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Tödliches Finale in Kampala

Drei Bomben fordern über 70 Tote

Von Marc Engelhardt, Nairobi *

Der Sonntagabend (11. Juli) sollte auch in Ugandas Hauptstadt Kampala ein Fußballfest werden. Doch Sprengstoffattentate, vermutlich von Islamisten, sorgten für ein Blutbad mit mehr als 70 Toten.

Das Spiel war schon weit fortgeschritten, als ein ohrenbetäubender Knall der fußballseeligen Stimmung in einem von Kampalas beliebtesten Gartenlokalen abrupt ein Ende macht. Fernsehbilder zeigen schreiende Menschen, die in Panik fliehen, überall ist Blut zu sehen. Zwischen umgestürzten Plastikstühlen liegen unbewegliche Körper, viele grausam verstümmelt. Noch bevor die ersten Krankenwagen das »Ethiopian Village« erreichen, wiederholen sich die grausamen Szenen im Kyadondo Rugby Club auf der anderen Seite der Stadt. Insgesamt drei Detonationen ereignen sich an diesem Abend. Die Polizei spricht von mindestens 74 Toten und fast ebenso vielen Verletzten.

»Auf einmal wurde alles um mich herum schwarz«, beschreibt Kris Sledge, ein 18-jähriger US-Amerikaner, den Anschlag, bei dem er verletzt wurde. »Das nächste, woran ich mich erinnere, ist das Schreien der Menschen und das Dröhnen von Schritten.« Unter den Opfern der Anschläge sind vermutlich zahlreiche Ausländer, denn das »Ethiopian Village« ist ein beliebter Treffpunkt von in Uganda arbeitenden Europäern und US-Amerikanern. Die USA-Botschaft hat bereits bestätigt, dass mindestens einer ihrer Bürger unter den Opfern ist. Präsident Barack Obama verurteilte die Anschläge als hinterhältig und feige.

Ugandas Sicherheitskräfte gingen am Montag davon aus, dass somalische Islamisten hinter den Anschlägen stecken. »Wir glauben, dass die Shabaab-Miliz die Attentate verübt hat, weil sie solche Anschläge schon lange angekündigt haben«, erklärte Armeesprecher Felix Kulayigye. »An einem Tatort haben wir zudem den abgetrennten Kopf eines Somaliers gefunden, was uns einen Selbstmordanschlag vermuten lässt.« Somalia-Analysten teilen die Ansicht der Ermittler. »Das Vorgehen entspricht hundertprozentig dem der Shabaab«, erklärt E.J. Hogendoorn, der bei der International Crisis Group (ICG) Spezialist für die Lage am Horn von Afrika ist. »Sie haben nicht nur das Motiv, sondern auch die Möglichkeiten, einen relativ gut organisierten Doppelanschlag wie diesen zu planen und durchzuführen.« Es wäre das erste Mal, dass die somalischen Islamisten einen Terroranschlag außerhalb ihres Heimatlandes verübten.

Die Shabaab selber bekannte sich nicht zu der Aktion. Er sei über den Anschlag erfreut, erklärte Shabaab-Kommandeur Sheikh Yusuf Issa nur. »Uganda ist unser Feind - was immer schlecht für Uganda ist, macht uns glücklich.« Doch alles passt: Die Shabaab hat Uganda schon mehrfach mit Anschlägen gedroht, weil Kampala mehrere tausend Soldaten der AMISOM-Truppe unter dem Dach der Afrikanischen Union stellt. Fast täglich liefern sich ugandische Soldaten in Mogadischu Kämpfe mit Shabaab-Milizen. Zudem bildet die EU in Uganda gerade eine neue somalische Armee aus. Auch das Ziel eines der Attentate - ein äthiopisches Restaurant - passt ins Weltbild der Shabaab. Spätestens seit dem Einmarsch in Somalia Ende 2006 gilt der Nachbarstaat als Feind Nummer eins. Zudem verdammen Shabaab-Führer das Anschauen von WM-Spielen, was dem Anschlag einen zusätzlichen Symbolwert gibt.

Am Tag danach waren die Straßen in Kampala leerer als sonst. Schulen waren geöffnet, doch viele Eltern behielten ihre Kinder aus Angst vor weiteren Anschlägen zu Hause. »Wir hoffen, dass sich so etwas nie wiederholt«, sagt der ugandische Politologe Henry Kasacca. »Generell haben wir uns hier immer sicher gefühlt, trotz der Drohungen und obwohl unsere Armee in Somalia kämpft.« Kasacca glaubt trotz der Anschläge nicht, dass die ugandische Armee aus Somalia abziehen wird. »Im Gegenteil, ich glaube, dass die Regierung die Präsenz dort weiter erhöhen wird.« In einer Woche beginnt in Kampala das Gipfeltreffen der Afrikanischen Union. Es gilt als unwahrscheinlich, dass Präsident Yoweri Museveni sich dort eine Blöße geben wird.

Aus Mogadischu meldeten Bewohner unterdessen, ugandische Soldaten hätten ein dicht bewohntes Wohnviertel mit Granaten und Artillerie beschossen - nur Stunden nach den Attentaten. Die Bewohner der von mehr als 19 Jahren Bürgerkrieg zerstörten Stadt glauben an einen Vergeltungsschlag. »Mit solchen Aktionen haben die Ugander schon in der Vergangenheit ihren Kredit bei der Bevölkerung verspielt«, warnte am Montag der Somalia-Sicherheitsexperte Frans Barnard. Er befürchtet, dass Somalias Bevölkerung die eigentlich verhassten Islamisten umso mehr unterstützt, je mehr die Ugander Gleiches mit Gleichem vergelten. Dann, so Barnard, könnten weitere Anschläge in Ostafrika drohen.

* Aus: Neues Deutschland, 13. Juli 2010


Bomben in Uganda

Dutzende Tote bei zwei Anschlägen am Sonntag abend in Kampala. Verdacht wird auf somalische Islamisten gelenkt

Von Knut Mellenthin **


Mindestens 74 Menschen wurden am Sonntag (11. Juli) bei zwei Bombenanschlägen in der ugandischen Hauptstadt Kampala getötet. Ziel waren das Restaurant »Äthiopisches Dorf« und ein Rugby-Club. Beide Orte sind besonders bei Ausländern beliebt. Am späten Sonntag abend hielten sich dort wegen der Live-Übertragung des Finales der Fußballweltmeisterschaft mehr Gäste als üblich auf. Die Explosionen in den etwa zehn Kilometer auseinander liegenden Gebäuden erfolgten nach ersten Berichten im Abstand weniger Minuten kurz vor Schluß des Spiels Spanien-Niederlande, das erst in der Verlängerung entschieden wurde. Neben den Todesopfern wurden außerdem 71 Verletzte gezählt. Unter den Toten ist mindestens ein US-Bürger. Drei weitere US-Amerikaner, Mitglieder einer kirchlichen Gruppe, wurden verletzt. Viele der Toten sollen Äthiopier oder Eritreer gewesen sein.

Die meisten Medien suggerierten am Montag einen somalischen Hintergrund der Anschläge als fast schon gesicherte Tatsache. Äthiopiens Propagandaminister Bereket Simon formulierte es als erster Politiker noch präziser: »Das ist eine feige Aktion der Al-Schabab-Terroristen«. Im Gegensatz dazu vermied der ugandische Polizeichef Kale Kajihura eine Festlegung und bezog auch einheimische Organisationen wie die »Widerstandsarmee Gottes« und die »Vereinigten demokratischen Kräfte« in den Kreis der möglichen Drahtzieher ein.

Zunächst gab es zu den Anschlägen keinerlei Bekennererklärung. Die Nachrichtenagentur AP präsentierte als erste einen angeblichen »Al-Schabab-Kommandanten« aus Mogadischu namens Jusuf Scheikh Issa mit der ihm zugeschriebenen Aussage: »Uganda ist einer unserer Feinde. Alles, was sie zum Weinen bringt, macht uns glücklich.« - Issa habe indessen nicht bestätigen können, daß seine Organisation irgend etwas mit den Anschlägen zu tun hatte. Eine Internetsuche ergibt, daß ein Mann dieses Namens zuvor noch nicht öffentlich als Vertreter von Al-Schabab, der bedeutendsten islamistischen Kampforganisation Somalias, aufgetreten ist.

Nahrung bekommt der Verdacht gegen Al-Schabab jedoch durch vorausgegangene Ankündigungen und Aufrufe, den Kampf auf die Hauptstädte von Uganda und Burundi auszuweiten. Dazu hatte ein ugandischer Militärsprecher am vorigen Mittwoch erklärt, daß diese Drohungen nicht neu seien und daß man sie nicht sonderlich ernst nehme. Uganda und Burundi stellen je zur Hälfte die 5 300 Mann starke afrikanische »Friedenstruppe« AMISOM, die seit drei Jahren in Mogadischu stationiert ist. Die Islamisten werfen dieser Truppe »Massaker an der Bevölkerung« vor. Realer Hintergrund ist, daß AMISOM, die im Gegensatz zu allen somalischen Bürgerkriegsparteien über Panzer und schwere Artillerie verfügt, als Vergeltung für Angriffe der Islamisten immer wieder Granaten auf Wohnviertel der Hauptstadt abschießt.

Die somalischen Islamisten haben aber entgegen ihren wiederholten Ankündigungen noch keine militärischen Aktionen außerhalb ihres eigenen Landes durchgeführt. Außerdem richten sich ihre Anschläge bisher ausschließlich gegen militärische Ziele, wie etwa das AMISOM-Hauptquartier, wo im September 2009 bei einem Selbstmordattentat 17 burundische Soldaten getötet wurden. Der einzige Anschlag, der nicht diesem Raster entsprach, traf im Dezember 2009 eine Feier in der Universität von Mogadischu, an der neben mehreren Regierungsmitgliedern auch viele Studenten teilnahmen. 25 Menschen wurden dabei getötet, 50 verletzt. Alle islamistischen Organisationen distanzierten sich sofort schärfstens von diesem Attentat.

** Aus: junge Welt, 13. Juli 2010


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