Wall Street frei geknüppelt
New Yorker Polizei ging mit brutaler Gewalt gegen Protestierer vor / Über 250 Festnahmen *
Bei den Protesten der Occupy-Bewegung in New York ist es zu heftigen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen.
Mehr als 250 Menschen wurden Polizeiangaben zufolge am Donnerstag (17. Nov.) in der US-Metropole New York festgenommen, zehn Demonstranten und sieben Polizisten wurden verletzt. In London besetzten Aktivisten der Anti-Banken-Bewegung in der Nacht zum Freitag (18. Nov.) ein leer stehendes Bürogebäude der Schweizer Großbank UBS.
Genau zwei Monate nach Beginn der Occupy-Bewegung gegen die Macht der Finanzmärkte und gegen soziale Ungerechtigkeit versammelten sich rund 1000 Demonstranten an der Finanzmeile Wall Street in Manhattan, die von einem massiven Polizeiaufgebot abgeriegelt wurde. Die Menge skandierte Parolen wie »Die Wall Street ist geschlossen« und hinderte Börsianer daran, zu ihren Arbeitsplätzen zu gelangen.
Straßensperren hinderten die Aktivisten bei den Protestmärschen tagsüber daran, direkt zur New Yorker Börse vorzustoßen. Die Polizei hatte ihre Sicherheitsvorkehrungen um das ohnehin seit zwei Monaten weitgehend abgeriegelte Gebäude verstärkt. Eisengitter und Beamte in Kampfmontur versperrten den Demonstranten den Weg ins Herz des Finanzbezirks. Menschen, die zu ihren Arbeitsplätzen wollten, mussten scharfe Kontrollen über sich ergehen lassen. Ihr Vorhaben, die Börse lahm zu legen, konnten die Demonstranten jedoch nicht umsetzen. Hunderte Polizisten, unter ihnen zahlreiche berittene Beamte, bahnten den Börsianern schließlich einen Durchgang und versuchten, die Straße vor der Börse zu räumen. Dabei kam es zu chaotischen und gewaltsamen Szenen, Polizisten schlugen mit Schlagstöcken auf Demonstranten ein und nahm über 250 fest.
Nach den Aktionen während des Tages zogen in den Abendstunden nach Veranstalterangaben 20 000 Menschen über die Brooklyn Bridge. Der Verkehr auf der Brücke wurde nicht beeinträchtigt, weil die Demonstranten auf den Fußgänger- und Fahrradspuren liefen. Zahlreiche Autofahrer hupten, um den Demonstranten ihre Unterstützung zu signalisieren. Bei dem Marsch über die Brooklyn Bridge blieb es weitgehend friedlich, die Polizei nahm dennoch 64 Menschen fest. Anfang Oktober hatte die Polizei bei einem Occupy-Marsch über die Brücke mehr als 700 Demonstranten festgenommen.
Später versammelten sich rund 2000 Demonstranten am Zuccotti-Park. Der Park unweit der Wall Street ist die Wiege der Protestbewegung, am 17. September hatten dort die ersten Demonstranten ihre Zelte aufgeschlagen. In der Nacht zum Dienstag (15. Nov.) hatten die Behörden das Camp schließlich räumen lassen.
Von New York aus hatte sich »Occupy Wall Street« (Besetzt die Wall Street) in zahlreiche Städte der USA und in andere Länder ausgedehnt. Für Donnerstag hatte die Bewegung zu einem weltweiten Aktionstag aufgerufen. In den USA gab es unter anderem in der Hauptstadt Washington, in Chicago, Seattle und Dallas Protestmärsche. In Los Angeles löste die Polizei eine Kundgebung auf und nahm mehr als 70 Menschen fest.
In London besetzten rund ein Dutzend Banken-Gegner in der Nacht zum Freitag ein leer stehendes Bürogebäude, das der UBS-Bank gehört Das Gebäude im Osten der britischen Hauptstadt solle als »Bank der Ideen« genutzt werden, teilten die Aktivisten mit. Die UBS-Bank kündigte »geeignete Maßnahmen« an, Medienberichten zufolge versammelten sich vor dem Gebäude private Sicherheitsleute. Am Donnerstagabend (17. Nov.) hatten Demonstranten der Anti-Banken-Bewegung die Aufforderung zur Räumung ihres Lagers vor der St. Paul's Cathedral ignoriert. Als die Frist der Stadtverwaltung ablief, erhoben rund 300 Demonstranten ihre Hände zu einem »stillen Schrei«. Die Verwaltung hatte eine Klage angekündigt, falls das Ultimatum nicht beachtet werde.
* Aus: neues deutschland, 19. November 2011
Verhärtete Fronten
Von Olaf Standke **
Die Rechnung scheint doch nicht so reibungslos aufzugehen wie gedacht. Denn die Räumungen der Occupy-Camps in den vergangenen Tagen, vor allem jene des Flaggschiffs im New Yorker Zuccotti-Park, hat offensichtlich nicht das damit erhoffte Ende der Bewegung eingeläutet - auch wenn die Lage der Protestierenden nicht einfacher geworden ist. Doch es waren wieder Tausende, die dem Aufruf zur Demonstration im fiskalischen Machtzentrum der USA wie in anderen Großstädten des Landes gefolgt sind, wobei die Schärfe der Auseinandersetzungen deutlich zugenommen hat. Für sie sind Banken und Börse entscheidend verantwortlich für die sozialen Ungerechtigkeiten im Lande. Und die könnten noch größer werden, wenn die sogenannte politische Klasse nicht endlich die öffentlichen Haushalte in den Griff bekommt.
Gerade hat der riesige Schuldenberg eine neue Schallmauer durchbrochen: 15 Billionen Dollar, das sind fast 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der größten Volkswirtschaft der Welt. Dagegen nehmen sich die Verbindlichkeiten der Euro-Staaten, deren Abbau Präsident Obama immer wieder anmahnt, fast schon wie Peanuts aus. Trotzdem können sich Republikaner und Demokraten nicht über sozialverträgliche Etatkürzungen oder höhere Steuern für Reiche einigen, um das Megadefizit zu verringern. Die sozialen Folgen werden vor allem jene tragen müssen, die schon heute am stärksten unter der Macht der Banken leiden.
* Aus: neues deutschland, 19. November 2011 (Kommentar)
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