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"Wir schützen Amerika"

Chef des US-Geheimdienstes NSA betont Legalität der Ausspähung

Von John Dyer, Boston *

Die US-amerikanischen Geheimdienste setzen sich zur Wehr gegen die Kritik an ihrer Überwachungspraxis im Zuge der Terrorabwehr.

General Keith Alexander, noch von Präsident George W. Bush zum Leiter des Geheimdienstes NSA ernannt, verteidigte im US-Kongress alle Abhör- und Mitleseaktionen als durchweg legal. Die Veröffentlichung des seit sieben Jahren laufenden Programms zur Speicherung sämtlicher Telefondaten von Teilnehmern in den USA, darunter auch Anrufe im und aus dem Ausland, sowie der seit fünf Jahren gesammelten Internet-Kommunikation habe der Sicherheit der USA geschadet, sagte Alexander den Senatoren. Der Informant Edward Snowden ist derweil von seinem Arbeitgeber Booz Allen Hamilton entlassen worden. Snowden hatte Dossiers über die NSA-Aktionen an Medien gegeben. Er ist in Hongkong untergetaucht. Das FBI leitete strafrechtliche Ermittlungen gegen Snowden ein.

Auf die Frage von US-Senatoren, ob die beiden Programme der NSA (National Security Agency) Terroranschläge vereitelt hätten, antwortete Alexander bejahend. Er konnte oder wollte aber kein konkretes Ereignis nennen. Der NSA-Chef versprach dem Senatsausschuss allerdings, er werde konkrete Informationen nachliefern. Er betonte in der Anhörung, dass beide Programme – die Speicherung der »Megadaten« im Telefonbereich mit Anrufer, Anrufendem, Zeitpunkt und Dauer sowie die Aufzeichnung von E-Mails und anderem Datenaustausch im Internet – legal seien. Sie seien durch das immer wieder ausgeweitete Staatsschutzgesetz »Patriot Act« gedeckt. Was die NSA-Mitarbeiter unternähmen, »tun sie rechtmäßig. Sie halten sich an die Regeln und werden kontrolliert. Sie schützen die Bürgerrechte und die Privatsphäre und die Sicherheit dieser Nation jeden Tag aus voller Überzeugung.« Der NSA-Chef: »Niemand kann stolzer auf die Männer und Frauen der NSA sein als ich.« Alexander ist seit 2005 NSA-Chef und auch der Abteilung für den Cyber-Krieg dort.

Das Vorgehen der NSA wurde vom zuständigen Sondergericht genehmigt. Auch das Internet-Kontrollprogramm »Prism« ist vom Kongress 2008 gebilligt worden. Sein Umfang war jedoch bis zur Snowden-Enthüllung öffentlich nicht bekannt. »Wir versuchen nichts zu verbergen«, sagte Alexander. »Wir versuchen, Amerika zu schützen.«

* Aus: neues deutschland, Freitag, 14. Juni 2013


Sicherheitsrisiko des Tages: Keith Alexander **

Keith Alexander hat das Hosenflattern bekommen. »Wir sind nicht mehr so sicher, wie wir es noch vor zwei Wochen waren«, hat er dem US-Parlament mitgeteilt. Der Mann ist Chef des geheimsten Geheimdienstes der USA, der National Security Agency (NSA). Am meisten fürchtet sich Alexander vor seinem früheren Mitarbeiter Edward Snowden. Der hatte vor wenigen Tagen das US-amerikanische Spähprogramm »PRISM« enttarnt, mit dem Washington die weltweite Kommunikation im Internet überwacht. Da werden Abermilliarden Daten von Milliarden Internetnutzern gesammelt und für die Unendlichkeit gespeichert. Gerät irgendwer durch irgendwas in Verdacht, ist jede Spur, die er im Netz hinterlassen hat, in Sekundenschnelle abrufbar. Das haben zwar alle geahnt, aber wissen sollte es keiner. Damit hat Snowden aufgeräumt, und jetzt ist die Sicherheit in Gefahr.

Welche eigentlich? Snowdens? Schwer zu leugnen. Die von Mr. Alexander? Weniger. Bisher jedenfalls ist nicht bekannt geworden, daß Hubertus Knabe den NSA-Laden übernehmen will, um ein Horror-Museum daraus zu machen, in dem kommende Schüler-Generationen vor Facebook und Co. gewarnt werden könnten. Oder ist gar die Sicherheit der USA in Gefahr geraten bzw., noch schlimmer, die Freiheit des Kapitals, für 300 Prozent Profit jedes Verbrechen zu riskieren, selbst auf die Gefahr des Galgens? Dann ginge es wirklich ans Eingemachte. Aber man weiß es eben nicht. Wir wissen: Mit der »rechtmäßigen« Schnüffelei, so Alexander, seien »Dutzende« potentielle Anschläge im In- und Ausland verhindert worden. Dutzende? Da lichtet sich der Schleier: In Jahren, wenn nicht Jahrzehnten der Schnüffelei lächerliche Dutzende Anschläge im Vorfeld aufgeklärt. Hunderte, besser Tausende – das wäre eine Erfolgsmeldung. Woran liegt das klägliche Ergebnis, geben wir zu wenig Daten preis? Mal überlegen.

(ulis)

** Aus: junge Welt, Freitag, 14. Juni 2013


Heuchlerisch

Von Olaf Standke ***

NSA steht für National Security Agency, Amerikas geheimsten Geheimdienst, eine globale Datenkrake, in den USA gern übersetzt mit »No Such Agency«, den Dienst, den es gar nicht gibt. Nun müssen die Schattenkrieger die Flucht nach vorn antreten, denn die Enthüllungen über ihre massiven digitalen Attacken bringen Washington in Erklärungsnot, zumal man bisher gern mit dem Finger auf andere vermeintliche Cyber-Terroristen gezeigt hat. Etwa in China.

Heuchlerisch, findet der Informant Edward Snowden, der geheime NSA-Papiere an die Medien gab und nach Hongkong geflüchtet ist. Seit Jahren hacke die NSA auch chinesische Computer. Darüber wollte NSA-Chef Keith Alexander bei seiner fast zeitgleichen vehementen öffentlichen Verteidigung der Internetspionage aber nicht reden, er argumentierte lieber mit der Verhinderung von Terroraktionen durch die flächendeckende elektronische Ausspähung. Das sehen nicht nur Bürgerrechtsaktivisten anders. Sie haben Klage wegen Verfassungsbruchs eingereicht. Und im Netz ergießt sich ein Shitstorm über den einstigen Hoffnungsträger Obama, der in seinem ersten Präsidentschaftswahlkampf noch Informanten beim Aufdecken von Missständen als mutig und patriotisch lobte. Inzwischen hat er mehr »Whistleblower« nach einem Spionagegesetz von 1917 verfolgen lassen als jemals zuvor.

*** Aus: neues deutschland, Freitag, 14. Juni 2013 (Kommentar)


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