Konys Kinderarmee führt "neuen Krieg"
In Norduganda sterben Friedenshoffnungen
Von Marc Engelhardt, Nairobi *
Im Norden Ugandas sind die Hoffnungen auf einen Frieden gescheitert. Einer der brutalsten
Bürgerkriege Afrikas flammt wieder auf. Die »Widerstandsarmee des Herrn«, Kindersoldaten unter
Führung des selbst ernannten Propheten Joseph Kony, haben neue Angriffe begonnen.
In Gulu, der größten Stadt im Norden Ugandas, haben die Menschen sich gerade erst an den
Frieden gewöhnt, der seit knapp zwei Jahren Einzug gehalten hat. Die Geschäfte sind frisch
gestrichen, vollbeladene Lastwagen queren die Stadt auf dem Weg von Ugandas Hauptstadt
Kampala in Richtung Südsudan. In den nordugandischen Sammellagern, in denen sich bis
September 2006 mehr als zwei Millionen Bewohner vor den brutalen Angriffen der
»Widerstandarmee des Herrn« (LRA) versteckt hatten, stehen die meisten Rundhütten leer.
Doch die Normalität könnte schon bald wieder enden. Denn die LRA unter Führung Joseph Konys
führt wieder Krieg, warnt der südsudanesische Informationsminister Gabriel Changson Cheng: »Die
LRA hat einen neuen Krieg begonnen, und diesmal sind wir die ersten Opfer.« Bei Angriffen auf die
zwei südsudanesischen Garnisonsdörfer Nabanga und Yamba, die in einer entlegenen Region nahe
der Grenze zu Kongo liegen, sollen am vergangenen Donnerstag mindestens 23 Menschen ums
Leben gekommen sein. Die LRA habe Nahrungsmittel und Waffen gestohlen und bereite sich auf
neue Attacken vor, klagte Cheng. Die Bemühungen um einen Frieden seien damit vorbei. »Es wäre
sinnlos für uns, weiterhin als Vermittler zwischen LRA und ugandischer Regierung tätig zu bleiben.«
Für Nordugandas Bevölkerung stirbt damit die Hoffnung, dass einer der langwierigsten Bürgerkriege
Afrikas endlich ein Ende haben könnte. Mehr als zwanzig Jahre schon massakriert Konys
Lumpenarmee auf brutalste Weise ganze Dörfer. Besonders gefürchtet ist die LRA, weil sie in dieser
Zeit zehntausende Kinder entführt hat, die zu Kindersoldaten oder Sexsklaven gemacht wurden. Aus
dem Niemandsland zwischen Ostkongo, der Zentralafrikanischen Republik und Südsudan werden
seit Monaten Angriffe nach gleichem Schema gemeldet. Während der auf 600 Kämpfer geschätzte
Kern der LRA gut 1000 neue Soldaten zwangsverpflichtete, verschob Kony unter fadenscheinigen
Ausreden immer wieder die geplante Unterzeichnung eines seit 2006 verhandelten
Friedensvertrags. Kony, der vom Internationalen Strafgerichtshof gesucht wird, zeigt sich praktisch
nie in der Öffentlichkeit.
»Kony hat die Verhandlungszeit genutzt, um aufzurüsten und neue Soldaten zu entführen«, erklärt
Ugandas Armeesprecher Paddy Ankunda wütend. Jetzt will Ugandas Armee gegen den LRAStützpunkt
im Norden des Virunga-Nationalparks in Ostkongo vorgehen, gemeinsam mit
kongolesischen und UN-Truppen. »Auch die US-Armee unterstützt den Vorstoß.« Doch ähnliche
Versuche, den Konflikt militärisch zu lösen, blieben in der Vergangenheit erfolglos.
Der katholische Erzbischof in Gulu, John Odama, ruft LRA und Regierung auf, das ausgehandelte
Friedensabkommen endlich zu unterzeichnen. »Wenn wir jetzt in den Krieg ziehen, ist alles bisher
Erreichte verloren.« Doch die südsudanesischen Vermittler haben aufgegeben. Am Wochenende
ließ Sprecher Cheng verlauten, nicht nur die LRA, auch Ugandas Regierung habe nie echtes
Interesse an den Verhandlungen gezeigt.
* Aus: Neues Deutschland, 10. Juni 2008
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