Die Wahrheit über Todesdrohnen
US-Regierung muss Geheimdokumente über Luftangriff gegen "Terrorverdächtige" freigeben
Von Olaf Standke *
Die Obama-Regierung muss geheime Unterlagen zu den umstrittenen Drohnenangriffen offenlegen, wie jetzt ein Berufungsgericht in New York entschied.
Anfang vergangenen Jahres lautete das Urteil in erster Instanz noch: Nein, Geheimdokumente der Regierung zur Rechtfertigung von Drohnenangriffen gegen Terrorverdächtige müssten nicht an Medien herausgegeben werden. Der Islamistenprediger Anwar al-Awlaki war Ende September 2011 bei einer Attacke auf seinen Fahrzeugkonvoi in Jemen gemeinsam mit dem »Al-Qaida-Propagandisten« Samir Khan getötet worden. Einen Monat später starb auch sein 16-jähriger Sohn Abdulrahman bei einem weiteren Drohnenangriff. Die Beteiligung an konkreten Terroranschlägen konnte al-Awlaki nicht zur Last gelegt werden, doch soll er Terroristen »inspiriert« haben. Wiederholt hat al-Awlaki die Ermordung von US-Amerikanern gerechtfertigt. Das politisch Pikante daran – der Prediger aus New Mexico ist selbst US-Bürger.
Zwei Journalisten der »New York Times« wollten sich mit der Verweigerung der Aufklärung in diesem Fall nicht zufriedengeben, klagten erneut und erhielten im zweiten Anlauf Recht. Ein Berufungsgericht wies am Montag (Ortszeit) die Freigabe wichtiger Teile des Dokuments an, mit dem das Washingtoner Justizministerium die Tötung al-Awlakis legitimiert hatte. Ressortchef Eric Holder hat sie in der Vergangenheit auch öffentlich verteidigt. Eine solche Entscheidung sei zwar »eine der schwersten, die eine Regierung treffen muss«, aber im Kampf gegen den Terror eben manchmal notwendig.
Letztlich schloss sich das Gericht jetzt der Argumentation der Bürgerrechtsbewegung »American Civil Liberties Union« an. Schon im Vorjahr Jahr hatte ACLU-Vizedirektor Jameel Jaffer darauf hingewiesen, dass die Regierung ihr »Programm zur gezielten Tötung« nicht einerseits zum großen Geheimnis erklären könne, wenn andererseits hohe Beamte selektiv Informationen streuten, um genau dieses Programm »im günstigsten Licht erscheinen zu lassen«.
Auch die drei Richter erklärten nun, dass Inhalte der bisher so geheimen Unterlagen schließlich schon mehrmals öffentlich zitiert worden seien – unter anderem vom Präsidenten höchstselbst. Ganz davon abgesehen, dass die Kläger die Legalität von Drohnenangriffen nicht grundsätzlich in Frage stellten. Erst am Wochenende wurden bei Luftattacken gegen Al Qaida in den Provinzen al-Baidaen und in al-Mahfad im Süden Jemens wieder über drei Dutzend Menschen getötet, darunter auch Zivilisten.
Anfang April gab es bereits ein anderes Urteil in Sachen al-Awlaki. Geklagt hatten da dessen Vater und die Mutter von Samir Khan – gegen die damaligen Pentagon- bzw. CIA-Chefs Leon Panetta und David Petraeus sowie zwei Kommandeure der ausführenden Drohneneinheiten des Militärs. Doch Bundesrichterin Rosemary Collyer, noch von Präsident George W. Bush ernannt, wies diese Klage ab. Die Botschaft ihrer 41-seitigen Begründung: Hier gehe es fraglos um ernste verfassungsrechtliche Fragen, die nicht leicht zu beantworten seien. Doch letztlich könnten Minister, Regierungsbeamte und Militärangehörige in solchen Fällen nicht persönlich zur Verantwortung gezogen werden, selbst wenn es sich um eine Exekution ohne Gerichtsverfahren gehandelt habe. Schließlich hätten sie Befehle des Präsidenten und Oberkommandierenden Barack Obama ausgeführt. Und der genieße Immunität.
* Aus: neues deutschland, Mittwoch 23. April 2014
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