteht darin, das die russische und die ukrainische Seite die eigentliche Struktur der Schulden unterschiedlich bewerten und verstehen. Kurz gesagt, die ukrainische Seite geht davon aus, dass sie Moskau lediglich 1,3 Milliarden US-Dollar schuldet.

Am 24. November flog der Chef des ukrainischen Versorgers Naftogas Oleg Dubina eilig nach Moskau. Am 25. November einigten sich die Seiten darüber, dass Kiew das im September in die Ukraine gelieferte Gas bis zum 1. Dezember 2008 im vollen Umfang bezahlen würde. Das mengenmäßig nicht bezifferte im Oktober gelieferte Gas soll teilweise bezahlt werden.

Die gegenwärtige Situation sieht folgendermaßen aus. Die Erdölpreise auf dem internationalen Markt pendeln um die 50 US-Dollar Marke, in Westeuropa kosten Tausend Kubikmeter Gas im ersten Quartal 2009 etwa 350 US-Dollar. Von der Ukraine mehr als 400 US-Dollar je Tausend Kubikmeter Gas zu verlangen würde nicht den Realitäten auf dem Gasmarkt entsprechen. Als optimaler Preis für die Ukraine wurden 230 bzw. 250 US-Dollar je Tausend Kubikmeter Gas genannt.

Die ausstehenden Schulden der Ukraine sollten ebenfalls getilgt werden. Daher ist es klar, dass wir es mit Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew zu tun haben werden, die sich durchaus etwas in die Länge ziehen können, bis zum Jahresende und wahrscheinlich auch darüber hinaus.

Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

* Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 28. November 2008; http://de.rian.ru



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