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Gegenwind für Barack Obama

Demokratische Partei erlitt bittere Niederlage bei den Kongresswahlen in den USA

Von Max Böhnel, New York *

Die USA-Demokraten haben bei den Zwischenwahlen ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus verloren und müssen Macht und Einfluss im Kongress an die rechten Republikaner abgeben.

Während der Demokratischen Partei von Präsident Barack Obama nach den »Halbzeitwahlen« zum Kongress am Dienstag (2.Nov.) im Senat eine knappe Mehrheit von 51 der 100 Sitze bleibt, musste sie im Repräsentantenhaus eine bittere Niederlage einstecken. Die Republikaner gewannen mindestens 61 Sitze hinzu und schicken nun deutlich mehr als 230 Abgeordnete in die 435 Sitze umfassende Kongresskammer. Parallel zur Kongresswahl wurden in 37 der 50 Bundesstaaten die Gouverneure neu gewählt. Nach Angaben der Internetseite realclearpolitics.com lösen die Republikaner in zehn Staaten demokratische Amtsinhaber ab. Im Bundesstaat New York erlitt der »Tea Party«-Kandidat Carl Paladino hingegen gegen den Demokraten Andrew Cuomo eine Niederlage. In Kalifornien setzte sich Jerry Brown als Nachfolger des Republikaners Arnold Schwarzenegger durch.

Präsident Obama hat nach der Wahlniederlage seiner Partei den Konservativen die Zusammenarbeit angeboten. Er teilte John Boehner, dem designierten »Speaker« – das mächtigste Amt im Repräsentantenhaus – telefonisch mit, das Land müsse nun vorangebracht werden. Er werde versuchen, dafür eine gemeinsame Basis zu finden. Boehner hatte vor laufenden Kameras zuvor feuchte Augen bekommen, als er vor einer jubelnden Menge über den »amerikanischen Traum« sprach. Doch dann wandte er sich mit markigen Worten an die Adresse Obamas: »Das amerikanische Volk hat dem Präsidenten eine Botschaft gesandt: Ändern Sie Ihren Kurs!«

Nach diesem Wahlergebnis müssen Obama und die Demokraten nun jeglichen Gesetzesentwurf mit den Republikanern abstimmen. Mainstream-Kommentatoren sagten gestern schon einen »flexibleren« Obama voraus. Substanzielle Reformen, etwa in der Sozial- und Regulierungspolitik, sind in weite Ferne gerückt. Zugleich wird sich das Obama-Team schon jetzt thematisch, organisatorisch und finanziell auf die Präsidentschaftswahlen in zwei Jahren vorbereiten. Deren Hauptthema dürfte die schlechte Situation auf dem Arbeitsmarkt sein. Beobachter sind sich weitgehend einig, dass die Wirtschaftskrise und die hohe Arbeitslosigkeit in den USA – amtlichen Zahlen zufolge bei rund zehn Prozent, in Wirklichkeit etwa doppelt so hoch – das Verhalten der Wähler bestimmt haben. Ob sich die Demokraten bei den Älteren und Armen aber Freunde machen werden, ist fraglich. Denn wie die Republikaner kündigte auch die Obama-Partei an, am Medicare-Programm (medizinische Hilfen für Ältere) und bei Medicaid (medizinische Hilfen für Arme) Streichungen vorzunehmen.

Obzwar die Bundesregierung in Berlin wie andere NATO-Partner auch nach diesem Wahlergebnis auf Kontinuität in der US-amerikanischen Außenpolitik setzen, hat die Machtverschiebung durchaus weltweite Auswirkungen, muss sich Obama doch stärker an den rechten Republikanern orientieren, um international aktionsfähig zu bleiben. Das, so Beobachter in Washington, könnte zu wachsenden Spannungen im Nahen Osten sowie gegenüber Iran führen.

Schon bisher hatte sich die konservative Opposition an Obamas »distanzierter« Rhetorik gegenüber der israelischen Regierung gestoßen. Jetzt droht eine noch einseitigere Unterstützung der Besatzungsmacht. Zusätzlich zu den drei Milliarden Dollar, die Israel ohnehin jährlich erhält, will der wichtigste Pro-Israel-Republikaner im Abgeordnetenhaus, Eric Cantor, diese Summe aus dem außenpolitischen Hilfspaket ausklammern und dem Pentagon-Budget unterordnen. Darüber hinaus streben die Republikaner eine Kürzung oder Streichung der Mittel für die palästinensische Autonomiebehörde und für arabische Staaten an.

Auch die Iran-Politik der Obama-Regierung war den Republikanern bisher nicht aggressiv genug. Jetzt wittern sie Morgenluft. Obwohl der Präsident im Sommer schärfere Sanktionen gegen Teheran billigte, fordern die Rechten, die »militärische Option« wieder auf den Tisch zu legen.

* Aus: Neues Deutschland, 4. November 2010

Strippenzieher

John Boehner / Als neuer Sprecher des Repräsentantenhauses Obamas härtester Widersacher

Von Olaf Standke


Er gab sich ganz staatsmännisch nach dem Triumph und nannte die Sanierung des Haushalts, Ausgabenkürzungen und die Reduzierung staatlicher Aufgaben als Prioritäten der künftigen Mehrheitspartei im Repräsentantenhaus. Dies sei auch die Grundlage für eine Kooperation der Republikaner mit dem Präsidenten. »Soweit er bereit ist, dies zu tun, wollen wir mit ihm zusammenarbeiten«, sagte John Boehner. Der konservative Fraktionschef, künftig Sprecher der ersten Kongresskammer, wird der größte Widersacher Barack Obamas und einer der mächtigsten Politiker in den USA sein, laut Verfassung die Nr. 3 im Staate. Ein Job, den er kennt, denn 2006 war Boeh-ner schon einmal für einige Monate Mehrheitsführer.

Der 60-Jährige aus dem ländlichen Südwesten Ohios zeigt sich stets edel gekleidet und dank Solarium tief gebräunt. Doch betont er gern, dass er sehr gut wisse, wie es dem einfachen Amerikaner geht. Schließlich sei er als eines von zwölf Kindern gleichsam in der Kneipe seiner Eltern im Arbeiterstadtteil von Cincinnati aufgewachsen, habe sich als kleiner Unternehmer durchgeschlagen und heute zwei Brüder und zwei Schwager ohne Arbeit. Wobei zur ganzen Wahrheit gehört, dass der seit vier Jahrzehnten verheiratete Vater zweier Töchter mit seiner Verpackungsfirma Millionen verdiente.

Boehner sitzt seit fast 20 Jahren im Kongress und begann als rechte Hand des schillernden Newt Gingrich. Er machte sich als Spendensammler – besonders enge Kontakte pflegt der Kettenraucher zur Tabaklobby – und kompromissloser Mr. No gegenüber den Reformbemühungen der Demokraten unter Obama einen Namen: kein Vordenker, aber ein gewiefter Strippenzieher hinter den Kulissen, der alle parlamentarischen Tricks kennt.

Neues Deutschland, 4. November 2010



Tea Time im Kongress

Bei den Zwischenwahlen in den USA erlebten die Demokraten ein Debakel / Nach dem Rechtsruck wird das Regieren für Obama noch schwerer

Von Olaf Standke **


Warum feiern die Republikaner bei diesen Zwischenwahlen Siege auf allen Ebenen und was bedeutet das für die Zeit bis zum nächsten Präsidentenvotum?

Diese Schlappe dürfte für Barack Obama besonders schmerzlich sein: Auch sein früherer Senatssitz im Bundesstaat Illinois wurde am Dienstag von einem Republikaner erobert. Er war ein demokratischer Erbhof, nur ein Mal in den vergangenen 40 Jahren musste die Partei zuvor eine Niederlage einstecken. Obama hatte den Sitz bei seinem Amtsantritt als Präsident vor zwei Jahren abgegeben. Als Trost blieb ihm, dass die Präsidentenpartei zumindest im Senat eine knappe Mehrheit behaupten konnte und noch einmal mit einem blauen Auge davonkam.

Doch in der großen Kongresskammer erlebte die Partei ein Debakel von historischem Ausmaß: Der Verlust von mindestens 61 Abgeordnetenmandaten bedeutet den größten Zugewinn, den die Opposition dort seit 1948 erringen konnte. Die für einen Machtwechsel im Senat erforderlichen zehn zusätzlichen Sitze verfehlten die Konservativen dagegen.

Nach diesem Erdrutsch ist Tea Time im Repräsentantenhaus angesagt. Denn auch wenn nicht alle Blütenträume der ultrakonservativen Protestbewegung reiften – sie zog mit Dutzenden Kandidaten in das Parlament ein und wird durch ihre Vertreter in den nächsten zwei Jahren maßgeblichen Einfluss auf die Politik nehmen. Erstmals wollen sie bei den Republikanern eine eigene Fraktion bilden.

In allen Wahlumfragen waren Obama und den Demokraten wegen der großen Unzufriedenheit angesichts der Wirtschaftslage, der unvermindert hohen Arbeitslosigkeit und weithin unbeliebter Gesetzesprojekte große Verluste prognostiziert worden. Wie Bestseller-Autor Jonathan Franzen erklärte, seien die Amerikaner »leichtgläubige Kleinkinder, und Obama ist ihr Weihnachtsmann«. Ihre Erwartungen seien so hoch, dass er sie unmöglich erfüllen könne. Die Frage sei aber auch, ob er gut daran getan habe, sie dermaßen zu schüren. Tatsächlich fehlte dem vermeintlich großen Kommunikator das richtige Gespür für die Stimmung im Lande. So ist das schlechte Ergebnis der Demokraten vor allem auch eine Abstrafung Barack Obamas.

Der »Tea Party«-Bewegung gelang es landesweit, enttäuschte Erwartungen in Wut und gar Hass auf den Präsidenten und seine Regierung umzuwandeln. Selbst bizarrste Ansichten zur Rassenfrage, zu Abtreibung oder Homosexualität fielen da auf fruchtbaren Boden. Vergessen schien auch, wer das Land in zwei verheerende Kriege und die große Wirtschafts- und Finanzkrise geführt hatte.

Zugleich konnten die Demokraten ihre Anhänger nicht ausreichend mobilisieren und verloren vor allem unter den sogenannten unabhängigen Wählern dramatisch, wie das »Wall Street Journal« anhand von Nachwahlbefragungen analysierte. Demnach votierten 55 Prozent der Gruppe bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus für die Republikaner, nur 40 Prozent für die Demokraten. Vor zwei Jahren bevorzugte sie die Demokraten noch mit 57 zu 39 Prozent. Aber auch bei anderen bröckelte die Zustimmung. So verlor die Obama-Partei bei den Frauen, bei älteren Menschen, bei den Arbeitern und in der Mittelschicht.

Das Regieren wird nach dem Rechtsruck im Kongress noch schwieriger werden. Die Republikaner können nun Obamas Gesetzesinitiativen ausbremsen, der allerdings kann mit seinem Veto auch Beschlüsse des Kongresses stoppen.

Für heftigen Streit dürfte das Vorhaben der Republikaner sorgen, Obamas Gesundheitsreform zurückzunehmen. Finden beide Seiten nicht zu Kompromissen und zur Kooperation nach Art einer großen Koalition, droht den USA in den nächsten zwei Jahren eine Dauerblockade – auch mit Auswirkungen auf die Außenpolitik, wenn man etwa an die Abrüstungs- oder die Klimaschutzverhandlungen denkt. Mitch McConnell, republikanischer Sprecher im Senat, hat das eigentliche Ziel vorgegeben: Obama dürfe nur der »Präsident einer Amtszeit« sein.

Zahlen und Fakten

  • Zwei Jahre nach der historischen Wahl Obamas zum ersten afroamerikanischen USA-Präsidenten wird der Senat wieder zum Club der Weißen. Keinem der drei schwarzen Kandidaten, die für die Demokraten in den Südstaaten Florida, South Carolina und Georgia angetreten waren, gelang der Sieg.
  • In einem der am härtesten umkämpften Rennen hat sich der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, gegen seine republikanische Mitbewerberin Sharron Angle, eines der bekanntesten Gesichter der rechten Basisbewegung »Tea Party«, in Nevada durchgesetzt.
  • Auch auf der Ebene der Bundesstaaten siegten die Republikaner und nahmen den Demokraten mindestens zehn Gouverneursposten ab – davon einige bedeutende mit Blick auf die nächste Präsidentschaftswahl. So regieren Konservative künftig die einst demokratisch beherrschten Staaten Ohio, Pennsylvania, Iowa, Kansas, Oklahoma, Tennessee, Michigan, Wyoming, New Mexico und Wisconsin.
  • Der US-Bundesstaat South Carolina bekommt mit der Republikanerin Nikki Haley die erste Gouverneurin asiatischer Abstammung. New Mexico wird künftig erstmals von einer Frau mit lateinamerikanischen Wurzeln regiert, der Republikanerin Susana Martinez.
  • Der Republikaner Arnold Schwarzenegger erhält einen demokratischen Nachfolger: Die Kalifornier wählten den amtierenden Justizminister Jerry Brown (72) zum Gouverneur. Seine Rivalin, die einstige Ebay-Chefin Meg Whitman (54), hatte mit über 140 Millionen Dollar so viel wie niemand sonst aus eigener Tasche in die Wahlschlacht gesteckt.
  • Kiffen in Kalifornien wird nicht erlaubt – die Wähler dort haben gegen die Legalisierung von Marihuana gestimmt. Der Volksentscheid »Proposition 19« sah vor, dass die Droge zum Genuss konsumiert und in kleinen Mengen angebaut werden darf. Dagegen siegten die kalifornischen Umweltschützer in einem Referendum über die Beibehaltung des strikten Klimaschutzgesetzes.
  • Ein bizarrer Vorschlag zur Gründung einer »Kommission für außerirdische Angelegenheiten« erlebte in Denver eine Bruchlandung. Die Einwohner sprachen sich gegen die Einführung eines UFO-Gremiums aus. ND


** Aus: Neues Deutschland, 4. November 2010


Nicht überall ist Obama-Land abgebrannt

Im Bundesstaat Massachusetts konnte die Präsidentenpartei gegen den Trend alle Wahlkreise halten

Von John Dyer, Boston ***


Obama-Land gibt es noch: In Massachusetts hat die demokratische Präsidentenpartei gegen den Trend im Rest der USA alle Wahlkreise gehalten. Im Stammland der Kennedys hatten es die Republikaner besonders schwer.

Martin Lamb aus Massachusetts zählte in der Wahlnacht zu den Verlierern. Und doch war er glücklich. Der republikanische Kandidat für das Abgeordnetenhaus schaffte es trotz massiver Unterstützung durch die Tea-Party-Bewegung nicht, den bisherigen demokratischen Abgeordneten James McGovern zu verdrängen. Der gewann sogar deutlich in dem einzigen US-Bundesstaat, in dem alle zehn Wahlkreise für das Abgeordnetenhaus am Dienstag wieder von den Demokraten geholt wurden.

Was Lamb und seinen politischen Freunden so gefiel, als sie bei ihrer Wahlparty im JJ’s Sports Bar & Grill in Northborough feierten, waren die Fernsehnachrichten. Sie waren stolz, dass sie dem alteingesessenen McGovern den härtesten Wahlkampf geliefert hatten, den dieser seit 14 Jahren erlebt hat. Glücklich aber machten sie die Ergebnisse aus den gesamten Vereinigten Staaten, die das Fernsehen auf allen Kanälen brachte. »Schaut auf die nationalen Ergebnisse, vergesst Massachusetts«, rief Lamb aus, ein 53-jähriger Anwalt. Viele seiner Anhänger waren in historischen Kostümen gekommen, um an den Ursprung der Idee ihrer Bewegung zu erinnern – die revolutionäre Tea Party von Boston.

Blau ist die Farbe der Demokraten in den USA, rot die der Republikaner. Massachusetts ist seit jeher ein blauer Staat. Für die Abgeordneten aus den zehn Wahlbezirken und den Gouverneur gilt das weiter. Aber gerade Massachusetts hatte – unter starker Mitwirkung der Tea Party – in diesem Jahr ein Zeichen in Richtung Wechsel gesetzt. Nach dem Tod Edward »Ted« Kennedys musste dessen Senatssitz in Nachwahlen neu besetzt werden. Sieger wurde der Republikaner Scott Brown. Sein Sieg war ein Startzeichen dafür, was die Konservativen auch bei den Novemberwahlen alles bewegen wolten, angetrieben von ihrem Ärger über Obamas vermeintlich »sozialistischen« Kurs des allmächtigen Staates und der überbordenden Staatsausgaben – wie 800 Milliarden für die Konjunktur und eine Billion für die Gesundheitsreform. Viele der Tea-Party-Anhänger – man kann nicht von Mitgliedern sprechen, da es keine festen Strukturen gibt – fürchten, dass Obama und der »linke Flügel« der Demokraten die USA zu einem Sozialismus führen, wie ihn die Verfassungsväter nicht gewollt hätten. In Massachusetts steht der demokratische Abgeordnete McGovern für diesen Kurs. »Der ist so weit links, wie man nur sein kann«, schimpft Priscilla Veld, eine frühere Finanzanalystin im Rentenalter. »Der ist sogar ein Freund Fidel Castros. Und er hat nichts für die mittelständische Wirtschaft in diesem Staat getan. Und er hat für ObamaCare gestimmt, gegen die ich bin.« ObamaCare ist die abfällige Bezeichnung für Obamas Healthcare-Reform (Gesundheitsreform).

Bei den Gesprächen in JJ’s Bar mit dem Budweiser-Glas oder der Flasche in der Hand ging es immer wieder darum, wie abgehoben die linken Demokraten, von McGovern in Massachusetts bis Obama im Weißen Haus, seien. Dreimal sei er mit anderen Unternehmern nach Washington D.C. gefahren, um mit McGovern über die Sorgen der Wirtschaft im Wahlkreis zu sprechen, erzählt Mark Gaunya. Der habe sie zwar empfangen, aber mitten im Gespräch sein Handy gezückt und angefangen, E-Mails zu beantworten. »Da habe ich beschlossen, mich zu engagieren«, sagt Tea- Party-Aktivist Gaunya.

Für einen Wandel zum schlanken Staat und zu niedrigeren Steuern stehen andere Tea Party- Kandidaten, die es geschafft haben, etwa der Republikaner Rand Paul, neuer Senator für Kentucky. Er will Kürzungen, die Umfang und Befugnisse der Bundesregierung drastisch reduzieren würden. Da folgen ihm allerdings die moderaten Republikaner weder im Repräsentantenhaus noch im Senat. Aber jetzt, als Senator, hat er ganz allein die Möglichkeit, durch sogenanntes Filibustern Abstimmungen fast unbegrenzt lange zu verhindern. Politikprofessor Charles Franklin von der University of Wisconsin erwartet so etwas. »Kein Kongress kann ein Regierungsprogramm verabschieden, das solchen Leuten von der Tea Party gefällt«, meint er.

Für Martin Lamb und Freunde kommt eine solche Blockade gerade recht. »Das war nur eine Schlacht«, meint er. »Der Krieg ist noch nicht gewonnen. Aber er ist ganz sicherlich nicht verloren.«

*** Aus: Neues Deutschland, 4. November 2010


Wut-Wahl

Von Olaf Standke ****

An Bill Clinton hat es nicht gelegen. Der frühere Präsident tourte im Wahlkampf durchs Land wie kein zweiter und versuchte, das sich abzeichnende Debakel für seine Demokraten bei den Kongresswahlen doch noch zu verhindern. Vergeblich. Dem triumphalen Einzug von Barack Obama ins Weiße Haus folgte für die Präsidentenpartei zwei Jahre später eine drastische Niederlage, auch wenn am Ende eine knappe Mehrheit im Senat bleibt. Der Hoffnungsträger wurde erbarmungslos abgestraft, und dank Clinton wissen wir auch, woran es liegt: Die Wirtschaft macht's, du Depp! Wenn heute vier von zehn USA-Bürgern sagen, ihnen gehe es finanziell schlechter als vor zwei Jahren, dann kreiden sie das seiner Regierung an. Mit hanebüchener, aber wirkungsvoller Demagogie hat die Tea Party am rechten Rand der Republikaner das auf über eine Billion Dollar angewachsene Budgetdefizit zum Ausfluss eines Sozialismus à la Obama umgedeutet und die Wut der Unzufriedenen bis hin zum irrationalen Hass gegen den Präsidenten geschürt.

Was den einen viel zu wenig an versprochenem Wandel war, trieb die anderen zur konservativen Gegenrevolution an die Wahlurnen. Obama mag trösten, dass Clinton einst bei seiner ersten Zwischenwahl als Präsident sogar beide Kongresskammern verlor und zwei Jahre später doch wiedergewählt wurde. Die Frage ist nur, wie weit sein Nachfolger auf der Suche nach der verlorenen Mitte nun selbst nach rechts rückt.

**** Aus: Neues Deutschland, 4. November 2010 (Kommentar)


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