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Uganda vor den Wahlen:

Bleibt alles, wie es ist oder wird alles so, wie es war?

Uganda ist am Krieg im Kongo beteiligt und erfreut sich bester Beziehungen zu den USA. Uganda ist im kongolesischen Bürgerkrieg mit Ruanda verbündet und kämpfte zu Pfingsten 2000 doch gegen ruandische Truppen um die Stadt Kisangani. Uganda weist erstaunlich gute Wirtschaftsdaten auf, aber die soziale Unzufriedenheit im Land nimmt merklich zu. Am 7. März 2001 finden Wahlen in Uganda statt. Obwohl der Stern des langjährigen Präsidenten Museveni im Sinken ist, zweifelt doch niemand an dessen Wiederwahl. So hoch wie 1996, als er drei Viertel der Stimmen bekam, wird das Ergebnis für ihn aber nicht mehr ausfallen.
Im Folgenden dokumentieren wir einen Bericht aus der Frankfurter Rundschau, der ein wenig die Stimmungslage in einem für uns doch weitgehend unbekannten Land einfängt.


Rütteln am Thron von "König" Museveni

Ugandas Präsident genießt im westlichen Ausland hohes Ansehen, doch in den Wahlprognosen sinkt sein Stern
Von Christoph Link (Nairobi)


Ugandas Präsident ist über Meinungsumfragen meist verärgert. Als die regierungsnahe Zeitung New Vision vor Wochen eine Prognose für die Präsidentschaftswahlen am 7. März veröffentlichte, wonach Yoweri Museveni nur noch mit 54 Prozent führt und sein Gegner auf 37 Prozent kommt, da mußte sich Chefredakteur William Pike rechtfertigen. "Naja, man habe bei der Prognose die Leute auf dem Lande nicht erreicht," erklärte Pike. "Und in der Provinz werde meistens traditionell gewählt." Yoweri Museveni ist Widerspruch nicht gewöhnt. Er ist der Mann, der gegen Idi Amin putschte, er ist der Mann, der im Untergrund vier Jahre gegen Dikator Milton Obote kämpfte und ihn schließlich mit seiner "Nationalen Widerstandsarmee" besiegte. Seit dem 30. Januar 1986 regiert Museveni als Präsident Ugandas. Er gilt als der Friedensbringer nach den Terrorjahren von Amin und Obote.

Stets hieß es, Museveni sei beliebt im Volke. Bei der letzten Präsidentenwahl 1996 siegte er wieder haushoch mit 75,5 Prozent. Letztes Jahr baute er seine Macht noch aus, als er das Volk darüber abstimmen ließ, ob es mehrere politische Parteien haben wolle oder sich mit Musevenis Einheitspartei, der "Nationalen Bewegung des Widerstandes" (NRM), begnüge. Das Volk folgte seinem Präsidenten.

Musevenis Image in Europa und bei den USA ist blendend. Uganda hat die Ebola-Krise gemeistert, 30 ugandische Ärzte leisteten freiwillig Dienst, die Seuche ist eingedämmt. Uganda hat kürzlich ein Lob von den UN bekommen, für die vorbildhafte Aidsprävention. Uganda hatte in den vergangenen 15 Jahren Wachstumsraten der Wirtschaft um jährlich sechs Prozent, nach einer Studie der Weltbank ist der Armutsanteil in der Bevölkerung auf 44 Prozent gesunken, die Säuglingssterblichkeit ist in der Amtszeit Musevenis von 118 auf 88 pro tausend Geburten gesunken, die Analphatenrate ist ebenfalls gesunken. Zur Zeit wird die Elektrizitätsgesellschaft privatisiert. Der Internationale Währungsfonds ist hochzufrieden mit Uganda.

Die Liste ließe sich beliebig verlängern. Museveni hat auf einer 117 Seiten starken Wahlbroschüre seine Erfolgsstory veröffentlicht. Und jetzt soll die Sympathie des Publikums plötzlich einbrechen? Dieser Tage veröffentlichte die unabhängige Zeitung Monitor eine Meinungsumfrage mit katastrophalem Ergebnis: Museveni führt nur noch mit 47 Prozent, gefolgt von Kizza Besigye mit 43 Prozent, zwei weitere Bewerber kommen auf je vier Prozent. Wäre dies das Wahlergebnis vom 7. März, müsste eine Stichwahl stattfinden.

Die Kandidatur seines früheren Kampfgefährten Besigye hat Yoweri Museveni empfindlich getroffen. Der Mann sei ein Lügner, sagt Museveni heute. Besigye, einst Leibarzt Musevenis und Oberst der Armee, war nach dem Krieg Polit-Kommissar der "Bewegung des Nationalen Widerstandes", saß also an einer Schlüsselstelle der Macht. Denn die "Bewegung", deren Gliederungen bis auf die lokale Ebene herabreichen, bildet das eigentliche Machtkorsett in Uganda. Besigyes Hauptthema ist die Verkrustung des politischen Systems in Uganda. "In der Bewegung finden seit vielen Jahren keine offenen Aussprachen mehr statt. Die persönlichen Ansichten des Präsidenten sind mehr oder weniger die offizielle Linie der Regierung geworden", kritisierte Besigye bei der Ankündigung seiner Kandidatur. Der Bewegung warf er "arroganten Starrsinn" vor. Der Museveni-Herausforderer will Parteien einführen, die Korruption bekämpfen und die Kopfsteuer abschaffen.

Der Wahlkampf wird mittlerweile mit Haken und Ösen ausgefochten. Ein Verbündeter Besigyes, Kampalas Ex-Bürgermeister Nasser Sebaggala, der in den USA wegen Betrug gesessen hat, rief offen zum Steuerboykott auf. Das Abreißen von Plakaten ist inzwischen Volkssport geworden. Als eine Frau beim Entfernen eines Museveni-Posters gesehen wurde, nahm die Polizei sie fest. Seit Beginn des Wahlkampfes sind 103 Personen wegen "Vandalismus" verhaftet worden, darunter 20 wegen Gewalttaten. Täglich berichten die Zeitungen über verbale Attacken, die unter der Gürtellinie verlaufen. So warf die "First Lady", Janet Museveni, dem Widersacher ihres Mannes vor, er habe eines seiner Kinder verlassen und in ein Internat gesteckt. Besigye konterte: Die "First Lady" habe eins ihrer Enkelkinder vernachlässigt, das aus einer unehelichen Beziehung ihres Sohnes stammt. Ein anderer, eher namenloser Präsidentenbewerber, machte sich öffentlich über den breitkrempigen Hut Musevenis lustig: Dieser Hut zeige doch, dass der Präsident reif für die Rente sei, mit einem Steinwurf lasse sich der entfernen.

Ende Januar explodierten drei Bomben in Kampala und verletzten sechs Menschen. Die Urheber der Attentate sind unbekannt. Doch die üble Härte im Wahlkampf ist für sensible Bewerber zuviel. Der Schauspieler Charles Senkubuge zog seine Kandidatur zurück, nachdem er Todesdrohungen erhalten hatte. Mit Spott und Hohn hat die Presse den Rückzug begleitet, denn wie alle Kandidaten hatte Senkugube von der Regierung Geld, einen Geländewagen und ein Begleitfahrzeug mit 15 Sicherheitsbeamten für den Wahlkampf erhalten, alles muss er nun zurückgeben. Senkugube fiel dadurch auf, dass er mit seinem Leih-Auto in der Stadt stehen blieb, weil das Benzin alle war. Die Leibwächter seien so dick, dass er die Tankuhr nicht gesehen habe, rechtfertigte sich Senkugube.

"Nach 15 Jahren an der Macht wird Verschleiß sichtbar", sagen politische Beobachter in Kampala. Viele Bürger wollen einfach einen Wechsel. Und trotz vielfacher Ankündigungen hat Museveni es nicht geschafft, die ugandischen Truppen aus der Demokratischen Republik Kongo abzuziehen. Samora Machel habe in Mosambik gegen die Kolonisatoren gekämpft, aber Museveni lasse auf afrikanische Brüder schießen, werfen Leserbriefschreiber dem Präsidenten vor. Andere meinen, der 56-Jährige solle sich nach einer Wiederwahl doch gleich zum "König" ausrufen lassen. Wenn es auch keine handfesten Beweise für Korruption durch Museveni gibt, so schleicht sich Unbehagen an der "autokratischen" Regierungsform ein, in der Vetternwirtschaft gedeihen kann: Musevenis Bruder, einst Oberkommandierender der Armee, ist ein wohlhabender Immobiliengeschäftsmann, der auch im Bankenwesen tätig ist. Ihm wird nachgesagt, er habe bei einer Bankenschließung die Hand im Spiel gehabt. Mit Argwohn wird auch gesehen, dass ein Sohn Musevenis als Oberleutnant in der Präsidentengarde dient. Die Furcht vor einer Museveni-Dynastie ŕ la Kabila in Kongo ist da.

Die Wahl wird auf dem Lande entschieden, wo 80 Prozent der Wähler wohnen. Wenn dort der Bauernsohn Museveni auftritt und eine Rede hält, dann ist die Begeisterung groß. Die Motivation der Wähler aber bleibt ein Geheimnis. Kürzlich kamen 50 Jugendliche aus der Provinz in Musevenis Wahlkampfbüro und erklärten ihren Wechsel vom Lager Besigyes in das des Präsidenten. Die jungen Leute hörten brav einen Vortrag über Musevenis Leistungsbilanz, alles schien gut zu sein, bis ein junger Konvertit erklärte, man habe ihnen "etwas versprochen", was sie aber noch nicht erhalten hätten, "denn der Magen ist immer noch leer".

Auch in Uganda, so scheint es, werden Wahlentscheidungen mit dem Bauch gefällt.
Aus: Frankfurter Rundschau, 27. Februar 2001

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