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Sieg für Jorge dos Santos

Portugal: Der frühere Black-Panther-Aktivist George Wright wird nicht an die USA ausgeliefert

Von Jürgen Heiser *

Ein portugiesisches Gericht hat die Auslieferung des am 26. September 2011 verhafteten ehemaligen US-Bürgers George Wright an die USA abgelehnt. Die US-Sicherheitsbehörden hatten den Aufenthaltsort des 1970 aus einem US-Gefängnis in New Jersey entflohenen Strafgefangenen in Portugal ausfindig gemacht. Daraufhin hatte die örtliche Polizei den unter seinem neuen Namen Jorge dos Santos bekannten 68jährigen Mann nach einem Auslieferungsersuchen der USA festgenommen. Santos lebte seit fast zwanzig Jahren mit seiner Frau und zwei Kindern in dem Küstendorf Almoçageme, etwa 45 Kilometer westlich der Hauptstadt Lissabon.

Wie eine Justizsprecherin in Lissabon am Donnerstag in einer ersten Stellungnahme bekanntgab, hat sich das für den Auslieferungsantrag zuständige Gericht dem Argument der Verteidigung angeschlossen, George Wright alias Jorge Santos genieße die Rechte eines portugiesischen Staatsbürgers. Außerdem seien die von den US-Behörden vorgebrachten strafrechtlichen Vorwürfe verjährt.

Diesen steht nun die Möglichkeit offen, gegen diese Entscheidung Berufung einzulegen. Laura Sweeney, für diesen Fall zuständige Sprecherin des US-Justizministeriums, war bislang für die Presse nicht erreichbar. Lissabons Justizbehörden kündigten eine ausführlichere Stellungnahme an und verwiesen darauf, daß nach gängiger Rechtspraxis in Auslieferungsverfahren die Verhandlungen nicht öffentlich geführt würden und Außenstehenden keine Einblicke in Verfahrensvorgänge gewährt werden könnten.

Jorge dos Santos erreichte die Nachricht nicht im Gefängnis, sondern in seinem Haus in Almoçageme, wo er nach vorläufiger Entlassung aus der Auslieferungshaft unter Hausarrest stand. Er mußte eine elektronische Fußfessel tragen und hatte die strikte gerichtliche Auflage, mit niemandem über das Verfahren und seine Hintergründe zu sprechen.

Auch sein Verteidiger Manuel Luis Ferreira hatte sich in den letzten Wochen mit öffentlichen Stellungnahmen zurückgehalten. Er hatte aber schon bald nach der Festnahme seines Mandanten deutlich gemacht, dieser habe unter dem neuen Namen Jorge dos Santos 1991 seine damals in der ehemaligen portugiesischen Kolonie Guinea-Bissau lebende portugiesische Frau geheiratet und sei damit Staatsbürger Portugals geworden. Wrights neue Identität als Jorge dos Santos war von den Behörden Guinea-Bissaus garantiert worden, als die sozialistische Regierung des westafrikanischen Landes ihm 1980 politisches Asyl gewährte. Bei der Übersiedlung des Paares 1993 nach Portugal sei die Entscheidung Guinea-Bissaus von den portugiesischen Behörden akzeptiert worden.

Jorge dos Santos war als George Wright in Detroit, Michigan, zur Welt gekommen, Der Afroamerikaner war im August 1970 zusammen mit drei Mithäftlingen aus dem Bayside State Prison in Leesburg, New Jersey, geflohen. Dort hatte er zum Zeitpunkt des Ausbruchs sieben Jahre einer auf 15 bis 30 Jahre festgesetzten Haftstrafe wegen eines Raubüberfalls verbüßt.

Nach seiner Flucht, so das FBI, habe er sich in Detroit der militanten schwarzen Befreiungsbewegung angeschlossen und 1972 gemeinsam mit vier anderen Militanten eine Maschine der Delta Airlines auf dem Weg von Detroit nach Miami entführt, um sich in Algerien der Internationalen Sektion der Black Panther Party (BPP) anzuschließen.

Anfang 1973 verließ die Gruppe per Schiff Algerien Richtung Frankreich, wo drei von ihnen fortan mit neuer Identität lebten und nach ihrer Entdeckung nicht an die USA ausgeliefert, sondern nach kurzer Haft rehabilitiert wurden. Wright hatte die Gruppe bereits zuvor mit unbekanntem Ziel verlassen und war erst durch das Auslieferungsverfahren als Jorge dos Santos wieder aufgetaucht.

* Aus: junge Welt, 19. November 2011


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