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Noch drei kubanische Kundschafter in Haft

Internationale Untersuchungskommission zum politischen Justizskandal um die Cuban Five tagt in London

Von Harald Neuber *

Mit einem in London tagenden zweitägigen internationalen Expertengremium wollen Aktivisten der Kuba-Solidaritätsbewegung Bewegung in den Fall der »Cuban Five« (Kubanische Fünf) bringen.

Sie machen wieder Schlagzeilen: die sogenannten Cuban Five. Vor Wochenfrist wurde in Havanna Fernando González nach seiner Rückkehr aus dem Gefängnis in den USA ein Heldenempfang bereitet. Dieses Wochenende wird der Fall der Cuban Five, von denen drei noch in den USA einsitzen, in London von Experten beleuchtet. Die »Internationale Untersuchungskommission« wird von hochrangigen Juristen geleitet und soll rund zwei Dutzend Zeugen über den Fall sowie den von den USA unterstützten Terrorismus gegen Kuba anhören. Dazu sind auch aus Deutschland Vertreter anwesend, unter anderen die Bundestagsabgeordnete der LINKEN Heike Hänsel. Schon vor Beginn der Tagung aber legte die britische Regierung den Veranstaltern Steine in den Weg: Sie verweigerte einem der wichtigsten Zeugen die Einreise.

Die Cuban Five sind eine Gruppe kubanischer Aktivisten, die 1998 in den USA als Mitglieder eines in Florida wirkenden Antiterroristennetzwerks festgenommen wurden. Kuba gesteht die Überwachung gewaltbereiter Gruppen des Exils ein, widerspricht aber dem Vorwurf der illegalen Spionage, also der Aushorchung von Staatsgeheimnissen. Dennoch wurden die Männer in einem in den USA und international heftig kritisierten politisch motivierten Gerichtsverfahren zu langen Haftstrafen verurteilt. Vor Fernando González war 2011 sein nicht verwandter Namensvetter René González aus dem Gefängnis entlassen worden. Die drei anderen Männer – Gerardo Hernández, Ramón Labañino und Antonio Guerrero – befinden sich weiterhin in Haft und kommen planmäßig noch lange nicht frei.

Die Anhörung in London soll nun den Druck auf die US-Regierung weiter erhöhen. Das – juristisch freilich nicht anerkannte – Tribunal wird von dem ehemaligen Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofes von Indien, Yogesh Kumar Sabharwal, dem ehemaligen Richter am Obersten Gericht Südafrikas, Zakeria Mohammad Yacoob, und dem ehemaligen Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofes von Frankreich, Philippe Texier, geleitet. Die Organisatoren haben damit viel symbolisches Kapital in die Waagschale geworfen. Zumal das Tribunal vom britischen Schriftsteller John Le Carré, der südafrikanischen Nobelpreisträgerin Nadine Gordimer, dem deutschen Nobelpreisträger Günter Grass, dem ehemaligen Erzbischof von Canterbury, Lord Rowan Williams, und vielen anderen Persönlichkeiten unterstützt wird.

Der stellvertretende Vorsitzende des bundesdeutschen Netzwerks Cuba e. V, Edgar Göll, hofft, »dass durch dieses hochrangig besetzte Hearing in London das jahrelange Schweigen westlicher Medien über den skandalösen Fall der Cuban Five endlich durchbrochen werden kann«. Es seien viele europäische Gruppen an der Vorbereitung beteiligt gewesen »und die Solidaritätsorganisationen weltweit werden die Veranstaltung genau verfolgen«. Nachdem nun zwei der fünf Männer frei sind, sollte sich US-Präsident Barack Obama einen Ruck geben und die anderen drei kubanischen Antiterroristen freilassen, so Göll gegenüber »nd«.

Bislang sieht es danach aber nicht aus. Offenbar auf Druck aus Washington – so wird in Organisatorenkreisen gemutmaßt – wurde einem der Hauptzeugen, dem 2011 entlassenen René González, das Visum zur Einreise nach Großbritannien verweigert. Der 55-Jährige sei schon fast auf dem Weg zum Flughafen in Havanna gewesen, als die Nachricht von der Ablehnung kam. Die britischen Behörden beriefen sich nach Angaben der kubanischen Tageszeitung »Juventud Rebelde« auf den Passus 320 (2b) des britischen Einreisegesetzes, nach dem Personen, die eine über vierjährige Haftstrafe verbüßt haben, die Einreise pauschal verweigert werden kann. Die britischen Behörden erkannten das international umstrittene Urteil damit nicht nur an. Sie lehnten auch eine mögliche Ausnahmeregelung ab, indem sie das internationale Juristentribunal als nicht hinreichender Grund dafür bewerteten. Nun soll González’ Aussage per Videoschaltung von Havanna nach London übertragen werden.

Gegenüber »nd« zeigte sich Virgilio Ponce, Koordinator der Vereinigung von Kubanern in Frankreich, dennoch zuversichtlich über die öffentliche Wirkung der Veranstaltung. »Viele von uns kubanischen Emigranten tragen einen kleinen, persönlichen Teil zu dieser Kampagne für die Cuban Five bei, weil wir wissen, dass dank ihrer Arbeit wohl viele Menschenleben gerettet werden konnten«, so Ponce. Diese Aussage dürfte auch beim Tribunal auf Zustimmung stoßen.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 7. März 2014


Licht ins dunkel bringen

Anhörung zum Fall der »Cuban Five« beginnt heute trotz Einreiseverbot für René González in London

Von Volker Hermsdorf, London **


Am heutigen Freitag beginnt in den Räumen der renommierten Londoner Law Society die Anhörung zum Fall der »Cuban Five« – trotz der Einreiseverweigerung für den Hauptzeugen René González durch die britischen Behörden (jW berichtete). Diese bisher umfangreichste und bedeutendste Untersuchung des weltweit kritisierten Gerichtsverfahrens gegen die fünf kubanischen Aufklärer und der gegen sie verhängten Strafen wird von 173 prominenten Erstunterzeichnern, dem britischen Gewerkschaftsdachverband TUC, den beiden größten Einzelgewerkschaften des Landes, »Unite« und »Unison«, Dutzenden sozialen Organisationen und knapp 6000 Einzelpersonen aus aller Welt unterstützt. Aus Deutschland rufen dazu unter anderem Literaturnobelpreisträger Günter Grass, der Völkerrechtler und ehemalige Bundestagsabgeordnete Professor Norman Paech, der Schauspieler und Gewerkschafter Rolf Becker sowie der Journalist und Moderator Professor Roger Willemsen auf.

Der wichtigste Zeuge der Anhörung, René González, war im Oktober 2011 als erstes Mitglied der »Cuban Five« nach 13 Jahren aus der US-Haft auf »Bewährung« entlassen worden, durfte aber erst im Mai 2013 endgültig nach Kuba zurückkehren. Er sollte heute vor der Internationalen Untersuchungskommission über die Aktivitäten der »Cuban Five« in Miami und am morgigen Sonnabend über das Gerichtsverfahren nach deren Verhaftung aussagen. Kurz vor seiner Abreise aus Havanna hatte ihm die britische Botschaft allerdings das Visum verweigert. »Das kann nur als politisch motivierte Entscheidung gedeutet werden«, kritisierte Rob Miller, der als Vorsitzender der Kuba-Solidaritätskampagne zu den Organisatoren gehört.

Die fünf Kubaner hatten als Aufklärer in den USA verdeckt in terroristischen Gruppen ermittelt, um Anschläge auf der Insel zu verhindern. Nachdem kubanische Stellen das FBI über Pläne der gewaltbereiten Gruppen informiert hatten, wurden im September 1998 nicht die Terroristen, sondern die kubanischen Ermittler verhaftet und verurteilt. Obwohl René und Fernando González, sein in der vergangenen Woche nach Kuba zurückgekehrter Kampfgefährte, wieder frei sind, werden drei der »Cuban Five« weiter in US-Gefängnissen festgehalten. Antonio Guerrero soll erst etwa 2020 entlassen werden, Ramón Labañino etwa 2028. Gerardo Hernández, der zu zweimal lebenslang plus 15 Jahre verurteilt worden war, soll dagegen in US-Haft sterben.

Trotz wiederholter Kritik von Rechtsexperten und Menschenrechtsorganisationen ist es der US-Administration und den westlichen Medienkonzernen bisher weitgehend gelungen, Informationen über den Justiz­skandal und die Existenz der »Cuban Five« als politische Gefangene der USA zu unterdrücken. Mit der Anhörung in London wollen namhafte Juristen, Politiker und Künstler sowie Gewerkschafter und Menschenrechtsexperten jetzt Licht in das dunkel bringen und den Fall stärker ins Bewußtsein der Weltöffentlichkeit rücken.

Die zweitägige Untersuchung startet heute zunächst mit der Anhörung von Zeugen der terroristischen Aktivitäten, darunter Angehörige von Opfern, Ermittler, Vertreter der Staatsanwaltschaft sowie Journalisten. Morgen werden dann Strafrechtsexperten, Prozeßbeobachter, Angehörige der »Cuban Five« und eine Vertreterin von Amnesty International zum Verfahren und den Strafen gehört. Daneben beginnt heute abend das Rahmenprogramm mit einem großen Solidaritätskonzert im »Barbican Centre«, dem größten Kultur- und Konferenzzentrum Londons, zu dem unter anderem die kubanischen Weltstars Omara Portuondo, Eliades Ochoa und Musiker des Buena Vista Social Club erwartet werden. Für den politischen Teil hat die US-amerikanische Schriftstellerin und Pulitzer-Preisträgerin Alice Walker zugesagt, die die Besucher ursprünglich gemeinsam mit René González über den Fall der »Cuban Five« informieren wollte. Zum Abschluß der zweitägigen Veranstaltung ist ein großes Abschiedsdinner im Hauptquartier des Gewerkschaftsdachverbandes TUC vorgesehen, bei dem René González als Ehrengast angekündigt war. Der frühere Generalsekretär der größten britischen Gewerkschaft »Unite«, Tom Woodley, wies dessen Einreiseverbot auch deshalb in scharfer Form zurück.

** Aus: junge Welt, Freitag, 7. März 2014


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