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Obama auf schwieriger Mission

Die USA wollen ihre wirtschaftliche und militärische Präsenz in Asien ausbauen

Von Olaf Standke *

Barack Obama ist am Mittwoch zum Auftakt seiner Asien-Tour in Tokio eingetroffen. Es ist der erste Staatsbesuch eines US-Präsidenten in Japan seit 18 Jahren.

Das private Essen mit Shinzo Abe am Mittwochabend in einem Tokioter Sushi-Restaurant dürfte zu den entspannteren Terminen auf Barak Obamas Asien-Reise gehören. Schon das Gipfeltreffen am Donnerstag mit Japans Regierungschef steht im Zeichen von Problemen, die den US-Präsidenten in den nächsten Tagen zwischen Seoul und Manila begleiten werden, ob es nun um bilaterale Sicherheitsallianzen, die Konflikte in der Region und Chinas Rolle oder das umstrittene transpazifische Freihandelsabkommen (TPP) geht, dem auch Tokio sehr abwartend gegenüber steht. Feilscht man dabei doch auch um traditionelle Schutzzölle, etwa bei Reisimporten.

Einen Tag vor Obamas Ankunft hatten 146 japanische Abgeordnete dem Gast aus Washington zudem auf ihre Weise demonstriert, dass er sich beim ersten Staatsbesuch eines US-amerikanischen Präsidenten seit fast zwei Jahrzehnten auch auf einem historischen Minenfeld bewegt. Sie besuchten traditionell den Yasukuni-Schrein, wo die Kriegstoten des Landes geehrt werden, unter ihnen verurteilte und hingerichtete Kriegsverbrecher. Der scharfe Protest aus Südkorea kam angesichts der Glorifizierung der japanischen Aggression prompt – dabei ruft Washington die beiden wichtigsten asiatischen Bündnispartner doch immer wieder zum Ausgleich und zu engerer Zusammenarbeit auf, um in der Region ein Gegengewicht zu China zu installieren und Nordkoreas atomare Ambitionen einzudämmen.

Ministerpräsident Abe beschied sich dieses Mal zwar mit der Spende eines als heilig geltenden Masakaki-Baums an den Schrein, um Obama nicht offen zu brüskieren; aber selbst das sei ein »Akt der Provokation« und für den US-Präsidenten ein »Schlag ins Gesicht«, wie es in Peking hieß. Dort hat ein Marinegericht inzwischen die Beschlagnahme eines japanischen Containerschiffs in Shanghai wegen einer Entschädigungsklage im Zusammenhang mit Kriegsverbrechen verfügt und so die Spannungen mit Tokio noch verstärkt.

Auf seiner Asien-Tour, die ihn auch nach Malaysia und auf die Philippinen führt, will Obama vor allem dem wachsenden Einfluss Chinas begegnen, auch durch eine verstärkte militärische Präsenz. Schon heute sind allein in Japan rund 50 000 US-Soldaten stationiert. Vor einigen Wochen wurde bekannt, dass die USA ihre Raketenabwehr in der Region ausbauen werden. Bis 2017 sollen zwei zusätzliche Zerstörer in Japan festmachen. Dann würde es sieben US-Kriegsschiffe mit Aegis-Kampfsystemen im pazifischen Raum geben. Washington begrüßt auch die Lockerung der japanischen Richtlinien für Waffenexporte, erleichtere das doch die bilaterale Kooperation von Rüstungsfirmen.

Tokio wünscht sich jetzt, dass Obama den chinesischen Ansprüchen auf eine unbewohnte Inselgruppe im Ostchinesischen Meer mit deutlichen Worten entgegentritt. Auf Fragen der größten japanischen Tageszeitung »Yomiuri Shimbun« antwortete der Präsident schriftlich, dass die von Tokio verwalteten Inseln unter den Sicherheitsvertrag mit Japan fielen, der die USA zum Schutz des Bündnispartners verpflichtet. Chinas Kritik folgte auf dem Fuß.

Auch in Seoul erhofft man sich mit Blick auf mögliche neue Atomtests Nordkoreas eine Bekräftigung des Sicherheitsbündnisses beider Länder. In Manila wiederum soll ein Vertrag über die Verstärkung der US-amerikanischen Truppenpräsenz auf Washingtons ehemaliger Kolonie Philippinen unterschrieben werden. Bezahlt wird mit Militärhilfe.

Für die protestierende philippinische Linke ist dieser Vertrag verfassungswidrig. Und in Washington nimmt man in Kauf, dass sich Peking durch solche Abkommen bedrängt fühlen könnte, wie es Jeffrey Bader, China-Experte im Nationalen Sicherheitsrat, formulierte. Ob es Obama auch Ernst mit den Menschenrechten ist, wenn es nicht um Nordkorea oder China geht, wird schließlich sein Abstecher nach Malaysia zeigen.

Dort wurde Oppositionsführer Anwar Ibrahim gerade wieder wegen Homosexualität zu einer Gefängnisstrafe verurteilt – ein eindeutig politisch motiviertes Urteil, so Menschenrechtler. Allerdings brauchten die USA für ihre Strategie der Eindämmung Chinas neben Thailand und Singapur weitere Partner in Südostasien, wie das Institut Council on Foreign Relations meint. Es empfiehlt deshalb, in Kuala Lumpur auf kontroverse Themen zu verzichten.

Ursprünglich wollte Obama schon im vergangenen Herbst nach Asien reisen; seine Absage wegen des zähen Haushaltsstreits mit den Republikanern in Washington sorgte seinerzeit für erhebliche Irritationen bei den asiatischen Partnern. Vor drei Jahren hat das Weiße Haus noch eine Neuausrichtung der Außenpolitik Richtung Asien verkündet. Barack Obama, in Indonesien aufgewachsen, erklärte sich zum »ersten pazifischen Präsidenten Amerikas«, Außenministerin Hillary Clinton sah den Beginn eines »pazifischen Jahrhunderts« für die USA, mit einem transpazifischen Freihandelsabkommen als Basis und Rahmen. Doch davon ist wenig zu spüren, schon gar nicht nach den Kriegen und Krisen in Syrien, Nahost oder der Ukraine. Wobei in Sachen TPP auch der Kongress in Washington bremst; selbst Obamas Demokraten sorgen sich um den Standort USA.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag 24. April 2014

Zähe Verhandlungen

USA wollen Transpazifische Partnerschaft vereinbaren

Von John Dyer, Boston **


Schwierig laufen die Verhandlungen über die von Washington vorgeschlagene Transpazifische Partnerschaft (TPP). Sie soll Handelsschranken für eine ganze Reihe von Waren und Dienstleistungen zwischen den zwölf pazifischen Anrainerstaaten beseitigen. Diese erbringen zusammen rund 40 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung und machen mehr als ein Viertel des Welthandelsvolumens aus. Wie das ebenfalls zäh verhandelte Freihandelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union gilt das TPP der Obama-Regierung als ein Pfeiler ihrer Wirtschaftsagenda. Es sei ein Abkommen für das 21. Jahrhundert, so Handelsministerin Penny Pritzker, und könne dem 20 Jahre alte Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA) neue Dynamik verleihen: »Die Öffnung der Märkte in der asiatisch-pazifischen Region für die US-Exporte und Investitionen wird auf vielfältige Weise dazu beitragen, Wachstum und Arbeitsplätze in den Vereinigten Staaten voranzubringen.« Man dürfe nicht danebenstehen, »wenn unsere Konkurrenten ihre eigenen Abkommen schließen und uns auf den Weltmärkten weniger wettbewerbsfähig machen«.

Die Regierungen in Asien sind dagegen misstrauisch. Vor allem wenn es darum geht, Schutzzölle für die eigene Industrie abzubauen. Ob Verträge wie das Freihandelsabkommen NAFTA oder die Eurozone wirklich Vorteile bringen, ist für sie meist nicht erkennbar. Als Folge haben viele der zwölf pazifischen Länder untereinander Vereinbarungen geschlossen, statt auf das von den USA verlangte umfassende Regionalabkommen zu setzen. Entsprechend wurden die TPP-Verhandlungen gebremst, sei es über Nahrungsmittel, Medikamente oder Bankenregulierungen. Zuletzt sind am Dienstag die Versuche der US-Amerikaner gescheitert, Japan dazu zu bewegen, die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt weiter für Wettbewerber zu öffnen.

** Aus: neues deutschland, Donnerstag 24. April 2014




Gibt es einen atomaren Gruß aus Nordkorea?

Auch Chinas Schatten liegt über der Asien-Reise des US-Präsidenten

Von Daniel Kestenholz, Bangkok ***


US-Präsident Obama will sich auf seiner Asien-Tour der treuen Partnerschaft in der Region versichern, während man dort von Washington vor allem Sicherheitsversprechen erwartet.

Herzstück der Reise Barack Obamas durch Asien soll ein in Manila unterzeichnetes Sicherheitsabkommen werden, das US-amerikanischen Kampffliegern und Kriegsschiffen praktisch uneingeschränkten Zugang zu philippinischen Militärstützpunkten gibt. Doch dieser Pakt ist eher ein Verlegenheitsvertrag, der die Kräfteverhältnisse in Asien nicht grundsätzlich neu ordnen wird. Vielmehr scheint Washington vor allem eine »Provokation« Chinas vermeiden zu wollen, das seine territorialen Ansprüche nach Belieben über Inseln und Atolle ausweitet, die auch von regionalen Nachbarn beansprucht werden.

Präsident Obama wird am Freitag aus Tokio kommend in Seoul erwartet; anschließend reist er weiter nach Malaysia und auf die Philippinen – alles Länder, die mit China in Konflikt um Territorialansprüche im Süd- und Ostchinesischen Meer stehen. Doch was immer die US-Amerikaner unterzeichnen, Peking sieht keinen Gesprächsbedarf. Auch nicht im Inselstreit mit Japan. China »macht keinen Kompromiss, kein Zugeständnis, kein Abkommen«, hat Verteidigungsminister Chang Wanquan schon vergangenen Monat seinem Washingtoner Amtskollegen Chuck Hagel erklärt. »Unser Militär kann jede Schlacht gewinnen.« Obama sieht sich zudem im Dilemma, dass sich die meisten asiatischen Staaten die USA zwar als stabilisierende Kraft in ihrer Region wünschen, doch nicht als eine, die dabei China aufreibt.

Der zuletzt gewachsenen Distanz zwischen Asien und den USA nicht genug, wird Obamas ohnehin schwierige Mission noch dadurch kompliziert, dass die beiden globalen Wirtschaftsmotoren und wichtigen US-amerikanischen Partner Japan und Südkorea kaum mehr miteinander sprechen, weil immer wieder ihre Geschichte die Gegenwart überschattet. Andererseits siegt trotz oftmals scharfer Rhetorik zwischen Asiens nordöstlichen Nachbarn am Ende gewöhnlich Pragmatismus über nationalistische Parolen. Selbst der Handel zwischen den sich verbal stets bekriegenden China und Japan blüht.

Waren die USA Jahrzehnte lang Garant für Asiens Aufschwung und Wirtschaft, nabelte sich Fernost zuletzt nach und nach vom Einfluss der alten Schutzmacht ab. Nach Einschätzung von Experten in der Region ist US-Präsident Obama in Asien selbst verschuldet nicht länger vorrangig Akteur, sondern vor allem Beobachter. Hatte sich etwa die Bush-Regierung – wenn auch widerwillig – noch aktiv um eine Lösung des Konflikts auf der koreanischen Halbinsel bemüht, ignoriert das Weiße Haus nun Pjöngjang mit seiner Politik der »strategischen Geduld«, was das isolierte Regime regelmäßig zu neuen Drohgebärden provoziert. So gab es auch im Vorfeld der Reise des US-Präsidenten Hinweise, dass Nordkorea die dank Obama auf Asien gerichtete weltweite Aufmerksamkeit für einen neuerlichen Atomtest nutzen könnte.

Seoul will auf Punggye Ri, dem wichtigsten Nukleartestgelände Nordkoreas, vermehrt Aktivitäten registriert haben. Für Pjöngjang, das aus Protest gegen gemeinsame Militärmanöver der USA und Südkoreas seit Wochen mit scharfen Gegenmaßnahmen droht, wäre ein Atomtest mit Obama im Nachbarland ein denkbares Druckmittel, um eine erwartbar empörte Weltgemeinschaft dazu zu zwingen, die Pekinger Sechsergespräche über das eigene Nuklearprogramm wieder aufzunehmen. Südkorea dagegen fordert angesichts eines möglichen neuen Atomversuchs ein Machtwort Chinas. Staatschef Xi Jinping müsse »weitere Anstrengungen« unternehmen, um einen neuen Test zu verhindern, ließ die südkoreanische Präsidentin Park Geun Hye nach einem Telefonat beider Politiker am Mittwoch in Seoul mitteilen.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag 24. April 2014


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