Schuldig im Sinne der Anklage
Kriegsverbrechertribunal verurteilte Protagonisten der Bush-Regierung
Von Karin Leukefeld *
Erstmals sind die politisch Verantwortlichen für die Kriege in Afghanistan und Irak sowie für das Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba als Kriegsverbrecher verurteilt worden.
Nach einer fünftägigen Verhandlung vor dem Kriegsverbrechertribunal in Kuala Lumpur (Malaysia) - einer Nichtregierungsorganisation - wurde der frühere US-Präsident George W. Bush der Folter, grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung sowie Kriegsverbrechen in Afghanistan, Irak und im Gefangenenlager Guantanamo Bay (Kuba) für schuldig befunden. Mit ihm verurteilt wurden sein damaliger Stellvertreter Richard Cheney, der damalige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sowie dessen Stellvertreter Alberto Gonzales.
Auch die ehemaligen Präsidentenberater bzw. Staatsanwälte David Addington, William Haynes II, Jay Bybee und John Choon Yoo wurden verurteilt. Das Kriegsverbrechertribunal, das durch Stiftungsgelder finanziert wird, geht auf eine Initiative des früheren Ministerpräsidenten Malaysias Mahathir Mohamad zurück. Er gehörte 2003 zu den schärfsten Gegnern der US-geführten Invasion gegen den Irak.
Rechtsanwalt Francis Boyle, Experte für Kriegsverbrechen und Professor für Recht an der Universität Illinois (USA) war einer der Ankläger in dem Verfahren, das nach den »Nürnberger Prinzipien« für Kriegsverbrechen strukturiert war. Dreimal hätten er und andere Anwälte versucht, Bush gerichtlich zu belangen, sagte Boyle. Sowohl in Kanada als auch in Spanien und Deutschland seien sie an der Weigerung der Regierungen gescheitert, die Fälle bei den jeweiligen Strafverfolgungsbehörden zuzulassen. »Zum ersten Mal in der Welt wurden diese Leute nun schuldig gesprochen«, sagte Boyle nach dem Verfahren. Er hoffe, dass Bush und Kollegen sich bald auch vor anderen Gerichten verantworten müssten. Die Mitschriften von Anklage und Zeugenaussagen werden nun mit dem Urteil an den Internationalen Strafgerichtshof, die Vereinten Nationen und an den UNO-Sicherheitsrat weitergeleitet mit der Aufforderung, gegen die Delinquenten aktiv zu werden.
In der Verhandlung wies die Anklage nach, dass und wie alle Entscheidungsträger bis zur obersten Ebene von Bush, Cheney und Rumsfeld zusammenarbeiteten. Die systematische Anwendung von Folter sei von ihnen als Norm akzeptiert worden. Zeugen und Betroffene sowie Experten wurden gehört. Alle Zeugen sind bis heute von den Qualen der erlittenen Folter und Misshandlung gezeichnet. In erschütternden Berichten beschrieben sie, wie sie von US-Soldaten und Angestellten privater Sicherheitsfirmen gefangen genommen, gefoltert und erniedrigt worden waren. Ein 48-jähriger Ingenieur aus Falludscha (Irak) berichtete, dass man ihm die Fingernägel mit Zangen herausgerissen habe, ein anderer Iraker war mit Stromschlägen gequält und an einer Wand aufgehängt worden. Ein dritter Mann berichtete von Schlägen und Isolationshaft in Abu Ghoreib. Eine Irakerin schilderte, wie sie fast vollständig entkleidet während eines Transportflugs im Hubschrauber als »menschliches Schutzschild« missbraucht worden war.
* Aus: neues deutschland, Dienstag, 15. Mai 2012
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