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George Wright wird nicht ausgeliefert

Portugals Oberster Gerichtshof bestätigt zuvor in Lissabon gefällte Entscheidung, den US-Antrag abzulehnen

Von Jürgen Heiser *

Der Oberste Gerichtshof Portugals hat im Fall des früheren US-Bürgers George Wright kurz vor Weihnachten einen Berufungsantrag des US-Justizministeriums abgelehnt. Mit dem vor vier Wochen gestellten Antrag wollten die USA ihr Auslieferungsersuchen gegen den ehemaligen Militanten der Black Panther Party durchsetzen. Zuvor hatte ein Lissaboner Gericht die Auslieferung Wrights am 17. November 2011 abgelehnt. Als Grund nannte das Gericht die gültige portugiesische Staatsbürgerschaft Wrights, der seit über 20 Jahren unter dem Namen Jorge dos Santos mit seiner portugiesischen Frau und zwei erwachsenen Kindern nahe Lissabon lebt. Außerdem sei der von den USA vorgebrachte Strafanspruch verjährt.

In dieser Argumentation konnte der Oberste Gerichtshof nun keine Rechtsfehler erkennen und bestätigte die Verweigerung der Auslieferung. »Der Oberste Gerichtshof hat mich heute über seine Entscheidung unterrichtet«, erklärte Wrights Anwalt Manuel Luis Ferreira am vergangenen Freitag gegenüber AP. Nähere Erläuterungen des Gerichts gab es nicht, da Auslieferungsverfahren in Portugal grundsätzlich unter Ausschluß der Öffentlichkeit erfolgen. Die USA können die Entscheidung durch eine Beschwerde beim portugiesischen Verfassungsgericht anfechten. Eine Stellungnahme des US-Justizministeriums zu seinem weiteren Vorgehen steht noch aus.

Der heute 68jährige Jorge dos Santos kam als George Wright in Detroit, Michigan, zur Welt. 1970 floh er mit drei Mithäftlingen aus dem Bayside State Prison in Leesburg, New Jersey, und schloß sich dem politischen Untergrund der afroamerikanischen Befreiungsbewegung an. Zum Zeitpunkt des Ausbruchs hatte er sieben Jahre einer auf 15 bis 30 Jahre festgesetzten Haftstrafe wegen eines Raubüberfalls mit einer Beute von 70 US-Dollar verbüßt. Der Tankwart Walter Patterson war dabei 1962 von einem Mittäter Wrights erschossen worden. Dieser wurde zu lebenslanger Haft verurteilt und ist schon seit Jahren frei.

Als Zielfahnder der US-Bundespolizei FBI Wright nach seiner 41 Jahre dauernden Odyssee durch die USA, Afrika und Europa Ende September 2011 in Portugal aufspürten, machte sein Fall internationale Schlagzeilen.

Nicht nur das US-Justizministerium übte fortan Druck auf die portugiesischen Behörden aus, Wright zur Verbüßung seiner Reststrafe auszuliefern. Auch Politiker wie US-Senator Frank Lautenberg (Demokraten) aus New Jersey intervenierten direkt bei der portugiesischen Regierung. »George Wright ist des Mordes an Walter Patterson schuldig«, so Lautenberg in seiner Depesche an den portugiesischen Premierminister Passos Coelho, »und hat noch die volle Strafe für das abscheuliche Verbrechen in den USA abzusitzen.«

Lautenberg unterschlug in seinem Schreiben, daß der damals 19 Jahre alte Wright nur Mittäter war und sich auf einen Handel mit der Staatsanwaltschaft eingelassen hatte. Mit der Einwilligung, sich nicht gegen die Anklage zu verteidigen, wollte er einem möglichen Todesurteil entgehen. Ohne die Androhung der Hinrichtung und bei angemessener Verteidigung hätte er jedoch 1970 nicht aus dem Gefängnis ausbrechen müssen. Er wäre zu einer kürzen Strafe verurteilt worden und schon nach wenigen Jahren auf Bewährung freigekommen.

* Aus: junge Welt, 29. Dezember 2011


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